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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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zu bringen ist, hörte bereits in der Stellung eines
Fiedelbogens, mit gewaltsam zusammengedrücktem
Leibe zu, und schnitt hinter seinem großen Schnurr-
barte die seltsamsten Grimassen. Was mich betrifft,
so suchte ich meiner moralischen Kraft hauptsächlich
dadurch zu Hülfe zu kommen, daß ich unaufhörlich
an Dich, gute Julie, und Deine so musterhafte Con-
tenance bei ähnlichen Gelegenheiten dachte. Die Leute
waren dabei so ausserordentlich gütig und freundschaft-
lich gewesen, daß ich wahrhaftig lieber hätte Blut
weinen, als über sie lachen mögen; aber was soll
man anfangen, wenn der Sinnenreiz unwiderstehlich
wird! Die Annäherung der ominösen Stelle war
immer eine furchtbare Epoche für mich. Ich betete
förmlich zu Gott, er möge die gute Alte doch regie-
ren, nur diesmal "Je t'aimerai toujours" ohne Ver-
zierung abzukrähen. Aber vergeblich; kaum war das
verhängnißvolle ai angeschlagen, so folgte auch im-
manquablement
der unbarmherzige Trillo. Beim
7ten Verse konnte ich es nicht mehr aushalten, Rous-
seau schien mir zum erstenmale wahrhaft unsterblich --
ich fuhr der Alten, wie die Studenten sagen, in die
Parade, ergriff ihre Hand, ehe sie die Tasten von
neuem anschlagen konnte, schüttelte sie herzlich, dankte
für ihre Güte, versicherte, ich fühle die Indiscretion,
sie so lange zu belästigen, drückte gleichfalls die Hand
der schönen Tochter, (car ce'st l'nsage ici) wie der
übrigen Familienmitglieder, und fand mich in einem
clin d'oeuil mit R ... im Wagen, der schon seit
einer Stunde angespannt auf uns gewartet hatte.

zu bringen iſt, hörte bereits in der Stellung eines
Fiedelbogens, mit gewaltſam zuſammengedrücktem
Leibe zu, und ſchnitt hinter ſeinem großen Schnurr-
barte die ſeltſamſten Grimaſſen. Was mich betrifft,
ſo ſuchte ich meiner moraliſchen Kraft hauptſächlich
dadurch zu Hülfe zu kommen, daß ich unaufhörlich
an Dich, gute Julie, und Deine ſo muſterhafte Con-
tenance bei ähnlichen Gelegenheiten dachte. Die Leute
waren dabei ſo auſſerordentlich gütig und freundſchaft-
lich geweſen, daß ich wahrhaftig lieber hätte Blut
weinen, als über ſie lachen mögen; aber was ſoll
man anfangen, wenn der Sinnenreiz unwiderſtehlich
wird! Die Annäherung der ominöſen Stelle war
immer eine furchtbare Epoche für mich. Ich betete
förmlich zu Gott, er möge die gute Alte doch regie-
ren, nur diesmal „Je t’aimerai toujours“ ohne Ver-
zierung abzukrähen. Aber vergeblich; kaum war das
verhängnißvolle ai angeſchlagen, ſo folgte auch im-
manquablement
der unbarmherzige Trillo. Beim
7ten Verſe konnte ich es nicht mehr aushalten, Rouſ-
ſeau ſchien mir zum erſtenmale wahrhaft unſterblich —
ich fuhr der Alten, wie die Studenten ſagen, in die
Parade, ergriff ihre Hand, ehe ſie die Taſten von
neuem anſchlagen konnte, ſchüttelte ſie herzlich, dankte
für ihre Güte, verſicherte, ich fühle die Indiscretion,
ſie ſo lange zu beläſtigen, drückte gleichfalls die Hand
der ſchönen Tochter, (car ce’st l’nsage ici) wie der
übrigen Familienmitglieder, und fand mich in einem
clin d’oeuil mit R … im Wagen, der ſchon ſeit
einer Stunde angeſpannt auf uns gewartet hatte.

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[55/0071] zu bringen iſt, hörte bereits in der Stellung eines Fiedelbogens, mit gewaltſam zuſammengedrücktem Leibe zu, und ſchnitt hinter ſeinem großen Schnurr- barte die ſeltſamſten Grimaſſen. Was mich betrifft, ſo ſuchte ich meiner moraliſchen Kraft hauptſächlich dadurch zu Hülfe zu kommen, daß ich unaufhörlich an Dich, gute Julie, und Deine ſo muſterhafte Con- tenance bei ähnlichen Gelegenheiten dachte. Die Leute waren dabei ſo auſſerordentlich gütig und freundſchaft- lich geweſen, daß ich wahrhaftig lieber hätte Blut weinen, als über ſie lachen mögen; aber was ſoll man anfangen, wenn der Sinnenreiz unwiderſtehlich wird! Die Annäherung der ominöſen Stelle war immer eine furchtbare Epoche für mich. Ich betete förmlich zu Gott, er möge die gute Alte doch regie- ren, nur diesmal „Je t’aimerai toujours“ ohne Ver- zierung abzukrähen. Aber vergeblich; kaum war das verhängnißvolle ai angeſchlagen, ſo folgte auch im- manquablement der unbarmherzige Trillo. Beim 7ten Verſe konnte ich es nicht mehr aushalten, Rouſ- ſeau ſchien mir zum erſtenmale wahrhaft unſterblich — ich fuhr der Alten, wie die Studenten ſagen, in die Parade, ergriff ihre Hand, ehe ſie die Taſten von neuem anſchlagen konnte, ſchüttelte ſie herzlich, dankte für ihre Güte, verſicherte, ich fühle die Indiscretion, ſie ſo lange zu beläſtigen, drückte gleichfalls die Hand der ſchönen Tochter, (car ce’st l’nsage ici) wie der übrigen Familienmitglieder, und fand mich in einem clin d’oeuil mit R … im Wagen, der ſchon ſeit einer Stunde angeſpannt auf uns gewartet hatte.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/71>, abgerufen am 27.11.2024.