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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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4) Religionsverhältnisse.
sowohl Reformirte als Lutherische begriffen sind;
so ist doch das Verhältniß zwischen diesen beiden
ganz anders bestimmt, als zwischen ihnen und den
Catholischen. Was Lutherische und Reformirte ein-
ander gestatten, kann nicht von Catholischen gegen
Protestanten behauptet werden. Auch gilt umge-
kehrt nicht unter jenen, was zur Richtschnur zwi-
schen Catholischen und Protestanten angenommen
ist. Unter andern zeigt sich das selbst in Ansehung
des Entscheidungsjahres 1624., das durch eine
ganz besondere Verordnung des Westphälischen Frie-
dens nur noch in der Pfalz zum Entscheidungsziele
zwischen den dortigen Lutherischen und Reformirten
angenommen ist, sonst aber zwischen diesen beiden
Religionsverwandten nicht zur Entscheidung die-
net. -- So, sage ich, sind nicht alle drey Reli-
gionen, sondern nur zwey einander völlig gleich-
gesetzt, obgleich unter einer von diesen beiden wie-
der zweyerley Abtheilungen begriffen sind, die aber
unter sich wieder ihr besonderes Verhältniß haben.

Außer diesen benannten Religionen sollte nunXXVI.
aber nach weiterer Vorschrift des Westphälischen
Friedens keine andere im Reiche aufgenommen noch
geduldet werden. So hat sich wenigstens von
Reichs wegen keine andere Religion eines gleichen
Bürgerrechts zu erfreuen. Doch hat das nicht
den Sinn gehabt, daß auch in einzelnen Ländern
oder Reichsstädten keine andere Religionsübung
gestattet, oder gar kein anderer Glaubensgenosse
geduldet werden dürfte; wie davon das häufige
Beyspiel der Juden schon das Gegentheil zeiget,
da ihnen zwar kein allgemeines Reichsbürgerrecht
zu statten kömmt, aber doch ein jeder Reichsstand

so-
P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. F

4) Religionsverhaͤltniſſe.
ſowohl Reformirte als Lutheriſche begriffen ſind;
ſo iſt doch das Verhaͤltniß zwiſchen dieſen beiden
ganz anders beſtimmt, als zwiſchen ihnen und den
Catholiſchen. Was Lutheriſche und Reformirte ein-
ander geſtatten, kann nicht von Catholiſchen gegen
Proteſtanten behauptet werden. Auch gilt umge-
kehrt nicht unter jenen, was zur Richtſchnur zwi-
ſchen Catholiſchen und Proteſtanten angenommen
iſt. Unter andern zeigt ſich das ſelbſt in Anſehung
des Entſcheidungsjahres 1624., das durch eine
ganz beſondere Verordnung des Weſtphaͤliſchen Frie-
dens nur noch in der Pfalz zum Entſcheidungsziele
zwiſchen den dortigen Lutheriſchen und Reformirten
angenommen iſt, ſonſt aber zwiſchen dieſen beiden
Religionsverwandten nicht zur Entſcheidung die-
net. — So, ſage ich, ſind nicht alle drey Reli-
gionen, ſondern nur zwey einander voͤllig gleich-
geſetzt, obgleich unter einer von dieſen beiden wie-
der zweyerley Abtheilungen begriffen ſind, die aber
unter ſich wieder ihr beſonderes Verhaͤltniß haben.

Außer dieſen benannten Religionen ſollte nunXXVI.
aber nach weiterer Vorſchrift des Weſtphaͤliſchen
Friedens keine andere im Reiche aufgenommen noch
geduldet werden. So hat ſich wenigſtens von
Reichs wegen keine andere Religion eines gleichen
Buͤrgerrechts zu erfreuen. Doch hat das nicht
den Sinn gehabt, daß auch in einzelnen Laͤndern
oder Reichsſtaͤdten keine andere Religionsuͤbung
geſtattet, oder gar kein anderer Glaubensgenoſſe
geduldet werden duͤrfte; wie davon das haͤufige
Beyſpiel der Juden ſchon das Gegentheil zeiget,
da ihnen zwar kein allgemeines Reichsbuͤrgerrecht
zu ſtatten koͤmmt, aber doch ein jeder Reichsſtand

ſo-
P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. F
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[81/0123] 4) Religionsverhaͤltniſſe. ſowohl Reformirte als Lutheriſche begriffen ſind; ſo iſt doch das Verhaͤltniß zwiſchen dieſen beiden ganz anders beſtimmt, als zwiſchen ihnen und den Catholiſchen. Was Lutheriſche und Reformirte ein- ander geſtatten, kann nicht von Catholiſchen gegen Proteſtanten behauptet werden. Auch gilt umge- kehrt nicht unter jenen, was zur Richtſchnur zwi- ſchen Catholiſchen und Proteſtanten angenommen iſt. Unter andern zeigt ſich das ſelbſt in Anſehung des Entſcheidungsjahres 1624., das durch eine ganz beſondere Verordnung des Weſtphaͤliſchen Frie- dens nur noch in der Pfalz zum Entſcheidungsziele zwiſchen den dortigen Lutheriſchen und Reformirten angenommen iſt, ſonſt aber zwiſchen dieſen beiden Religionsverwandten nicht zur Entſcheidung die- net. — So, ſage ich, ſind nicht alle drey Reli- gionen, ſondern nur zwey einander voͤllig gleich- geſetzt, obgleich unter einer von dieſen beiden wie- der zweyerley Abtheilungen begriffen ſind, die aber unter ſich wieder ihr beſonderes Verhaͤltniß haben. Außer dieſen benannten Religionen ſollte nun aber nach weiterer Vorſchrift des Weſtphaͤliſchen Friedens keine andere im Reiche aufgenommen noch geduldet werden. So hat ſich wenigſtens von Reichs wegen keine andere Religion eines gleichen Buͤrgerrechts zu erfreuen. Doch hat das nicht den Sinn gehabt, daß auch in einzelnen Laͤndern oder Reichsſtaͤdten keine andere Religionsuͤbung geſtattet, oder gar kein anderer Glaubensgenoſſe geduldet werden duͤrfte; wie davon das haͤufige Beyſpiel der Juden ſchon das Gegentheil zeiget, da ihnen zwar kein allgemeines Reichsbuͤrgerrecht zu ſtatten koͤmmt, aber doch ein jeder Reichsſtand ſo- XXVI. P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. F

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/123>, abgerufen am 06.05.2024.