Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Neuere Zeit. Westph. Fr. 1648.
waren, hatte das churfürstliche Collegium gewöhn-
lich den ersten geistlichen und den ersten weltlichen
Churfürsten dazu genommen, also in vorigen Zei-
ten Churmainz und Churpfalz, aber seit 1623.
Churmainz und Churbaiern. Jetzt, da der West-
phälische Friede auch hier die Religionsgleichheit
beobachtet wissen wollte, mußte entweder an statt
Churbaiern Chursachsen eintreten; oder, da Chur-
baiern jetzt auch hier ein beständiges Recht solchen
Deputationen beyzuwohnen behauptete, mußten
nebst Churmainz und Churbaiern auch zwey evan-
gelische Churfürsten, also Chursachsen und Chur-
brandenburg zu jeder außerordentlichen Reichs-
deputation zugelaßen werden. Unter den ersten
Mitgliedern des Reichsfürstenraths gab es gleiche
Anstände, dergleichen nachher auch bey den Chur-
fürsten sich noch von neuem geäußert haben. Dar-
über ist es zuletzt dahin gekommen, daß die Aus-
richtung solcher Comitialdeputationen, wozu sonst
ein jedes der drey Reichscollegien einige seiner Mit-
glieder herzugeben pflegte, jetzt gemeiniglich Chur-
mainz alleine aufgetragen werden, wiewohl mit
jedesmaligem Vorbehalte, daß kein nachtheiliges
Recht daraus erwachsen solle.


XII.

So geringfügig diese Sache scheint, so erheb-
lich kann sie in mancher Rücksicht werden. Unter
andern bringt ein altes Herkommen mit sich, daß
ein jedes Reichsgutachten dem Kaiser, oder in des-
sen Abwesenheit dem Principalcommissarien durch
eine außerordentliche Reichsdeputation feierlich
überbracht wird. Das Reichsgutachten an sich
wird übrigens nur von Mainzischer Canzleyhand
mit den Worten: Churfürstlich Mainzische Canzley,

unter-

VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
waren, hatte das churfuͤrſtliche Collegium gewoͤhn-
lich den erſten geiſtlichen und den erſten weltlichen
Churfuͤrſten dazu genommen, alſo in vorigen Zei-
ten Churmainz und Churpfalz, aber ſeit 1623.
Churmainz und Churbaiern. Jetzt, da der Weſt-
phaͤliſche Friede auch hier die Religionsgleichheit
beobachtet wiſſen wollte, mußte entweder an ſtatt
Churbaiern Churſachſen eintreten; oder, da Chur-
baiern jetzt auch hier ein beſtaͤndiges Recht ſolchen
Deputationen beyzuwohnen behauptete, mußten
nebſt Churmainz und Churbaiern auch zwey evan-
geliſche Churfuͤrſten, alſo Churſachſen und Chur-
brandenburg zu jeder außerordentlichen Reichs-
deputation zugelaßen werden. Unter den erſten
Mitgliedern des Reichsfuͤrſtenraths gab es gleiche
Anſtaͤnde, dergleichen nachher auch bey den Chur-
fuͤrſten ſich noch von neuem geaͤußert haben. Dar-
uͤber iſt es zuletzt dahin gekommen, daß die Aus-
richtung ſolcher Comitialdeputationen, wozu ſonſt
ein jedes der drey Reichscollegien einige ſeiner Mit-
glieder herzugeben pflegte, jetzt gemeiniglich Chur-
mainz alleine aufgetragen werden, wiewohl mit
jedesmaligem Vorbehalte, daß kein nachtheiliges
Recht daraus erwachſen ſolle.


XII.

So geringfuͤgig dieſe Sache ſcheint, ſo erheb-
lich kann ſie in mancher Ruͤckſicht werden. Unter
andern bringt ein altes Herkommen mit ſich, daß
ein jedes Reichsgutachten dem Kaiſer, oder in deſ-
ſen Abweſenheit dem Principalcommiſſarien durch
eine außerordentliche Reichsdeputation feierlich
uͤberbracht wird. Das Reichsgutachten an ſich
wird uͤbrigens nur von Mainziſcher Canzleyhand
mit den Worten: Churfuͤrſtlich Mainziſche Canzley,

unter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Neuere Zeit. We&#x017F;tph. Fr. 1648.</hi></fw><lb/>
waren, hatte das churfu&#x0364;r&#x017F;tliche Collegium gewo&#x0364;hn-<lb/>
lich den er&#x017F;ten gei&#x017F;tlichen und den er&#x017F;ten weltlichen<lb/>
Churfu&#x0364;r&#x017F;ten dazu genommen, al&#x017F;o in vorigen Zei-<lb/>
ten Churmainz und Churpfalz, aber &#x017F;eit 1623.<lb/>
Churmainz und Churbaiern. Jetzt, da der We&#x017F;t-<lb/>
pha&#x0364;li&#x017F;che Friede auch hier die Religionsgleichheit<lb/>
beobachtet wi&#x017F;&#x017F;en wollte, mußte entweder an &#x017F;tatt<lb/>
Churbaiern Chur&#x017F;ach&#x017F;en eintreten; oder, da Chur-<lb/>
baiern jetzt auch hier ein be&#x017F;ta&#x0364;ndiges Recht &#x017F;olchen<lb/>
Deputationen beyzuwohnen behauptete, mußten<lb/>
neb&#x017F;t Churmainz und Churbaiern auch zwey evan-<lb/>
geli&#x017F;che Churfu&#x0364;r&#x017F;ten, al&#x017F;o Chur&#x017F;ach&#x017F;en und Chur-<lb/>
brandenburg zu jeder außerordentlichen Reichs-<lb/>
deputation zugelaßen werden. Unter den er&#x017F;ten<lb/>
Mitgliedern des Reichsfu&#x0364;r&#x017F;tenraths gab es gleiche<lb/>
An&#x017F;ta&#x0364;nde, dergleichen nachher auch bey den Chur-<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;ich noch von neuem gea&#x0364;ußert haben. Dar-<lb/>
u&#x0364;ber i&#x017F;t es zuletzt dahin gekommen, daß die Aus-<lb/>
richtung &#x017F;olcher Comitialdeputationen, wozu &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
ein jedes der drey Reichscollegien einige &#x017F;einer Mit-<lb/>
glieder herzugeben pflegte, jetzt gemeiniglich Chur-<lb/>
mainz alleine aufgetragen werden, wiewohl mit<lb/>
jedesmaligem Vorbehalte, daß kein nachtheiliges<lb/>
Recht daraus erwach&#x017F;en &#x017F;olle.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XII.</hi> </note>
          <p>So geringfu&#x0364;gig die&#x017F;e Sache &#x017F;cheint, &#x017F;o erheb-<lb/>
lich kann &#x017F;ie in mancher Ru&#x0364;ck&#x017F;icht werden. Unter<lb/>
andern bringt ein altes Herkommen mit &#x017F;ich, daß<lb/>
ein jedes Reichsgutachten dem Kai&#x017F;er, oder in de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Abwe&#x017F;enheit dem Principalcommi&#x017F;&#x017F;arien durch<lb/>
eine außerordentliche Reichsdeputation feierlich<lb/>
u&#x0364;berbracht wird. Das Reichsgutachten an &#x017F;ich<lb/>
wird u&#x0364;brigens nur von Mainzi&#x017F;cher Canzleyhand<lb/>
mit den Worten: Churfu&#x0364;r&#x017F;tlich Mainzi&#x017F;che Canzley,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unter-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0170] VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648. waren, hatte das churfuͤrſtliche Collegium gewoͤhn- lich den erſten geiſtlichen und den erſten weltlichen Churfuͤrſten dazu genommen, alſo in vorigen Zei- ten Churmainz und Churpfalz, aber ſeit 1623. Churmainz und Churbaiern. Jetzt, da der Weſt- phaͤliſche Friede auch hier die Religionsgleichheit beobachtet wiſſen wollte, mußte entweder an ſtatt Churbaiern Churſachſen eintreten; oder, da Chur- baiern jetzt auch hier ein beſtaͤndiges Recht ſolchen Deputationen beyzuwohnen behauptete, mußten nebſt Churmainz und Churbaiern auch zwey evan- geliſche Churfuͤrſten, alſo Churſachſen und Chur- brandenburg zu jeder außerordentlichen Reichs- deputation zugelaßen werden. Unter den erſten Mitgliedern des Reichsfuͤrſtenraths gab es gleiche Anſtaͤnde, dergleichen nachher auch bey den Chur- fuͤrſten ſich noch von neuem geaͤußert haben. Dar- uͤber iſt es zuletzt dahin gekommen, daß die Aus- richtung ſolcher Comitialdeputationen, wozu ſonſt ein jedes der drey Reichscollegien einige ſeiner Mit- glieder herzugeben pflegte, jetzt gemeiniglich Chur- mainz alleine aufgetragen werden, wiewohl mit jedesmaligem Vorbehalte, daß kein nachtheiliges Recht daraus erwachſen ſolle. So geringfuͤgig dieſe Sache ſcheint, ſo erheb- lich kann ſie in mancher Ruͤckſicht werden. Unter andern bringt ein altes Herkommen mit ſich, daß ein jedes Reichsgutachten dem Kaiſer, oder in deſ- ſen Abweſenheit dem Principalcommiſſarien durch eine außerordentliche Reichsdeputation feierlich uͤberbracht wird. Das Reichsgutachten an ſich wird uͤbrigens nur von Mainziſcher Canzleyhand mit den Worten: Churfuͤrſtlich Mainziſche Canzley, unter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/170
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/170>, abgerufen am 07.05.2024.