rige Gedanken vom Ungrunde der ganzen päbstlichen Hierarchie äußerte. Dann appellirte er von der wider ihn ergangenen päbstlichen Bulle an ein all- gemeines Concilium, und schrieb jetzt mehrere Schriften gegen diese Bulle, worin er dem Pabste allen Gehorsam feierlich aufkündigte.
VI.
Zu Rom dachte man auf dem einmal ange- fangenen Wege mit dem der Ketzerey ohnehin schon schuldig erklärten Augustinermönche bald fertig zu werden. Ein päbstlicher Botschafter war dazu bestimmt, dem Churfürsten von Sachsen anzusin- nen, der ergangenen Bulle zufolge Luthers Schrif- ten verbrennen zu laßen, und an Luthern entwe- der selbst die ihm zuerkannte Strafe zur Vollzie- hung zu bringen, oder ihn doch zu des Pabstes Disposition auszuliefern. Ein anderer Botschaf- ter des Pabstes betrieb eben dieses Anliegen beym Kaiser, in dessen Niederländischen Erbländern auch schon nach des Pabstes Wünschen verfahren wurde.
VII.
Doch derer, die Luthers Schriften lasen, sie selbst mit Beyfall lasen, und ihn oder seine Schü- ler, die sich nach und nach von Wittenberg fast in alle Gegenden ausbreiteten, in mündlichen Vor- trägen gerne höreten, waren schon so viele, schon so viel tausende, daß es beynahe unmöglich war, der Bulle ein Gnüge zu thun. Der Kaiser und der Churfürst von Sachsen wurden endlich darüber eins, daß nach den Grundsätzen, wie einer um Hülfsvollstreckung von geistlichen Gerichten ersuch- ten weltlichen Obrigkeit unbenommen ist, den Ver- dammten selbst noch erst zu hören, Luther auf Carls erstem Reichstage zu Worms noch einmal zum
Ver-
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
rige Gedanken vom Ungrunde der ganzen paͤbſtlichen Hierarchie aͤußerte. Dann appellirte er von der wider ihn ergangenen paͤbſtlichen Bulle an ein all- gemeines Concilium, und ſchrieb jetzt mehrere Schriften gegen dieſe Bulle, worin er dem Pabſte allen Gehorſam feierlich aufkuͤndigte.
VI.
Zu Rom dachte man auf dem einmal ange- fangenen Wege mit dem der Ketzerey ohnehin ſchon ſchuldig erklaͤrten Auguſtinermoͤnche bald fertig zu werden. Ein paͤbſtlicher Botſchafter war dazu beſtimmt, dem Churfuͤrſten von Sachſen anzuſin- nen, der ergangenen Bulle zufolge Luthers Schrif- ten verbrennen zu laßen, und an Luthern entwe- der ſelbſt die ihm zuerkannte Strafe zur Vollzie- hung zu bringen, oder ihn doch zu des Pabſtes Dispoſition auszuliefern. Ein anderer Botſchaf- ter des Pabſtes betrieb eben dieſes Anliegen beym Kaiſer, in deſſen Niederlaͤndiſchen Erblaͤndern auch ſchon nach des Pabſtes Wuͤnſchen verfahren wurde.
VII.
Doch derer, die Luthers Schriften laſen, ſie ſelbſt mit Beyfall laſen, und ihn oder ſeine Schuͤ- ler, die ſich nach und nach von Wittenberg faſt in alle Gegenden ausbreiteten, in muͤndlichen Vor- traͤgen gerne hoͤreten, waren ſchon ſo viele, ſchon ſo viel tauſende, daß es beynahe unmoͤglich war, der Bulle ein Gnuͤge zu thun. Der Kaiſer und der Churfuͤrſt von Sachſen wurden endlich daruͤber eins, daß nach den Grundſaͤtzen, wie einer um Huͤlfsvollſtreckung von geiſtlichen Gerichten erſuch- ten weltlichen Obrigkeit unbenommen iſt, den Ver- dammten ſelbſt noch erſt zu hoͤren, Luther auf Carls erſtem Reichstage zu Worms noch einmal zum
Ver-
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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
rige Gedanken vom Ungrunde der ganzen paͤbſtlichen
Hierarchie aͤußerte. Dann appellirte er von der
wider ihn ergangenen paͤbſtlichen Bulle an ein all-
gemeines Concilium, und ſchrieb jetzt mehrere
Schriften gegen dieſe Bulle, worin er dem Pabſte
allen Gehorſam feierlich aufkuͤndigte.
Zu Rom dachte man auf dem einmal ange-
fangenen Wege mit dem der Ketzerey ohnehin ſchon
ſchuldig erklaͤrten Auguſtinermoͤnche bald fertig zu
werden. Ein paͤbſtlicher Botſchafter war dazu
beſtimmt, dem Churfuͤrſten von Sachſen anzuſin-
nen, der ergangenen Bulle zufolge Luthers Schrif-
ten verbrennen zu laßen, und an Luthern entwe-
der ſelbſt die ihm zuerkannte Strafe zur Vollzie-
hung zu bringen, oder ihn doch zu des Pabſtes
Dispoſition auszuliefern. Ein anderer Botſchaf-
ter des Pabſtes betrieb eben dieſes Anliegen beym
Kaiſer, in deſſen Niederlaͤndiſchen Erblaͤndern auch
ſchon nach des Pabſtes Wuͤnſchen verfahren wurde.
Doch derer, die Luthers Schriften laſen, ſie
ſelbſt mit Beyfall laſen, und ihn oder ſeine Schuͤ-
ler, die ſich nach und nach von Wittenberg faſt
in alle Gegenden ausbreiteten, in muͤndlichen Vor-
traͤgen gerne hoͤreten, waren ſchon ſo viele, ſchon
ſo viel tauſende, daß es beynahe unmoͤglich war,
der Bulle ein Gnuͤge zu thun. Der Kaiſer und
der Churfuͤrſt von Sachſen wurden endlich daruͤber
eins, daß nach den Grundſaͤtzen, wie einer um
Huͤlfsvollſtreckung von geiſtlichen Gerichten erſuch-
ten weltlichen Obrigkeit unbenommen iſt, den Ver-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/392>, abgerufen am 22.11.2024.
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