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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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2) D. Luther bis 1525.
messen, daß es nicht fehlen konnte, seine Schrif-
ten mußten Beyfall finden. Insonderheit wußte
er sich auch dem gemeinen Manne so faßlich zu
machen, daß durch einige seiner Schriften, als
vorzüglich ein so genanntes Les- und Betbüchlein,
oder durch seinen kleinen und größern Catechis-
mus,
und durch einige von ihm abgefaßte Teut-
sche Lieder,
auch der einfältigste Mann sich und
die seinigen belehren und erbauen konnte.

Noch kam hinzu, daß in allem, was LutherXI.
schrieb und unternahm, für ihn keine nur Eigen-
nutz verrathende Triebfeder hervorleuchtete; wie
hingegen jedem in die Augen leuchten mußte, daß
das ganze päbstlich hierarchische System sowohl an
dessen Quelle zu Rom selbst, als bey allen, die
dasselbe vertheidigten, auf solchen Stützen beruhete,
da es für hohe und niedere, die daran Theil nah-
men, um Reichthum, Ehre und Bequemlichkeit
galt. Von allem dem hatte Luther vielmehr das
Gegentheil zu erwarten. Seinen Schriften sah
man es deswegen bald an, daß es nicht Heuche-
ley war, wenn er behauptete, daß er es Gott und
der Wahrheit schuldig zu seyn glaube, was er
unternähme, und daß nur der Gedanke, daß in
solchen Fällen Gott mehr als Menschen zu gehor-
chen sey, ihm Muth und Standhaftigkeit einflöße.

Das alles zusammengenommen kann es begreif-XII.
lich machen, wie sowohl Luthers Schriften, als seine
und seiner Schüler und Anhänger mündliche Vor-
träge in kurzem so allgemeinen Eingang finden kön-
nen, daß in ganz Teutschland kein Land, keine
Stadt, kein beträchtliches Dorf zu finden war,

wo
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2) D. Luther bis 1525.
meſſen, daß es nicht fehlen konnte, ſeine Schrif-
ten mußten Beyfall finden. Inſonderheit wußte
er ſich auch dem gemeinen Manne ſo faßlich zu
machen, daß durch einige ſeiner Schriften, als
vorzuͤglich ein ſo genanntes Les- und Betbuͤchlein,
oder durch ſeinen kleinen und groͤßern Catechis-
mus,
und durch einige von ihm abgefaßte Teut-
ſche Lieder,
auch der einfaͤltigſte Mann ſich und
die ſeinigen belehren und erbauen konnte.

Noch kam hinzu, daß in allem, was LutherXI.
ſchrieb und unternahm, fuͤr ihn keine nur Eigen-
nutz verrathende Triebfeder hervorleuchtete; wie
hingegen jedem in die Augen leuchten mußte, daß
das ganze paͤbſtlich hierarchiſche Syſtem ſowohl an
deſſen Quelle zu Rom ſelbſt, als bey allen, die
daſſelbe vertheidigten, auf ſolchen Stuͤtzen beruhete,
da es fuͤr hohe und niedere, die daran Theil nah-
men, um Reichthum, Ehre und Bequemlichkeit
galt. Von allem dem hatte Luther vielmehr das
Gegentheil zu erwarten. Seinen Schriften ſah
man es deswegen bald an, daß es nicht Heuche-
ley war, wenn er behauptete, daß er es Gott und
der Wahrheit ſchuldig zu ſeyn glaube, was er
unternaͤhme, und daß nur der Gedanke, daß in
ſolchen Faͤllen Gott mehr als Menſchen zu gehor-
chen ſey, ihm Muth und Standhaftigkeit einfloͤße.

Das alles zuſammengenommen kann es begreif-XII.
lich machen, wie ſowohl Luthers Schriften, als ſeine
und ſeiner Schuͤler und Anhaͤnger muͤndliche Vor-
traͤge in kurzem ſo allgemeinen Eingang finden koͤn-
nen, daß in ganz Teutſchland kein Land, keine
Stadt, kein betraͤchtliches Dorf zu finden war,

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[361/0395] 2) D. Luther bis 1525. meſſen, daß es nicht fehlen konnte, ſeine Schrif- ten mußten Beyfall finden. Inſonderheit wußte er ſich auch dem gemeinen Manne ſo faßlich zu machen, daß durch einige ſeiner Schriften, als vorzuͤglich ein ſo genanntes Les- und Betbuͤchlein, oder durch ſeinen kleinen und groͤßern Catechis- mus, und durch einige von ihm abgefaßte Teut- ſche Lieder, auch der einfaͤltigſte Mann ſich und die ſeinigen belehren und erbauen konnte. Noch kam hinzu, daß in allem, was Luther ſchrieb und unternahm, fuͤr ihn keine nur Eigen- nutz verrathende Triebfeder hervorleuchtete; wie hingegen jedem in die Augen leuchten mußte, daß das ganze paͤbſtlich hierarchiſche Syſtem ſowohl an deſſen Quelle zu Rom ſelbſt, als bey allen, die daſſelbe vertheidigten, auf ſolchen Stuͤtzen beruhete, da es fuͤr hohe und niedere, die daran Theil nah- men, um Reichthum, Ehre und Bequemlichkeit galt. Von allem dem hatte Luther vielmehr das Gegentheil zu erwarten. Seinen Schriften ſah man es deswegen bald an, daß es nicht Heuche- ley war, wenn er behauptete, daß er es Gott und der Wahrheit ſchuldig zu ſeyn glaube, was er unternaͤhme, und daß nur der Gedanke, daß in ſolchen Faͤllen Gott mehr als Menſchen zu gehor- chen ſey, ihm Muth und Standhaftigkeit einfloͤße. XI. Das alles zuſammengenommen kann es begreif- lich machen, wie ſowohl Luthers Schriften, als ſeine und ſeiner Schuͤler und Anhaͤnger muͤndliche Vor- traͤge in kurzem ſo allgemeinen Eingang finden koͤn- nen, daß in ganz Teutſchland kein Land, keine Stadt, kein betraͤchtliches Dorf zu finden war, wo XII. Z 5

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/395>, abgerufen am 22.11.2024.