Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

3) Goldene Bulle 1356.
befehdeten, ohne sich dadurch abschrecken zu laßen,
daß nach den Lehnrechten der Verlust des Lehns
darauf stehet, wenn ein Vasall gegen seinen Lehn-
herrn Gewalt braucht. Um diesem Vorwurfe aus-
zuweichen, schickte ein solcher Lehnmann seinem
Herrn erst einen Boten, durch den er ihm sein
Lehn aufkündigen ließ, mit der Nachricht, daß er
das Lehngut mit den Seinigen verlaße, und dem
Lehnherrn heimstelle, es in Besitz zu nehmen. Er
zog alsdann auch würklich mit seiner ganzen Hab-
seligkeit von seinem Gute weg; schickte aber dann
gleich einen zweyten Boten mit Fehdebriefen an
den Lehnherrn. Und nun machte er damit den
Anfang seiner Feindseligkeit, daß er sein kaum ver-
laßenes Schloß, ehe der Lehnherr von der Auf-
kündigung des Lehns Gebrauch machen konnte,
wieder einnahm. So verwandelte er sich aus
einem Lehnmann in einen Feind, ohne sein Lehn
dabey aufs Spiel zu setzen. Wider diesen und
andere ähnliche Mißbräuche eiferte nun zwar die
goldene Bulle mit Androhung der Ehrlosigkeit und
Achtserklärung. Allein der Erfolg lehrte, daß
noch immer Uebel ärger wurde, bis man sich erst
nach beynahe anderthalb hundert Jahren angelegen
seyn ließ, mit gänzlicher Aufhebung aller Befeh-
dungen die Quelle des Uebels ganz zu verstopfen.

Unglaublich ist es fast, was selbst zu CarlsXXVII.
des IV. Zeiten noch für Dinge im Schwange gien-
gen. So ist z. B. nur aus einer einzigen
Urkunde vom Jahre 1362. zu ersehen, wie die
Grafen von Schwarzburg mit Beystand des Chur-
fürsten von Mainz gegen die Marggrafen von
Meissen und gegen die Stadt Erfurt Krieg gefüh-

ret,
R

3) Goldene Bulle 1356.
befehdeten, ohne ſich dadurch abſchrecken zu laßen,
daß nach den Lehnrechten der Verluſt des Lehns
darauf ſtehet, wenn ein Vaſall gegen ſeinen Lehn-
herrn Gewalt braucht. Um dieſem Vorwurfe aus-
zuweichen, ſchickte ein ſolcher Lehnmann ſeinem
Herrn erſt einen Boten, durch den er ihm ſein
Lehn aufkuͤndigen ließ, mit der Nachricht, daß er
das Lehngut mit den Seinigen verlaße, und dem
Lehnherrn heimſtelle, es in Beſitz zu nehmen. Er
zog alsdann auch wuͤrklich mit ſeiner ganzen Hab-
ſeligkeit von ſeinem Gute weg; ſchickte aber dann
gleich einen zweyten Boten mit Fehdebriefen an
den Lehnherrn. Und nun machte er damit den
Anfang ſeiner Feindſeligkeit, daß er ſein kaum ver-
laßenes Schloß, ehe der Lehnherr von der Auf-
kuͤndigung des Lehns Gebrauch machen konnte,
wieder einnahm. So verwandelte er ſich aus
einem Lehnmann in einen Feind, ohne ſein Lehn
dabey aufs Spiel zu ſetzen. Wider dieſen und
andere aͤhnliche Mißbraͤuche eiferte nun zwar die
goldene Bulle mit Androhung der Ehrloſigkeit und
Achtserklaͤrung. Allein der Erfolg lehrte, daß
noch immer Uebel aͤrger wurde, bis man ſich erſt
nach beynahe anderthalb hundert Jahren angelegen
ſeyn ließ, mit gaͤnzlicher Aufhebung aller Befeh-
dungen die Quelle des Uebels ganz zu verſtopfen.

Unglaublich iſt es faſt, was ſelbſt zu CarlsXXVII.
des IV. Zeiten noch fuͤr Dinge im Schwange gien-
gen. So iſt z. B. nur aus einer einzigen
Urkunde vom Jahre 1362. zu erſehen, wie die
Grafen von Schwarzburg mit Beyſtand des Chur-
fuͤrſten von Mainz gegen die Marggrafen von
Meiſſen und gegen die Stadt Erfurt Krieg gefuͤh-

ret,
R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="257"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">3) Goldene Bulle 1356.</hi></fw><lb/>
befehdeten, ohne &#x017F;ich dadurch ab&#x017F;chrecken zu laßen,<lb/>
daß nach den Lehnrechten der Verlu&#x017F;t des Lehns<lb/>
darauf &#x017F;tehet, wenn ein Va&#x017F;all gegen &#x017F;einen Lehn-<lb/>
herrn Gewalt braucht. Um die&#x017F;em Vorwurfe aus-<lb/>
zuweichen, &#x017F;chickte ein &#x017F;olcher Lehnmann &#x017F;einem<lb/>
Herrn er&#x017F;t einen Boten, durch den er ihm &#x017F;ein<lb/>
Lehn aufku&#x0364;ndigen ließ, mit der Nachricht, daß er<lb/>
das Lehngut mit den Seinigen verlaße, und dem<lb/>
Lehnherrn heim&#x017F;telle, es in Be&#x017F;itz zu nehmen. Er<lb/>
zog alsdann auch wu&#x0364;rklich mit &#x017F;einer ganzen Hab-<lb/>
&#x017F;eligkeit von &#x017F;einem Gute weg; &#x017F;chickte aber dann<lb/>
gleich einen zweyten Boten mit Fehdebriefen an<lb/>
den Lehnherrn. Und nun machte er damit den<lb/>
Anfang &#x017F;einer Feind&#x017F;eligkeit, daß er &#x017F;ein kaum ver-<lb/>
laßenes Schloß, ehe der Lehnherr von der Auf-<lb/>
ku&#x0364;ndigung des Lehns Gebrauch machen konnte,<lb/>
wieder einnahm. So verwandelte er &#x017F;ich aus<lb/>
einem Lehnmann in einen Feind, ohne &#x017F;ein Lehn<lb/>
dabey aufs Spiel zu &#x017F;etzen. Wider die&#x017F;en und<lb/>
andere a&#x0364;hnliche Mißbra&#x0364;uche eiferte nun zwar die<lb/>
goldene Bulle mit Androhung der Ehrlo&#x017F;igkeit und<lb/>
Achtserkla&#x0364;rung. Allein der Erfolg lehrte, daß<lb/>
noch immer Uebel a&#x0364;rger wurde, bis man &#x017F;ich er&#x017F;t<lb/>
nach beynahe anderthalb hundert Jahren angelegen<lb/>
&#x017F;eyn ließ, mit ga&#x0364;nzlicher Aufhebung aller Befeh-<lb/>
dungen die Quelle des Uebels ganz zu ver&#x017F;topfen.</p><lb/>
          <p>Unglaublich i&#x017F;t es fa&#x017F;t, was &#x017F;elb&#x017F;t zu Carls<note place="right"><hi rendition="#aq">XXVII.</hi></note><lb/>
des <hi rendition="#aq">IV.</hi> Zeiten noch fu&#x0364;r Dinge im Schwange gien-<lb/>
gen. So i&#x017F;t z. B. nur aus einer einzigen<lb/>
Urkunde vom Jahre 1362. zu er&#x017F;ehen, wie die<lb/>
Grafen von Schwarzburg mit Bey&#x017F;tand des Chur-<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;ten von Mainz gegen die Marggrafen von<lb/>
Mei&#x017F;&#x017F;en und gegen die Stadt Erfurt Krieg gefu&#x0364;h-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><fw place="bottom" type="catch">ret,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0291] 3) Goldene Bulle 1356. befehdeten, ohne ſich dadurch abſchrecken zu laßen, daß nach den Lehnrechten der Verluſt des Lehns darauf ſtehet, wenn ein Vaſall gegen ſeinen Lehn- herrn Gewalt braucht. Um dieſem Vorwurfe aus- zuweichen, ſchickte ein ſolcher Lehnmann ſeinem Herrn erſt einen Boten, durch den er ihm ſein Lehn aufkuͤndigen ließ, mit der Nachricht, daß er das Lehngut mit den Seinigen verlaße, und dem Lehnherrn heimſtelle, es in Beſitz zu nehmen. Er zog alsdann auch wuͤrklich mit ſeiner ganzen Hab- ſeligkeit von ſeinem Gute weg; ſchickte aber dann gleich einen zweyten Boten mit Fehdebriefen an den Lehnherrn. Und nun machte er damit den Anfang ſeiner Feindſeligkeit, daß er ſein kaum ver- laßenes Schloß, ehe der Lehnherr von der Auf- kuͤndigung des Lehns Gebrauch machen konnte, wieder einnahm. So verwandelte er ſich aus einem Lehnmann in einen Feind, ohne ſein Lehn dabey aufs Spiel zu ſetzen. Wider dieſen und andere aͤhnliche Mißbraͤuche eiferte nun zwar die goldene Bulle mit Androhung der Ehrloſigkeit und Achtserklaͤrung. Allein der Erfolg lehrte, daß noch immer Uebel aͤrger wurde, bis man ſich erſt nach beynahe anderthalb hundert Jahren angelegen ſeyn ließ, mit gaͤnzlicher Aufhebung aller Befeh- dungen die Quelle des Uebels ganz zu verſtopfen. Unglaublich iſt es faſt, was ſelbſt zu Carls des IV. Zeiten noch fuͤr Dinge im Schwange gien- gen. So iſt z. B. nur aus einer einzigen Urkunde vom Jahre 1362. zu erſehen, wie die Grafen von Schwarzburg mit Beyſtand des Chur- fuͤrſten von Mainz gegen die Marggrafen von Meiſſen und gegen die Stadt Erfurt Krieg gefuͤh- ret, XXVII. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/291
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/291>, abgerufen am 22.11.2024.