Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

1) Arnulf -- Conr. I. 888-919.
wollte auch von Carl dem Einfältigen nichts
wissen, sondern wehlte sich zum Könige den Gra-
fen Odo von Paris, dem sie schon die Rettung
dieser Hauptstadt von den Normännern, die sie
belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von
dieser Zeit an bis auf den heutigen Tag Teutschland
und Frankreich zwey getrennte von einander un-
abhängige Reiche.

Ueber Italien und die Kaiserkrone stritten dieIV.
zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido
von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin,
und empfieng selbst 895. zu Rom die Kaiserkrone.
Allein mit seiner Rückkehr ward auch alles wieder
rückgängig, da ganz andere Partheyen die Ober-
hand gewannen, und Italien überhaupt in solche
Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin
alle Verbindung der Teutschen jenseits der Alpen
auf hörte.

In Teutschland selbst war übrigens mit dieserV.
Revolution eigentlich keine Veränderung in der
innern Staatsverfassung verbunden. Wenn Ar-
nulf länger gelebt, und erwachsene Söhne und
weitere Nachkommen hinterlaßen hätte, würde ohne
Zweifel die Regierungsform und ganze Verfassung
geblieben seyn, wie sie zur Zeit der Carolinger
war. Selbst seinem unmündigen Sohne Lude-900
wig dem Kinde wurde deswegen lieber die vä-
terliche Thronfolge zugestanden, als daß man von
der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes
abweichen wollte. Aber mit Ludewigs frühzeitigem
unbeerbtem Tode (+ 911.) hörte dieser Stamm
schon wieder auf. Und da auch der an dessen912

Stelle
G 3

1) Arnulf — Conr. I. 888-919.
wollte auch von Carl dem Einfaͤltigen nichts
wiſſen, ſondern wehlte ſich zum Koͤnige den Gra-
fen Odo von Paris, dem ſie ſchon die Rettung
dieſer Hauptſtadt von den Normaͤnnern, die ſie
belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von
dieſer Zeit an bis auf den heutigen Tag Teutſchland
und Frankreich zwey getrennte von einander un-
abhaͤngige Reiche.

Ueber Italien und die Kaiſerkrone ſtritten dieIV.
zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido
von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin,
und empfieng ſelbſt 895. zu Rom die Kaiſerkrone.
Allein mit ſeiner Ruͤckkehr ward auch alles wieder
ruͤckgaͤngig, da ganz andere Partheyen die Ober-
hand gewannen, und Italien uͤberhaupt in ſolche
Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin
alle Verbindung der Teutſchen jenſeits der Alpen
auf hoͤrte.

In Teutſchland ſelbſt war uͤbrigens mit dieſerV.
Revolution eigentlich keine Veraͤnderung in der
innern Staatsverfaſſung verbunden. Wenn Ar-
nulf laͤnger gelebt, und erwachſene Soͤhne und
weitere Nachkommen hinterlaßen haͤtte, wuͤrde ohne
Zweifel die Regierungsform und ganze Verfaſſung
geblieben ſeyn, wie ſie zur Zeit der Carolinger
war. Selbſt ſeinem unmuͤndigen Sohne Lude-900
wig dem Kinde wurde deswegen lieber die vaͤ-
terliche Thronfolge zugeſtanden, als daß man von
der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes
abweichen wollte. Aber mit Ludewigs fruͤhzeitigem
unbeerbtem Tode († 911.) hoͤrte dieſer Stamm
ſchon wieder auf. Und da auch der an deſſen912

Stelle
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">1) Arnulf &#x2014; Conr. <hi rendition="#aq">I.</hi> 888-919.</hi></fw><lb/>
wollte auch von Carl dem Einfa&#x0364;ltigen nichts<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern wehlte &#x017F;ich zum Ko&#x0364;nige den Gra-<lb/>
fen Odo von Paris, dem &#x017F;ie &#x017F;chon die Rettung<lb/>
die&#x017F;er Haupt&#x017F;tadt von den Norma&#x0364;nnern, die &#x017F;ie<lb/>
belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von<lb/>
die&#x017F;er Zeit an bis auf den heutigen Tag Teut&#x017F;chland<lb/>
und <hi rendition="#fr">Frankreich</hi> zwey getrennte von einander un-<lb/>
abha&#x0364;ngige Reiche.</p><lb/>
          <p>Ueber <hi rendition="#fr">Italien</hi> und die Kai&#x017F;erkrone &#x017F;tritten die<note place="right"><hi rendition="#aq">IV.</hi></note><lb/>
zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido<lb/>
von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin,<lb/>
und empfieng &#x017F;elb&#x017F;t 895. zu Rom die Kai&#x017F;erkrone.<lb/>
Allein mit &#x017F;einer Ru&#x0364;ckkehr ward auch alles wieder<lb/>
ru&#x0364;ckga&#x0364;ngig, da ganz andere Partheyen die Ober-<lb/>
hand gewannen, und Italien u&#x0364;berhaupt in &#x017F;olche<lb/>
Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin<lb/>
alle Verbindung der Teut&#x017F;chen jen&#x017F;eits der Alpen<lb/>
auf ho&#x0364;rte.</p><lb/>
          <p>In Teut&#x017F;chland &#x017F;elb&#x017F;t war u&#x0364;brigens mit die&#x017F;er<note place="right"><hi rendition="#aq">V.</hi></note><lb/>
Revolution eigentlich keine Vera&#x0364;nderung in der<lb/>
innern Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung verbunden. Wenn Ar-<lb/>
nulf la&#x0364;nger gelebt, und erwach&#x017F;ene So&#x0364;hne und<lb/>
weitere Nachkommen hinterlaßen ha&#x0364;tte, wu&#x0364;rde ohne<lb/>
Zweifel die Regierungsform und ganze Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
geblieben &#x017F;eyn, wie &#x017F;ie zur Zeit der Carolinger<lb/>
war. Selb&#x017F;t &#x017F;einem unmu&#x0364;ndigen Sohne <hi rendition="#fr">Lude-</hi><note place="right">900</note><lb/><hi rendition="#fr">wig dem Kinde</hi> wurde deswegen lieber die va&#x0364;-<lb/>
terliche Thronfolge zuge&#x017F;tanden, als daß man von<lb/>
der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes<lb/>
abweichen wollte. Aber mit Ludewigs fru&#x0364;hzeitigem<lb/>
unbeerbtem Tode (&#x2020; 911.) ho&#x0364;rte die&#x017F;er Stamm<lb/>
&#x017F;chon wieder auf. Und da auch der an de&#x017F;&#x017F;en<note place="right">912</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Stelle</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0135] 1) Arnulf — Conr. I. 888-919. wollte auch von Carl dem Einfaͤltigen nichts wiſſen, ſondern wehlte ſich zum Koͤnige den Gra- fen Odo von Paris, dem ſie ſchon die Rettung dieſer Hauptſtadt von den Normaͤnnern, die ſie belagert hatten, zu danken hatte. So blieben von dieſer Zeit an bis auf den heutigen Tag Teutſchland und Frankreich zwey getrennte von einander un- abhaͤngige Reiche. Ueber Italien und die Kaiſerkrone ſtritten die zwey Herzoge, Berengar von Friaul, und Wido von Spoleto. Arnulf zog zwar ebenfalls dahin, und empfieng ſelbſt 895. zu Rom die Kaiſerkrone. Allein mit ſeiner Ruͤckkehr ward auch alles wieder ruͤckgaͤngig, da ganz andere Partheyen die Ober- hand gewannen, und Italien uͤberhaupt in ſolche Verwirrung gerieth, daß auf mehrere Jahre hin alle Verbindung der Teutſchen jenſeits der Alpen auf hoͤrte. IV. In Teutſchland ſelbſt war uͤbrigens mit dieſer Revolution eigentlich keine Veraͤnderung in der innern Staatsverfaſſung verbunden. Wenn Ar- nulf laͤnger gelebt, und erwachſene Soͤhne und weitere Nachkommen hinterlaßen haͤtte, wuͤrde ohne Zweifel die Regierungsform und ganze Verfaſſung geblieben ſeyn, wie ſie zur Zeit der Carolinger war. Selbſt ſeinem unmuͤndigen Sohne Lude- wig dem Kinde wurde deswegen lieber die vaͤ- terliche Thronfolge zugeſtanden, als daß man von der bisherigen Erblichkeit des regierenden Stammes abweichen wollte. Aber mit Ludewigs fruͤhzeitigem unbeerbtem Tode († 911.) hoͤrte dieſer Stamm ſchon wieder auf. Und da auch der an deſſen Stelle V. 900 912 G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/135
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/135>, abgerufen am 03.05.2024.