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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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2) Verfass. der Länder mit Landständ.
gewöhnlich war, sind die landschaftlichen Verfas-
sungen in späteren Zeiten beynahe ganz in Abnahme
gerathen, oder doch an statt eines vollständigen Land-
tages nur Versammlungen eines größeren oder en-
gern Ausschusses der Landschaft oder so genannte
Deputationstage in Gang gekommen. Viele an-
sehnliche Länder fahren aber noch jetzt fort, von Zeit
zu Zeit Landtag zu halten. Freylich läßt sich der
mögliche Fall gedenken, daß eine aus Eigensinn
versagte landschaftliche Einwilligung eine oder an-
dere gemeinnützige Anstalt zurückhalten könne. Aber
ob der Fall nicht häufiger zu besorgen sey, daß, wo
Landschaften nichts zu sagen haben, willkührliche
Auflagen und despotische Gesinnungen eines Lan-
desherrn oder Ministers ein Land zu Grunde richten
können, ist eine andere Frage. Es fehlt zwar
nicht an Beyspielen, daß übel gesinnte Minister
auch in Ländern, wo noch Landtage üblich sind,
groß Unheil gestiftet haben. Würde aber das Un-
heil vielleicht nicht noch größer geworden seyn, wenn
keine Landstände da gewesen wären? Oder wenn
es auf den Credit eines Landes ankömmt, oder,
wenn einem unter zwey Ländern, wo Landstände
sind, oder wo keine sind, die Wahl gelaßen würde,
wo man sich niederlaßen wollte; sollte es da wohl
schwer fallen, sich darüber zu bestimmen, welchem
von beiden man den Vorzug geben möchte?




III.

2) Verfaſſ. der Laͤnder mit Landſtaͤnd.
gewoͤhnlich war, ſind die landſchaftlichen Verfaſ-
ſungen in ſpaͤteren Zeiten beynahe ganz in Abnahme
gerathen, oder doch an ſtatt eines vollſtaͤndigen Land-
tages nur Verſammlungen eines groͤßeren oder en-
gern Ausſchuſſes der Landſchaft oder ſo genannte
Deputationstage in Gang gekommen. Viele an-
ſehnliche Laͤnder fahren aber noch jetzt fort, von Zeit
zu Zeit Landtag zu halten. Freylich laͤßt ſich der
moͤgliche Fall gedenken, daß eine aus Eigenſinn
verſagte landſchaftliche Einwilligung eine oder an-
dere gemeinnuͤtzige Anſtalt zuruͤckhalten koͤnne. Aber
ob der Fall nicht haͤufiger zu beſorgen ſey, daß, wo
Landſchaften nichts zu ſagen haben, willkuͤhrliche
Auflagen und deſpotiſche Geſinnungen eines Lan-
desherrn oder Miniſters ein Land zu Grunde richten
koͤnnen, iſt eine andere Frage. Es fehlt zwar
nicht an Beyſpielen, daß uͤbel geſinnte Miniſter
auch in Laͤndern, wo noch Landtage uͤblich ſind,
groß Unheil geſtiftet haben. Wuͤrde aber das Un-
heil vielleicht nicht noch groͤßer geworden ſeyn, wenn
keine Landſtaͤnde da geweſen waͤren? Oder wenn
es auf den Credit eines Landes ankoͤmmt, oder,
wenn einem unter zwey Laͤndern, wo Landſtaͤnde
ſind, oder wo keine ſind, die Wahl gelaßen wuͤrde,
wo man ſich niederlaßen wollte; ſollte es da wohl
ſchwer fallen, ſich daruͤber zu beſtimmen, welchem
von beiden man den Vorzug geben moͤchte?




III.
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[171/0213] 2) Verfaſſ. der Laͤnder mit Landſtaͤnd. gewoͤhnlich war, ſind die landſchaftlichen Verfaſ- ſungen in ſpaͤteren Zeiten beynahe ganz in Abnahme gerathen, oder doch an ſtatt eines vollſtaͤndigen Land- tages nur Verſammlungen eines groͤßeren oder en- gern Ausſchuſſes der Landſchaft oder ſo genannte Deputationstage in Gang gekommen. Viele an- ſehnliche Laͤnder fahren aber noch jetzt fort, von Zeit zu Zeit Landtag zu halten. Freylich laͤßt ſich der moͤgliche Fall gedenken, daß eine aus Eigenſinn verſagte landſchaftliche Einwilligung eine oder an- dere gemeinnuͤtzige Anſtalt zuruͤckhalten koͤnne. Aber ob der Fall nicht haͤufiger zu beſorgen ſey, daß, wo Landſchaften nichts zu ſagen haben, willkuͤhrliche Auflagen und deſpotiſche Geſinnungen eines Lan- desherrn oder Miniſters ein Land zu Grunde richten koͤnnen, iſt eine andere Frage. Es fehlt zwar nicht an Beyſpielen, daß uͤbel geſinnte Miniſter auch in Laͤndern, wo noch Landtage uͤblich ſind, groß Unheil geſtiftet haben. Wuͤrde aber das Un- heil vielleicht nicht noch groͤßer geworden ſeyn, wenn keine Landſtaͤnde da geweſen waͤren? Oder wenn es auf den Credit eines Landes ankoͤmmt, oder, wenn einem unter zwey Laͤndern, wo Landſtaͤnde ſind, oder wo keine ſind, die Wahl gelaßen wuͤrde, wo man ſich niederlaßen wollte; ſollte es da wohl ſchwer fallen, ſich daruͤber zu beſtimmen, welchem von beiden man den Vorzug geben moͤchte? III.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/213>, abgerufen am 02.05.2024.