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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VIII. Folgen d. Westph. Fr. 1648-1657.
da konnte man nicht sagen, daß es bey der auf
diesen Fall nun einmal zur Regel angenommenen
Observanz des Jahres 1624. bliebe; ohne zu ge-
denken, wie wenig zu erwarten war, daß den Pro-
testanten nichts genommen werden würde, wenn
sie einen catholischen Landesherrn haben, dessen
Schutz und Gunst alsdann seine Glaubensgenossen
bald immer weiter zu benutzen suchen würden, wie
die Erfahrung bald nur zu sehr lehrte, daß in
solchen Fällen sowohl Kirchen als Kirchengüter und
Theilnehmung aller Einkünfte und Pfarrgebühren
in Anspruch genommen wurden. Einige Schrift-
steller haben zwar nachher ein schädliches und un-
schädliches Simultaneum von einander unterschei-
den, und dem Scheine nach doch nur letzteres ver-
theidigen wollen. Aber die Erfahrung hat am be-
sten gelehret, daß ein unschädliches Simultaneum
nach catholischen Grundsätzen gar nicht zu erwarten
war; und, was gnug ist, mit der Richtschnur des
Entscheidungsjahrs, die nun einmal Regel seyn
soll, kann gar kein Simultaneum bestehen.


IX.

Eine Hauptbetrachtung, die auch hier nicht
außer Acht zu laßen ist, beruhet in allen den Ver-
hältnissen, die zwischen der catholischen und evan-
gelischen Religion in Frage kommen, allemal auf
der irrigen Vorstellung, die besonders von den Je-
suiten ausgebreitet und unterhalten wurde, als ob
die evangelische Religion zur catholischen in dem
Verhältnisse stände, wie ein Fremdling, der in
einem Lande neu aufgenommen würde, und allen-
falls nur das, was ihm einmal gestattet sey, im
engsten Begriffe für sich behaupten könne; da hin-
gegen diejenigen, die ihn aufgenommen, immer

die

VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
da konnte man nicht ſagen, daß es bey der auf
dieſen Fall nun einmal zur Regel angenommenen
Obſervanz des Jahres 1624. bliebe; ohne zu ge-
denken, wie wenig zu erwarten war, daß den Pro-
teſtanten nichts genommen werden wuͤrde, wenn
ſie einen catholiſchen Landesherrn haben, deſſen
Schutz und Gunſt alsdann ſeine Glaubensgenoſſen
bald immer weiter zu benutzen ſuchen wuͤrden, wie
die Erfahrung bald nur zu ſehr lehrte, daß in
ſolchen Faͤllen ſowohl Kirchen als Kirchenguͤter und
Theilnehmung aller Einkuͤnfte und Pfarrgebuͤhren
in Anſpruch genommen wurden. Einige Schrift-
ſteller haben zwar nachher ein ſchaͤdliches und un-
ſchaͤdliches Simultaneum von einander unterſchei-
den, und dem Scheine nach doch nur letzteres ver-
theidigen wollen. Aber die Erfahrung hat am be-
ſten gelehret, daß ein unſchaͤdliches Simultaneum
nach catholiſchen Grundſaͤtzen gar nicht zu erwarten
war; und, was gnug iſt, mit der Richtſchnur des
Entſcheidungsjahrs, die nun einmal Regel ſeyn
ſoll, kann gar kein Simultaneum beſtehen.


IX.

Eine Hauptbetrachtung, die auch hier nicht
außer Acht zu laßen iſt, beruhet in allen den Ver-
haͤltniſſen, die zwiſchen der catholiſchen und evan-
geliſchen Religion in Frage kommen, allemal auf
der irrigen Vorſtellung, die beſonders von den Je-
ſuiten ausgebreitet und unterhalten wurde, als ob
die evangeliſche Religion zur catholiſchen in dem
Verhaͤltniſſe ſtaͤnde, wie ein Fremdling, der in
einem Lande neu aufgenommen wuͤrde, und allen-
falls nur das, was ihm einmal geſtattet ſey, im
engſten Begriffe fuͤr ſich behaupten koͤnne; da hin-
gegen diejenigen, die ihn aufgenommen, immer

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[232/0274] VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657. da konnte man nicht ſagen, daß es bey der auf dieſen Fall nun einmal zur Regel angenommenen Obſervanz des Jahres 1624. bliebe; ohne zu ge- denken, wie wenig zu erwarten war, daß den Pro- teſtanten nichts genommen werden wuͤrde, wenn ſie einen catholiſchen Landesherrn haben, deſſen Schutz und Gunſt alsdann ſeine Glaubensgenoſſen bald immer weiter zu benutzen ſuchen wuͤrden, wie die Erfahrung bald nur zu ſehr lehrte, daß in ſolchen Faͤllen ſowohl Kirchen als Kirchenguͤter und Theilnehmung aller Einkuͤnfte und Pfarrgebuͤhren in Anſpruch genommen wurden. Einige Schrift- ſteller haben zwar nachher ein ſchaͤdliches und un- ſchaͤdliches Simultaneum von einander unterſchei- den, und dem Scheine nach doch nur letzteres ver- theidigen wollen. Aber die Erfahrung hat am be- ſten gelehret, daß ein unſchaͤdliches Simultaneum nach catholiſchen Grundſaͤtzen gar nicht zu erwarten war; und, was gnug iſt, mit der Richtſchnur des Entſcheidungsjahrs, die nun einmal Regel ſeyn ſoll, kann gar kein Simultaneum beſtehen. Eine Hauptbetrachtung, die auch hier nicht außer Acht zu laßen iſt, beruhet in allen den Ver- haͤltniſſen, die zwiſchen der catholiſchen und evan- geliſchen Religion in Frage kommen, allemal auf der irrigen Vorſtellung, die beſonders von den Je- ſuiten ausgebreitet und unterhalten wurde, als ob die evangeliſche Religion zur catholiſchen in dem Verhaͤltniſſe ſtaͤnde, wie ein Fremdling, der in einem Lande neu aufgenommen wuͤrde, und allen- falls nur das, was ihm einmal geſtattet ſey, im engſten Begriffe fuͤr ſich behaupten koͤnne; da hin- gegen diejenigen, die ihn aufgenommen, immer die

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/274>, abgerufen am 25.11.2024.