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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Sachsen als Erzmarschall und Brandenburg als
Erzkämmerer, wie diese Häuser seitdem bis auf
unsere Tage bey diesen Erzämtern und den damit
verbundenen Vorrechten geblieben sind. In einer
Urkunde, die das Haus Oesterreich im Jahre
1156. von Friedrich dem I. erhalten hat, kömmt
schon ausdrücklich der Name Churfürst (electo-
res
) vor, indem gedachtem Hause der nächste Platz
unmittelbar nach den Churfürsten zugestanden wird.
Auch wird seitdem schon für bekannt angenommen,
daß die Stadt Frankfurt am Main die eigentliche
Wahlstadt sey; so wie es schon gewöhnlich war,
daß der neu gewehlte Kaiser die Teutsche Krönung
zu Aachen empfieng, und hernach den Römerzug
antrat, um sowohl die Longobardische Krone zu
Mailand, als die Kaiserkrone zu Rom zu empfan-
gen, welche letztere erst das Recht zu Annehmung
des kaiserlichen Titels mit sich brachte.


IV.

Die Verbindung des Teutschen Reichs mit dem
Longobardischen und Römischen war jetzt außer
allem Streite, aber auch von ganz sonderbaren
Folgen. Zu Rom sprach man nun schon ganz
laut, daß die Teutsche Nation die auf sie gesche-
hene Uebertragung des Römischen Reichs nur dem
päbstlichen Stuhle zu danken habe. Es fehlte
nicht viel, daß man nicht ein päbstliches Lehn
daraus machte, da man die Krönung gleichsam
als eine Belehnung ansah, und den Kaiser vor-
her einen Eid schwören ließ, der einem Vasallen-
eide nicht sehr unähnlich war.


V.

Auf der andern Seite ward der Gedanke von
der mit der Kaiserwürde verbundenen Beherrschung

der

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Sachſen als Erzmarſchall und Brandenburg als
Erzkaͤmmerer, wie dieſe Haͤuſer ſeitdem bis auf
unſere Tage bey dieſen Erzaͤmtern und den damit
verbundenen Vorrechten geblieben ſind. In einer
Urkunde, die das Haus Oeſterreich im Jahre
1156. von Friedrich dem I. erhalten hat, koͤmmt
ſchon ausdruͤcklich der Name Churfuͤrſt (electo-
res
) vor, indem gedachtem Hauſe der naͤchſte Platz
unmittelbar nach den Churfuͤrſten zugeſtanden wird.
Auch wird ſeitdem ſchon fuͤr bekannt angenommen,
daß die Stadt Frankfurt am Main die eigentliche
Wahlſtadt ſey; ſo wie es ſchon gewoͤhnlich war,
daß der neu gewehlte Kaiſer die Teutſche Kroͤnung
zu Aachen empfieng, und hernach den Roͤmerzug
antrat, um ſowohl die Longobardiſche Krone zu
Mailand, als die Kaiſerkrone zu Rom zu empfan-
gen, welche letztere erſt das Recht zu Annehmung
des kaiſerlichen Titels mit ſich brachte.


IV.

Die Verbindung des Teutſchen Reichs mit dem
Longobardiſchen und Roͤmiſchen war jetzt außer
allem Streite, aber auch von ganz ſonderbaren
Folgen. Zu Rom ſprach man nun ſchon ganz
laut, daß die Teutſche Nation die auf ſie geſche-
hene Uebertragung des Roͤmiſchen Reichs nur dem
paͤbſtlichen Stuhle zu danken habe. Es fehlte
nicht viel, daß man nicht ein paͤbſtliches Lehn
daraus machte, da man die Kroͤnung gleichſam
als eine Belehnung anſah, und den Kaiſer vor-
her einen Eid ſchwoͤren ließ, der einem Vaſallen-
eide nicht ſehr unaͤhnlich war.


V.

Auf der andern Seite ward der Gedanke von
der mit der Kaiſerwuͤrde verbundenen Beherrſchung

der
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[180/0214] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. Sachſen als Erzmarſchall und Brandenburg als Erzkaͤmmerer, wie dieſe Haͤuſer ſeitdem bis auf unſere Tage bey dieſen Erzaͤmtern und den damit verbundenen Vorrechten geblieben ſind. In einer Urkunde, die das Haus Oeſterreich im Jahre 1156. von Friedrich dem I. erhalten hat, koͤmmt ſchon ausdruͤcklich der Name Churfuͤrſt (electo- res) vor, indem gedachtem Hauſe der naͤchſte Platz unmittelbar nach den Churfuͤrſten zugeſtanden wird. Auch wird ſeitdem ſchon fuͤr bekannt angenommen, daß die Stadt Frankfurt am Main die eigentliche Wahlſtadt ſey; ſo wie es ſchon gewoͤhnlich war, daß der neu gewehlte Kaiſer die Teutſche Kroͤnung zu Aachen empfieng, und hernach den Roͤmerzug antrat, um ſowohl die Longobardiſche Krone zu Mailand, als die Kaiſerkrone zu Rom zu empfan- gen, welche letztere erſt das Recht zu Annehmung des kaiſerlichen Titels mit ſich brachte. Die Verbindung des Teutſchen Reichs mit dem Longobardiſchen und Roͤmiſchen war jetzt außer allem Streite, aber auch von ganz ſonderbaren Folgen. Zu Rom ſprach man nun ſchon ganz laut, daß die Teutſche Nation die auf ſie geſche- hene Uebertragung des Roͤmiſchen Reichs nur dem paͤbſtlichen Stuhle zu danken habe. Es fehlte nicht viel, daß man nicht ein paͤbſtliches Lehn daraus machte, da man die Kroͤnung gleichſam als eine Belehnung anſah, und den Kaiſer vor- her einen Eid ſchwoͤren ließ, der einem Vaſallen- eide nicht ſehr unaͤhnlich war. Auf der andern Seite ward der Gedanke von der mit der Kaiſerwuͤrde verbundenen Beherrſchung der

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/214>, abgerufen am 25.11.2024.