Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.8) Reichsgerichte überhaupt. in nichts entscheiden konnte, sondern nur dem Kai-ser sein Gutachten zu geben hatte, demselben aber die endliche Entschließung darauf nach seinem Gut- finden heimstellen mußte. So stand schon in der ersten Ordnung vom Jahre 1501., daß der Hof- rath dem Kaiser in allen vorkommenden Fällen von der Art schriftlich Gutachten geben solle. Sonst pflegen große Herren wohl persönlich ihren Mini- sterien beyzuwohnen, und deren Gutachten münd- lich zu vernehmen. Hier scheint aber von je her nie die Absicht gewesen zu seyn, daß der Kaiser selbst den Reichshofraths-Sitzungen beywohnen wollte. Das schriftliche Gutachten mußte also dem Kaiser zugeschickt, und mit dessen Entschließung, geneh- miget oder abgeändert, zurück erwartet werden. So lange der Reichshofrath nur ein Staats-XVI. wenn H 2
8) Reichsgerichte uͤberhaupt. in nichts entſcheiden konnte, ſondern nur dem Kai-ſer ſein Gutachten zu geben hatte, demſelben aber die endliche Entſchließung darauf nach ſeinem Gut- finden heimſtellen mußte. So ſtand ſchon in der erſten Ordnung vom Jahre 1501., daß der Hof- rath dem Kaiſer in allen vorkommenden Faͤllen von der Art ſchriftlich Gutachten geben ſolle. Sonſt pflegen große Herren wohl perſoͤnlich ihren Mini- ſterien beyzuwohnen, und deren Gutachten muͤnd- lich zu vernehmen. Hier ſcheint aber von je her nie die Abſicht geweſen zu ſeyn, daß der Kaiſer ſelbſt den Reichshofraths-Sitzungen beywohnen wollte. Das ſchriftliche Gutachten mußte alſo dem Kaiſer zugeſchickt, und mit deſſen Entſchließung, geneh- miget oder abgeaͤndert, zuruͤck erwartet werden. So lange der Reichshofrath nur ein Staats-XVI. wenn H 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0157" n="115"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">8) Reichsgerichte uͤberhaupt.</hi></fw><lb/> in nichts entſcheiden konnte, ſondern nur dem Kai-<lb/> ſer ſein Gutachten zu geben hatte, demſelben aber<lb/> die endliche Entſchließung darauf nach ſeinem Gut-<lb/> finden heimſtellen mußte. So ſtand ſchon in der<lb/> erſten Ordnung vom Jahre 1501., daß der Hof-<lb/> rath dem Kaiſer in allen vorkommenden Faͤllen von<lb/> der Art ſchriftlich Gutachten geben ſolle. Sonſt<lb/> pflegen große Herren wohl perſoͤnlich ihren Mini-<lb/> ſterien beyzuwohnen, und deren Gutachten muͤnd-<lb/> lich zu vernehmen. Hier ſcheint aber von je her<lb/> nie die Abſicht geweſen zu ſeyn, daß der Kaiſer ſelbſt<lb/> den Reichshofraths-Sitzungen beywohnen wollte.<lb/> Das ſchriftliche Gutachten mußte alſo dem Kaiſer<lb/> zugeſchickt, und mit deſſen Entſchließung, geneh-<lb/> miget oder abgeaͤndert, zuruͤck erwartet werden.</p><lb/> <p>So lange der Reichshofrath nur ein Staats-<note place="right"><hi rendition="#aq">XVI.</hi></note><lb/> collegium blieb, ohne foͤrmliche Gerichtbarkeit aus-<lb/> zuuͤben, war bey dieſer Einrichtung der <hi rendition="#fr">Reichs-<lb/> hofrathsgutachten</hi> nichts zu erinnern. Aber nun<lb/> ſtellte der Reichshofrath auch ein Juſtitzcollegium<lb/> vor. Man konnte alſo jetzt erwarten, daß Er-<lb/> kenntniſſe in Rechtsſachen gar keiner andern Be-<lb/> ſtimmung faͤhig ſeyn wuͤrden, als wie ſie durch<lb/> Vereinigung oder Mehrheit der Stimmen unter<lb/> den Mitgliedern des Gerichts bloß nach ihrer Ue-<lb/> berzeugung und der Pflicht eines unpartheyiſchen<lb/> Richters ſich ergeben wuͤrden. Wie aber, wenn<lb/> nun auch in Rechtsſachen Reichshofraths-Gutach-<lb/> ten an das kaiſerliche Cabinet ergiengen? Wie,<lb/> wenn hier andere Miniſter, die mit Reichsſachen<lb/> ſonſt nichts zu thun haben ſollten, und die auf<lb/> die Gerechtigkeit keine beſondere Pflicht geleiſtet<lb/> haben, zur Berathſchlagung gezogen wuͤrden? Wie,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0157]
8) Reichsgerichte uͤberhaupt.
in nichts entſcheiden konnte, ſondern nur dem Kai-
ſer ſein Gutachten zu geben hatte, demſelben aber
die endliche Entſchließung darauf nach ſeinem Gut-
finden heimſtellen mußte. So ſtand ſchon in der
erſten Ordnung vom Jahre 1501., daß der Hof-
rath dem Kaiſer in allen vorkommenden Faͤllen von
der Art ſchriftlich Gutachten geben ſolle. Sonſt
pflegen große Herren wohl perſoͤnlich ihren Mini-
ſterien beyzuwohnen, und deren Gutachten muͤnd-
lich zu vernehmen. Hier ſcheint aber von je her
nie die Abſicht geweſen zu ſeyn, daß der Kaiſer ſelbſt
den Reichshofraths-Sitzungen beywohnen wollte.
Das ſchriftliche Gutachten mußte alſo dem Kaiſer
zugeſchickt, und mit deſſen Entſchließung, geneh-
miget oder abgeaͤndert, zuruͤck erwartet werden.
So lange der Reichshofrath nur ein Staats-
collegium blieb, ohne foͤrmliche Gerichtbarkeit aus-
zuuͤben, war bey dieſer Einrichtung der Reichs-
hofrathsgutachten nichts zu erinnern. Aber nun
ſtellte der Reichshofrath auch ein Juſtitzcollegium
vor. Man konnte alſo jetzt erwarten, daß Er-
kenntniſſe in Rechtsſachen gar keiner andern Be-
ſtimmung faͤhig ſeyn wuͤrden, als wie ſie durch
Vereinigung oder Mehrheit der Stimmen unter
den Mitgliedern des Gerichts bloß nach ihrer Ue-
berzeugung und der Pflicht eines unpartheyiſchen
Richters ſich ergeben wuͤrden. Wie aber, wenn
nun auch in Rechtsſachen Reichshofraths-Gutach-
ten an das kaiſerliche Cabinet ergiengen? Wie,
wenn hier andere Miniſter, die mit Reichsſachen
ſonſt nichts zu thun haben ſollten, und die auf
die Gerechtigkeit keine beſondere Pflicht geleiſtet
haben, zur Berathſchlagung gezogen wuͤrden? Wie,
wenn
XVI.
H 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |