wären, überhaupt zur Ausnahme von der Mehr- heit der Stimmen mit ausgedrückt werden möchte. Wobey viele der Meynung waren, daß auch Con- tributionssachen, wenn mehrere Stimmen die übri- gen wider ihren Willen zu Steuerbewilligungen nöthigen wollten, darunter begriffen seyn müßten. Doch dieser Punct des Contributionswesens, der allerdings einigen Anstand hatte, mußte am Ende unverglichen gelaßen, und zur Entscheidung des nächsten Reichstages ausgesetzt werden (die gleich- wohl noch immer nicht erfolget ist, und also keine geringe Unvollkommenheit in unserer Reichsverfas- sung übrig läßt, da wider reichstägliche Steuer- bewilligungen noch immer eingewandt werden kann, daß es noch nicht ausgemacht sey, ob auch die Mehrheit der Stimmen darin entscheiden könne.)
XXII.
Nun hatte aber überdies schon mehrmalen die Erfahrung gelehret, daß theils selbst die Frage: ob dieses oder jenes eine Religions: oder Gewissenssache sey? in Streit gekommen war, und theils auch nicht selten in bloß weltlichen Sachen nur in Rück- sicht naher oder entfernter Vortheile, die der catho- lische Religionstheil für sich oder auch nur für einen oder andern seiner Religionsverwandten davon hof- fen konnte, die Mehrheit der Stimmen dazu benutzt wurde, Sachen durchzusetzen. Darum war nun der erste Antrag der Protestanten in ihren im Nov. 1645. übergebenen Beschwerden über diesen Punct so gefasset: "daß nicht allein in Religions-Con- "tributions-, und denen Sachen, da die Stände "(einzeln) vt singuli zu consideriren, sondern auch "in allen und jeden anderen, sie treffen an, was "sie immer wollen, darin die Römischcatholischen
"eins,
VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
waͤren, uͤberhaupt zur Ausnahme von der Mehr- heit der Stimmen mit ausgedruͤckt werden moͤchte. Wobey viele der Meynung waren, daß auch Con- tributionsſachen, wenn mehrere Stimmen die uͤbri- gen wider ihren Willen zu Steuerbewilligungen noͤthigen wollten, darunter begriffen ſeyn muͤßten. Doch dieſer Punct des Contributionsweſens, der allerdings einigen Anſtand hatte, mußte am Ende unverglichen gelaßen, und zur Entſcheidung des naͤchſten Reichstages ausgeſetzt werden (die gleich- wohl noch immer nicht erfolget iſt, und alſo keine geringe Unvollkommenheit in unſerer Reichsverfaſ- ſung uͤbrig laͤßt, da wider reichstaͤgliche Steuer- bewilligungen noch immer eingewandt werden kann, daß es noch nicht ausgemacht ſey, ob auch die Mehrheit der Stimmen darin entſcheiden koͤnne.)
XXII.
Nun hatte aber uͤberdies ſchon mehrmalen die Erfahrung gelehret, daß theils ſelbſt die Frage: ob dieſes oder jenes eine Religions: oder Gewiſſensſache ſey? in Streit gekommen war, und theils auch nicht ſelten in bloß weltlichen Sachen nur in Ruͤck- ſicht naher oder entfernter Vortheile, die der catho- liſche Religionstheil fuͤr ſich oder auch nur fuͤr einen oder andern ſeiner Religionsverwandten davon hof- fen konnte, die Mehrheit der Stimmen dazu benutzt wurde, Sachen durchzuſetzen. Darum war nun der erſte Antrag der Proteſtanten in ihren im Nov. 1645. uͤbergebenen Beſchwerden uͤber dieſen Punct ſo gefaſſet: ”daß nicht allein in Religions-Con- „tributions-, und denen Sachen, da die Staͤnde „(einzeln) vt ſinguli zu conſideriren, ſondern auch „in allen und jeden anderen, ſie treffen an, was „ſie immer wollen, darin die Roͤmiſchcatholiſchen
„eins,
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VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
waͤren, uͤberhaupt zur Ausnahme von der Mehr-
heit der Stimmen mit ausgedruͤckt werden moͤchte.
Wobey viele der Meynung waren, daß auch Con-
tributionsſachen, wenn mehrere Stimmen die uͤbri-
gen wider ihren Willen zu Steuerbewilligungen
noͤthigen wollten, darunter begriffen ſeyn muͤßten.
Doch dieſer Punct des Contributionsweſens, der
allerdings einigen Anſtand hatte, mußte am Ende
unverglichen gelaßen, und zur Entſcheidung des
naͤchſten Reichstages ausgeſetzt werden (die gleich-
wohl noch immer nicht erfolget iſt, und alſo keine
geringe Unvollkommenheit in unſerer Reichsverfaſ-
ſung uͤbrig laͤßt, da wider reichstaͤgliche Steuer-
bewilligungen noch immer eingewandt werden kann,
daß es noch nicht ausgemacht ſey, ob auch die
Mehrheit der Stimmen darin entſcheiden koͤnne.)
Nun hatte aber uͤberdies ſchon mehrmalen die
Erfahrung gelehret, daß theils ſelbſt die Frage: ob
dieſes oder jenes eine Religions: oder Gewiſſensſache
ſey? in Streit gekommen war, und theils auch
nicht ſelten in bloß weltlichen Sachen nur in Ruͤck-
ſicht naher oder entfernter Vortheile, die der catho-
liſche Religionstheil fuͤr ſich oder auch nur fuͤr einen
oder andern ſeiner Religionsverwandten davon hof-
fen konnte, die Mehrheit der Stimmen dazu benutzt
wurde, Sachen durchzuſetzen. Darum war nun
der erſte Antrag der Proteſtanten in ihren im Nov.
1645. uͤbergebenen Beſchwerden uͤber dieſen Punct
ſo gefaſſet: ”daß nicht allein in Religions-Con-
„tributions-, und denen Sachen, da die Staͤnde
„(einzeln) vt ſinguli zu conſideriren, ſondern auch
„in allen und jeden anderen, ſie treffen an, was
„ſie immer wollen, darin die Roͤmiſchcatholiſchen
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/120>, abgerufen am 27.07.2024.
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