Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
3) Goldene Bulle 1356.

Die Hauptabsicht, die Carl der IV. bey Er-II.
richtung dieses Grundgesetzes hatte, gieng unstrei-
tig dahin, daß er die Anstände, die sich bisher
in Ansehung der Churstimmen geäußert hatten, wie
er sie bey seiner eignen Wahl noch erfahren hatte,
zu heben suchte, um für die Zukunft die Kaiser-
wahl, und alles, was damit in Verbindung stand,
auf festern Fuß zu setzen. Alle bisherige Strei-
tigkeiten mußten deswegen entschieden werden; und
fürs künftige galt es darum, gewisse bestimmte
Grundsätze für beständig festzusetzen. In beiden
Rücksichten wurde für bekannt angenommen, daß
nicht mehr und nicht weniger als sieben Chur-
fürsten
seyn könnten; daher in der goldenen
Bulle die Anspielung auf die heilige Siebenzahl
der sieben Säulen und sieben Leuchter nicht ver-
gessen wurde. Auch nahm man für bekannt an,
daß unter diesen sieben Churfürsten drey geistliche
und vier weltliche zu verstehen wären.

Wegen der geistlichen Churfürsten war garIII.
kein Zweifel, daß nur die Erzbischöfe von Mainz,
Trier und Cölln auf diese Ehre Anspruch machen
könnten; denen insgesammt zugleich der Vorsitz
vor den weltlichen Churfürsten zugestanden wurde.
Unter den weltlichen behielt der König in Böh-
men
(so damals Carl der IV. selbst war,) vor
allen übrigen den ersten Platz. Außer dem, was
in der goldenen Bulle davon vorkam, mußte Chur-
mainz sowohl über die Böhmische Churstimme, als
über das damit verknüpfte Erzschenkenamt, jedoch
so, daß der jedesmalige König von würklicher Aus-
übung des Dienstes befreyet sey, noch eine besondere
Urkunde ausstellen (g).


Die
(g) Gvdenvs cod. diplom. tom. 3. p. 411.
3) Goldene Bulle 1356.

Die Hauptabſicht, die Carl der IV. bey Er-II.
richtung dieſes Grundgeſetzes hatte, gieng unſtrei-
tig dahin, daß er die Anſtaͤnde, die ſich bisher
in Anſehung der Churſtimmen geaͤußert hatten, wie
er ſie bey ſeiner eignen Wahl noch erfahren hatte,
zu heben ſuchte, um fuͤr die Zukunft die Kaiſer-
wahl, und alles, was damit in Verbindung ſtand,
auf feſtern Fuß zu ſetzen. Alle bisherige Strei-
tigkeiten mußten deswegen entſchieden werden; und
fuͤrs kuͤnftige galt es darum, gewiſſe beſtimmte
Grundſaͤtze fuͤr beſtaͤndig feſtzuſetzen. In beiden
Ruͤckſichten wurde fuͤr bekannt angenommen, daß
nicht mehr und nicht weniger als ſieben Chur-
fuͤrſten
ſeyn koͤnnten; daher in der goldenen
Bulle die Anſpielung auf die heilige Siebenzahl
der ſieben Saͤulen und ſieben Leuchter nicht ver-
geſſen wurde. Auch nahm man fuͤr bekannt an,
daß unter dieſen ſieben Churfuͤrſten drey geiſtliche
und vier weltliche zu verſtehen waͤren.

Wegen der geiſtlichen Churfuͤrſten war garIII.
kein Zweifel, daß nur die Erzbiſchoͤfe von Mainz,
Trier und Coͤlln auf dieſe Ehre Anſpruch machen
koͤnnten; denen insgeſammt zugleich der Vorſitz
vor den weltlichen Churfuͤrſten zugeſtanden wurde.
Unter den weltlichen behielt der Koͤnig in Boͤh-
men
(ſo damals Carl der IV. ſelbſt war,) vor
allen uͤbrigen den erſten Platz. Außer dem, was
in der goldenen Bulle davon vorkam, mußte Chur-
mainz ſowohl uͤber die Boͤhmiſche Churſtimme, als
uͤber das damit verknuͤpfte Erzſchenkenamt, jedoch
ſo, daß der jedesmalige Koͤnig von wuͤrklicher Aus-
uͤbung des Dienſtes befreyet ſey, noch eine beſondere
Urkunde ausſtellen (g).


Die
(g) Gvdenvs cod. diplom. tom. 3. p. 411.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0273" n="239"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">3) Goldene Bulle 1356.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die Hauptab&#x017F;icht, die Carl der <hi rendition="#aq">IV.</hi> bey Er-<note place="right"><hi rendition="#aq">II.</hi></note><lb/>
richtung die&#x017F;es Grundge&#x017F;etzes hatte, gieng un&#x017F;trei-<lb/>
tig dahin, daß er die An&#x017F;ta&#x0364;nde, die &#x017F;ich bisher<lb/>
in An&#x017F;ehung der Chur&#x017F;timmen gea&#x0364;ußert hatten, wie<lb/>
er &#x017F;ie bey &#x017F;einer eignen Wahl noch erfahren hatte,<lb/>
zu heben &#x017F;uchte, um fu&#x0364;r die Zukunft die Kai&#x017F;er-<lb/>
wahl, und alles, was damit in Verbindung &#x017F;tand,<lb/>
auf fe&#x017F;tern Fuß zu &#x017F;etzen. Alle bisherige Strei-<lb/>
tigkeiten mußten deswegen ent&#x017F;chieden werden; und<lb/>
fu&#x0364;rs ku&#x0364;nftige galt es darum, gewi&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;timmte<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze fu&#x0364;r be&#x017F;ta&#x0364;ndig fe&#x017F;tzu&#x017F;etzen. In beiden<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten wurde fu&#x0364;r bekannt angenommen, daß<lb/>
nicht mehr und nicht weniger als <hi rendition="#fr">&#x017F;ieben Chur-<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;ten</hi> &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten; daher in der goldenen<lb/>
Bulle die An&#x017F;pielung auf die heilige Siebenzahl<lb/>
der &#x017F;ieben Sa&#x0364;ulen und &#x017F;ieben Leuchter nicht ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en wurde. Auch nahm man fu&#x0364;r bekannt an,<lb/>
daß unter die&#x017F;en &#x017F;ieben Churfu&#x0364;r&#x017F;ten drey gei&#x017F;tliche<lb/>
und vier weltliche zu ver&#x017F;tehen wa&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Wegen der <hi rendition="#fr">gei&#x017F;tlichen Churfu&#x0364;r&#x017F;ten</hi> war gar<note place="right"><hi rendition="#aq">III.</hi></note><lb/>
kein Zweifel, daß nur die Erzbi&#x017F;cho&#x0364;fe von Mainz,<lb/>
Trier und Co&#x0364;lln auf die&#x017F;e Ehre An&#x017F;pruch machen<lb/>
ko&#x0364;nnten; denen insge&#x017F;ammt zugleich der Vor&#x017F;itz<lb/>
vor den weltlichen Churfu&#x0364;r&#x017F;ten zuge&#x017F;tanden wurde.<lb/>
Unter den <hi rendition="#fr">weltlichen</hi> behielt der Ko&#x0364;nig in <hi rendition="#fr">Bo&#x0364;h-<lb/>
men</hi> (&#x017F;o damals Carl der <hi rendition="#aq">IV.</hi> &#x017F;elb&#x017F;t war,) vor<lb/>
allen u&#x0364;brigen den er&#x017F;ten Platz. Außer dem, was<lb/>
in der goldenen Bulle davon vorkam, mußte Chur-<lb/>
mainz &#x017F;owohl u&#x0364;ber die Bo&#x0364;hmi&#x017F;che Chur&#x017F;timme, als<lb/>
u&#x0364;ber das damit verknu&#x0364;pfte Erz&#x017F;chenkenamt, jedoch<lb/>
&#x017F;o, daß der jedesmalige Ko&#x0364;nig von wu&#x0364;rklicher Aus-<lb/>
u&#x0364;bung des Dien&#x017F;tes befreyet &#x017F;ey, noch eine be&#x017F;ondere<lb/>
Urkunde aus&#x017F;tellen <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Gvdenvs</hi></hi><hi rendition="#i">cod. diplom.</hi> tom. 3. p.</hi> 411.</note>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0273] 3) Goldene Bulle 1356. Die Hauptabſicht, die Carl der IV. bey Er- richtung dieſes Grundgeſetzes hatte, gieng unſtrei- tig dahin, daß er die Anſtaͤnde, die ſich bisher in Anſehung der Churſtimmen geaͤußert hatten, wie er ſie bey ſeiner eignen Wahl noch erfahren hatte, zu heben ſuchte, um fuͤr die Zukunft die Kaiſer- wahl, und alles, was damit in Verbindung ſtand, auf feſtern Fuß zu ſetzen. Alle bisherige Strei- tigkeiten mußten deswegen entſchieden werden; und fuͤrs kuͤnftige galt es darum, gewiſſe beſtimmte Grundſaͤtze fuͤr beſtaͤndig feſtzuſetzen. In beiden Ruͤckſichten wurde fuͤr bekannt angenommen, daß nicht mehr und nicht weniger als ſieben Chur- fuͤrſten ſeyn koͤnnten; daher in der goldenen Bulle die Anſpielung auf die heilige Siebenzahl der ſieben Saͤulen und ſieben Leuchter nicht ver- geſſen wurde. Auch nahm man fuͤr bekannt an, daß unter dieſen ſieben Churfuͤrſten drey geiſtliche und vier weltliche zu verſtehen waͤren. II. Wegen der geiſtlichen Churfuͤrſten war gar kein Zweifel, daß nur die Erzbiſchoͤfe von Mainz, Trier und Coͤlln auf dieſe Ehre Anſpruch machen koͤnnten; denen insgeſammt zugleich der Vorſitz vor den weltlichen Churfuͤrſten zugeſtanden wurde. Unter den weltlichen behielt der Koͤnig in Boͤh- men (ſo damals Carl der IV. ſelbſt war,) vor allen uͤbrigen den erſten Platz. Außer dem, was in der goldenen Bulle davon vorkam, mußte Chur- mainz ſowohl uͤber die Boͤhmiſche Churſtimme, als uͤber das damit verknuͤpfte Erzſchenkenamt, jedoch ſo, daß der jedesmalige Koͤnig von wuͤrklicher Aus- uͤbung des Dienſtes befreyet ſey, noch eine beſondere Urkunde ausſtellen (g). III. Die (g) Gvdenvs cod. diplom. tom. 3. p. 411.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/273
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/273>, abgerufen am 17.05.2024.