wollte auch von Carl dem Einfältigen nichts wissen, sondern wehlte sich zum Könige den Gra- fen Odo von Paris, dem sie schon die Rettung dieser Hauptstadt von den Normännern, die sie belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von dieser Zeit an bis auf den heutigen Tag Teutschland und Frankreich zwey getrennte von einander un- abhängige Reiche.
Ueber Italien und die Kaiserkrone stritten dieIV. zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin, und empfieng selbst 895. zu Rom die Kaiserkrone. Allein mit seiner Rückkehr ward auch alles wieder rückgängig, da ganz andere Partheyen die Ober- hand gewannen, und Italien überhaupt in solche Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin alle Verbindung der Teutschen jenseits der Alpen auf hörte.
In Teutschland selbst war übrigens mit dieserV. Revolution eigentlich keine Veränderung in der innern Staatsverfassung verbunden. Wenn Ar- nulf länger gelebt, und erwachsene Söhne und weitere Nachkommen hinterlaßen hätte, würde ohne Zweifel die Regierungsform und ganze Verfassung geblieben seyn, wie sie zur Zeit der Carolinger war. Selbst seinem unmündigen Sohne Lude-900 wig dem Kinde wurde deswegen lieber die vä- terliche Thronfolge zugestanden, als daß man von der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes abweichen wollte. Aber mit Ludewigs frühzeitigem unbeerbtem Tode (+ 911.) hörte dieser Stamm schon wieder auf. Und da auch der an dessen912
Stelle
G 3
1) Arnulf — Conr. I. 888-919.
wollte auch von Carl dem Einfaͤltigen nichts wiſſen, ſondern wehlte ſich zum Koͤnige den Gra- fen Odo von Paris, dem ſie ſchon die Rettung dieſer Hauptſtadt von den Normaͤnnern, die ſie belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von dieſer Zeit an bis auf den heutigen Tag Teutſchland und Frankreich zwey getrennte von einander un- abhaͤngige Reiche.
Ueber Italien und die Kaiſerkrone ſtritten dieIV. zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin, und empfieng ſelbſt 895. zu Rom die Kaiſerkrone. Allein mit ſeiner Ruͤckkehr ward auch alles wieder ruͤckgaͤngig, da ganz andere Partheyen die Ober- hand gewannen, und Italien uͤberhaupt in ſolche Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin alle Verbindung der Teutſchen jenſeits der Alpen auf hoͤrte.
In Teutſchland ſelbſt war uͤbrigens mit dieſerV. Revolution eigentlich keine Veraͤnderung in der innern Staatsverfaſſung verbunden. Wenn Ar- nulf laͤnger gelebt, und erwachſene Soͤhne und weitere Nachkommen hinterlaßen haͤtte, wuͤrde ohne Zweifel die Regierungsform und ganze Verfaſſung geblieben ſeyn, wie ſie zur Zeit der Carolinger war. Selbſt ſeinem unmuͤndigen Sohne Lude-900 wig dem Kinde wurde deswegen lieber die vaͤ- terliche Thronfolge zugeſtanden, als daß man von der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes abweichen wollte. Aber mit Ludewigs fruͤhzeitigem unbeerbtem Tode († 911.) hoͤrte dieſer Stamm ſchon wieder auf. Und da auch der an deſſen912
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1) Arnulf — Conr. I. 888-919.
wollte auch von Carl dem Einfaͤltigen nichts
wiſſen, ſondern wehlte ſich zum Koͤnige den Gra-
fen Odo von Paris, dem ſie ſchon die Rettung
dieſer Hauptſtadt von den Normaͤnnern, die ſie
belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von
dieſer Zeit an bis auf den heutigen Tag Teutſchland
und Frankreich zwey getrennte von einander un-
abhaͤngige Reiche.
Ueber Italien und die Kaiſerkrone ſtritten die
zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido
von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin,
und empfieng ſelbſt 895. zu Rom die Kaiſerkrone.
Allein mit ſeiner Ruͤckkehr ward auch alles wieder
ruͤckgaͤngig, da ganz andere Partheyen die Ober-
hand gewannen, und Italien uͤberhaupt in ſolche
Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin
alle Verbindung der Teutſchen jenſeits der Alpen
auf hoͤrte.
IV.
In Teutſchland ſelbſt war uͤbrigens mit dieſer
Revolution eigentlich keine Veraͤnderung in der
innern Staatsverfaſſung verbunden. Wenn Ar-
nulf laͤnger gelebt, und erwachſene Soͤhne und
weitere Nachkommen hinterlaßen haͤtte, wuͤrde ohne
Zweifel die Regierungsform und ganze Verfaſſung
geblieben ſeyn, wie ſie zur Zeit der Carolinger
war. Selbſt ſeinem unmuͤndigen Sohne Lude-
wig dem Kinde wurde deswegen lieber die vaͤ-
terliche Thronfolge zugeſtanden, als daß man von
der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes
abweichen wollte. Aber mit Ludewigs fruͤhzeitigem
unbeerbtem Tode († 911.) hoͤrte dieſer Stamm
ſchon wieder auf. Und da auch der an deſſen
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/135>, abgerufen am 23.07.2024.
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