Gleichen nicht ganz wohl thun. Recht behaglich (easy) finden Sie sich nur da, wo Sie auf eine Weise we- nigstens entweder durch ihre Stellung, oder in ir- gend einer andern Beziehung anerkannt präponderi- ren. Das Gegentheil, versteckte Satyre, scheinbare Kälte, besonders wo sie sich nicht bestimmt feindlich, nur ungewiß ausspricht, paralysiren ihre Fähigkeiten leicht, und Sie werden sich, wie gesagt, ganz unge- zwungen und heiter (cheerfull) nur da bewegen kön- nen, wo Ihre Eitelkeit durch nichts niedergedrückt (hurt) wird, die Menschen, mit denen Sie umgeben sind, Ihnen aber zugleich wohlwollen, wofür Ihre Gutmüthigkeit eines Ihrer starken Organe Sie sehr empfänglich macht."
"Diese letztere, mit einem scharfen Urtheil gepaart, macht Sie auch zu einem großen Verehrer der Wahr- heit und Gerechtigkeit. Das Gegentheil empört Sie, und Sie werden ohne alles persönliche Interesse im- mer die Parthei eines Unterdrückten lebhaft zu neh- men im Stande seyn. Auch Ihr eignes Unrecht ge- stehen Sie gerne ein, und verbessern es bereitwillig. Unangenehme Wahrheit, die Sie betrifft, kann Sie wohl verdrießen. Sie werden aber dem, der sie aus keiner feindlichen Absicht Ihnen sagt, doch eher ge- neigt seyn, und jedenfalls deshalb wahre Achtung für ihn fühlen. Aus demselben Grunde werden Sie Geburtsdistinktionen eigentlich nicht zu hoch anschla- gen, wenn Ihre Eitelkeit auch nicht ganz unempfind- lich dagegen ist."
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Gleichen nicht ganz wohl thun. Recht behaglich (easy) finden Sie ſich nur da, wo Sie auf eine Weiſe we- nigſtens entweder durch ihre Stellung, oder in ir- gend einer andern Beziehung anerkannt präponderi- ren. Das Gegentheil, verſteckte Satyre, ſcheinbare Kälte, beſonders wo ſie ſich nicht beſtimmt feindlich, nur ungewiß ausſpricht, paralyſiren ihre Fähigkeiten leicht, und Sie werden ſich, wie geſagt, ganz unge- zwungen und heiter (cheerfull) nur da bewegen kön- nen, wo Ihre Eitelkeit durch nichts niedergedrückt (hurt) wird, die Menſchen, mit denen Sie umgeben ſind, Ihnen aber zugleich wohlwollen, wofür Ihre Gutmüthigkeit eines Ihrer ſtarken Organe Sie ſehr empfänglich macht.“
„Dieſe letztere, mit einem ſcharfen Urtheil gepaart, macht Sie auch zu einem großen Verehrer der Wahr- heit und Gerechtigkeit. Das Gegentheil empört Sie, und Sie werden ohne alles perſönliche Intereſſe im- mer die Parthei eines Unterdrückten lebhaft zu neh- men im Stande ſeyn. Auch Ihr eignes Unrecht ge- ſtehen Sie gerne ein, und verbeſſern es bereitwillig. Unangenehme Wahrheit, die Sie betrifft, kann Sie wohl verdrießen. Sie werden aber dem, der ſie aus keiner feindlichen Abſicht Ihnen ſagt, doch eher ge- neigt ſeyn, und jedenfalls deshalb wahre Achtung für ihn fühlen. Aus demſelben Grunde werden Sie Geburtsdiſtinktionen eigentlich nicht zu hoch anſchla- gen, wenn Ihre Eitelkeit auch nicht ganz unempfind- lich dagegen iſt.“
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Gleichen nicht ganz wohl thun. Recht behaglich (easy)
finden Sie ſich nur da, wo Sie auf eine Weiſe we-
nigſtens entweder durch ihre Stellung, oder in ir-
gend einer andern Beziehung anerkannt präponderi-
ren. Das Gegentheil, verſteckte Satyre, ſcheinbare
Kälte, beſonders wo ſie ſich nicht beſtimmt feindlich,
nur ungewiß ausſpricht, paralyſiren ihre Fähigkeiten
leicht, und Sie werden ſich, wie geſagt, ganz unge-
zwungen und heiter (cheerfull) nur da bewegen kön-
nen, wo Ihre Eitelkeit durch nichts niedergedrückt
(hurt) wird, die Menſchen, mit denen Sie umgeben
ſind, Ihnen aber zugleich wohlwollen, wofür Ihre
Gutmüthigkeit eines Ihrer ſtarken Organe Sie ſehr
empfänglich macht.“
„Dieſe letztere, mit einem ſcharfen Urtheil gepaart,
macht Sie auch zu einem großen Verehrer der Wahr-
heit und Gerechtigkeit. Das Gegentheil empört Sie,
und Sie werden ohne alles perſönliche Intereſſe im-
mer die Parthei eines Unterdrückten lebhaft zu neh-
men im Stande ſeyn. Auch Ihr eignes Unrecht ge-
ſtehen Sie gerne ein, und verbeſſern es bereitwillig.
Unangenehme Wahrheit, die Sie betrifft, kann Sie
wohl verdrießen. Sie werden aber dem, der ſie aus
keiner feindlichen Abſicht Ihnen ſagt, doch eher ge-
neigt ſeyn, und jedenfalls deshalb wahre Achtung
für ihn fühlen. Aus demſelben Grunde werden Sie
Geburtsdiſtinktionen eigentlich nicht zu hoch anſchla-
gen, wenn Ihre Eitelkeit auch nicht ganz unempfind-
lich dagegen iſt.“
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/99>, abgerufen am 24.11.2024.
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