Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
mentlich eintrat, auch bey vorkommenden Gelegen-
heiten die Kaiser sich rühmten, daß Spanien, Frank-
reich und England ihre Unterwürfigkeit unter ihnen
nicht verkännten (u). In der That erwuchs dar-
aus ein ganz besonderes Völkerrecht des mittlern Zeit-
alters, das alle Christliche Reiche und Länder gegen
den Römischen Kaiser in ein ähnliches Verhältniß
setzte, wie alle einzelne Christliche Kirchen gegen
die Römische Kirche; so daß auf eben die Art, wie
Bischöfe und Erzbischöfe vom Pabste abhiengen,
so Fürsten und Könige in gewisser Abhängigkeit
unter dem Kaiser stehen sollten. In einigen Fäl-
len war das nicht ohne Wirkung, wie sich in der
Folge zum Theil mehrere Jahrhunderte hindurch
bey den so genannten Kreuzzügen und nachherigen
Türkenkriegen, ingleichen bey allgemeinen Kirchen-
versammlungen, bey Standeserhöhungen, beym
Gebrauche der kaiserlichen Notarien u. s. w. gezei-
get hat. Sehr oft entstanden aber auch An-
maßungen daraus, wodurch sich unsere Kaiser auf
manche schwindelnde Höhe führen ließen, ohne doch
der Sache den gehörigen Nachdruck geben zu können.


XI.

Unter andern erneuerte Otto durch einen beson-
dern Vertrag mit der Geistlichkeit und dem Volke
zu Rom auch den ehemaligen Carolinger Grund-
satz: daß ohne kaiserliche Genehmigung kein Pabst
gewehlt und eingeweihet werden sollte. Hingegen
ließ er sich auch schon in ein eidliches Versprechen
ein: die Römische Kirche und ihren Regierer nach

sei-
(u) So schrieb wenigstens der Kaiser Conrad
der III. an den Griechischen Kaiser. Otto Fri-
sing
. de Fried. I. lib. 1. cap.
23. in Mvratori
scriptor. Ital. tom. 6. p.
657.

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
mentlich eintrat, auch bey vorkommenden Gelegen-
heiten die Kaiſer ſich ruͤhmten, daß Spanien, Frank-
reich und England ihre Unterwuͤrfigkeit unter ihnen
nicht verkaͤnnten (u). In der That erwuchs dar-
aus ein ganz beſonderes Voͤlkerrecht des mittlern Zeit-
alters, das alle Chriſtliche Reiche und Laͤnder gegen
den Roͤmiſchen Kaiſer in ein aͤhnliches Verhaͤltniß
ſetzte, wie alle einzelne Chriſtliche Kirchen gegen
die Roͤmiſche Kirche; ſo daß auf eben die Art, wie
Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe vom Pabſte abhiengen,
ſo Fuͤrſten und Koͤnige in gewiſſer Abhaͤngigkeit
unter dem Kaiſer ſtehen ſollten. In einigen Faͤl-
len war das nicht ohne Wirkung, wie ſich in der
Folge zum Theil mehrere Jahrhunderte hindurch
bey den ſo genannten Kreuzzuͤgen und nachherigen
Tuͤrkenkriegen, ingleichen bey allgemeinen Kirchen-
verſammlungen, bey Standeserhoͤhungen, beym
Gebrauche der kaiſerlichen Notarien u. ſ. w. gezei-
get hat. Sehr oft entſtanden aber auch An-
maßungen daraus, wodurch ſich unſere Kaiſer auf
manche ſchwindelnde Hoͤhe fuͤhren ließen, ohne doch
der Sache den gehoͤrigen Nachdruck geben zu koͤnnen.


XI.

Unter andern erneuerte Otto durch einen beſon-
dern Vertrag mit der Geiſtlichkeit und dem Volke
zu Rom auch den ehemaligen Carolinger Grund-
ſatz: daß ohne kaiſerliche Genehmigung kein Pabſt
gewehlt und eingeweihet werden ſollte. Hingegen
ließ er ſich auch ſchon in ein eidliches Verſprechen
ein: die Roͤmiſche Kirche und ihren Regierer nach

ſei-
(u) So ſchrieb wenigſtens der Kaiſer Conrad
der III. an den Griechiſchen Kaiſer. Otto Fri-
sing
. de Fried. I. lib. 1. cap.
23. in Mvratori
ſcriptor. Ital. tom. 6. p.
657.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="118"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Mittlere Zeiten <hi rendition="#aq">a</hi>) 888-1235.</hi></fw><lb/>
mentlich eintrat, auch bey vorkommenden Gelegen-<lb/>
heiten die Kai&#x017F;er &#x017F;ich ru&#x0364;hmten, daß Spanien, Frank-<lb/>
reich und England ihre Unterwu&#x0364;rfigkeit unter ihnen<lb/>
nicht verka&#x0364;nnten <note place="foot" n="(u)">So &#x017F;chrieb wenig&#x017F;tens der Kai&#x017F;er Conrad<lb/>
der <hi rendition="#aq">III.</hi> an den Griechi&#x017F;chen Kai&#x017F;er. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Otto Fri-<lb/>
sing</hi></hi>. <hi rendition="#i">de Fried. I.</hi> lib. 1. cap.</hi> 23. in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Mvratori</hi></hi><lb/><hi rendition="#i">&#x017F;criptor. Ital</hi>. tom. 6. p.</hi> 657.</note>. In der That erwuchs dar-<lb/>
aus ein ganz be&#x017F;onderes Vo&#x0364;lkerrecht des mittlern Zeit-<lb/>
alters, das alle Chri&#x017F;tliche Reiche und La&#x0364;nder gegen<lb/>
den Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kai&#x017F;er in ein a&#x0364;hnliches Verha&#x0364;ltniß<lb/>
&#x017F;etzte, wie alle einzelne Chri&#x017F;tliche Kirchen gegen<lb/>
die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Kirche; &#x017F;o daß auf eben die Art, wie<lb/>
Bi&#x017F;cho&#x0364;fe und Erzbi&#x017F;cho&#x0364;fe vom Pab&#x017F;te abhiengen,<lb/>
&#x017F;o Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Ko&#x0364;nige in gewi&#x017F;&#x017F;er Abha&#x0364;ngigkeit<lb/>
unter dem Kai&#x017F;er &#x017F;tehen &#x017F;ollten. In einigen Fa&#x0364;l-<lb/>
len war das nicht ohne Wirkung, wie &#x017F;ich in der<lb/>
Folge zum Theil mehrere Jahrhunderte hindurch<lb/>
bey den &#x017F;o genannten Kreuzzu&#x0364;gen und nachherigen<lb/>
Tu&#x0364;rkenkriegen, ingleichen bey allgemeinen Kirchen-<lb/>
ver&#x017F;ammlungen, bey Standeserho&#x0364;hungen, beym<lb/>
Gebrauche der kai&#x017F;erlichen Notarien u. &#x017F;. w. gezei-<lb/>
get hat. Sehr oft ent&#x017F;tanden aber auch An-<lb/>
maßungen daraus, wodurch &#x017F;ich un&#x017F;ere Kai&#x017F;er auf<lb/>
manche &#x017F;chwindelnde Ho&#x0364;he fu&#x0364;hren ließen, ohne doch<lb/>
der Sache den geho&#x0364;rigen Nachdruck geben zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XI.</hi> </note>
          <p>Unter andern erneuerte Otto durch einen be&#x017F;on-<lb/>
dern Vertrag mit der Gei&#x017F;tlichkeit und dem Volke<lb/>
zu Rom auch den ehemaligen Carolinger Grund-<lb/>
&#x017F;atz: daß ohne kai&#x017F;erliche Genehmigung kein Pab&#x017F;t<lb/>
gewehlt und eingeweihet werden &#x017F;ollte. Hingegen<lb/>
ließ er &#x017F;ich auch &#x017F;chon in ein eidliches Ver&#x017F;prechen<lb/>
ein: die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Kirche und ihren Regierer nach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0152] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. mentlich eintrat, auch bey vorkommenden Gelegen- heiten die Kaiſer ſich ruͤhmten, daß Spanien, Frank- reich und England ihre Unterwuͤrfigkeit unter ihnen nicht verkaͤnnten (u). In der That erwuchs dar- aus ein ganz beſonderes Voͤlkerrecht des mittlern Zeit- alters, das alle Chriſtliche Reiche und Laͤnder gegen den Roͤmiſchen Kaiſer in ein aͤhnliches Verhaͤltniß ſetzte, wie alle einzelne Chriſtliche Kirchen gegen die Roͤmiſche Kirche; ſo daß auf eben die Art, wie Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe vom Pabſte abhiengen, ſo Fuͤrſten und Koͤnige in gewiſſer Abhaͤngigkeit unter dem Kaiſer ſtehen ſollten. In einigen Faͤl- len war das nicht ohne Wirkung, wie ſich in der Folge zum Theil mehrere Jahrhunderte hindurch bey den ſo genannten Kreuzzuͤgen und nachherigen Tuͤrkenkriegen, ingleichen bey allgemeinen Kirchen- verſammlungen, bey Standeserhoͤhungen, beym Gebrauche der kaiſerlichen Notarien u. ſ. w. gezei- get hat. Sehr oft entſtanden aber auch An- maßungen daraus, wodurch ſich unſere Kaiſer auf manche ſchwindelnde Hoͤhe fuͤhren ließen, ohne doch der Sache den gehoͤrigen Nachdruck geben zu koͤnnen. Unter andern erneuerte Otto durch einen beſon- dern Vertrag mit der Geiſtlichkeit und dem Volke zu Rom auch den ehemaligen Carolinger Grund- ſatz: daß ohne kaiſerliche Genehmigung kein Pabſt gewehlt und eingeweihet werden ſollte. Hingegen ließ er ſich auch ſchon in ein eidliches Verſprechen ein: die Roͤmiſche Kirche und ihren Regierer nach ſei- (u) So ſchrieb wenigſtens der Kaiſer Conrad der III. an den Griechiſchen Kaiſer. Otto Fri- sing. de Fried. I. lib. 1. cap. 23. in Mvratori ſcriptor. Ital. tom. 6. p. 657.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/152
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/152>, abgerufen am 24.11.2024.