ein Haus, dessen vielfache Vorsprünge, zu verschiede- nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüsch versteckt, nirgends erlaubten, seine ganze Form auf einmal ins Auge zu fassen. Eine gallerieartige Ro- senlaube, von hundert Blumen strotzend, führte di- rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere Piecen und einen Corridor gelangten wir dann in den Eßsaal, wo schon eine reiche Tafel gedeckt stand, aber immer noch kein Mensch zu erblicken war. Hier lag die Gartenseite vor uns, ein wahres Paradies, von der Abendsonne reich beleuchtet. Am ganzen Hause entlang, bald vorspringend, bald zurücktretend, wechselten Verandas von verschiedenen Formen und mit verschiedenen blühenden Gewächsen berankt, mit einander ab, und dienten dem buntesten Blumengar- ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch- aus bedeckte. An ihn schloß sich ein tiefes und schma- les Wiesenthal, hinter dem sich das Terrain wieder zu einem höheren Bergrücken erhob, dessen Abhang mit uralten Buchen besetzt war. Am Ende des Tha- les links schloß Wasser die nächste Aussicht. In der Ferne sahen wir über den Baumkronen den round tower (runden Thurm) von Windsor Castle mit der darauf gepflanzten kolossalen königlichen Fahne, in die blaue Luft emporsteigen. Er allein erinnerte in dieser Einsamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na- tur und eine wohlthätige Fee walte, sondern auch Menschen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem Glanz sich hier angesiedelt! Wie ein Leuchtthurm des Ehrgeizes schaute er auf die friedliche Hütte herab,
ein Haus, deſſen vielfache Vorſprünge, zu verſchiede- nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüſch verſteckt, nirgends erlaubten, ſeine ganze Form auf einmal ins Auge zu faſſen. Eine gallerieartige Ro- ſenlaube, von hundert Blumen ſtrotzend, führte di- rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere Pieçen und einen Corridor gelangten wir dann in den Eßſaal, wo ſchon eine reiche Tafel gedeckt ſtand, aber immer noch kein Menſch zu erblicken war. Hier lag die Gartenſeite vor uns, ein wahres Paradies, von der Abendſonne reich beleuchtet. Am ganzen Hauſe entlang, bald vorſpringend, bald zurücktretend, wechſelten Verandas von verſchiedenen Formen und mit verſchiedenen blühenden Gewächſen berankt, mit einander ab, und dienten dem bunteſten Blumengar- ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch- aus bedeckte. An ihn ſchloß ſich ein tiefes und ſchma- les Wieſenthal, hinter dem ſich das Terrain wieder zu einem höheren Bergrücken erhob, deſſen Abhang mit uralten Buchen beſetzt war. Am Ende des Tha- les links ſchloß Waſſer die nächſte Ausſicht. In der Ferne ſahen wir über den Baumkronen den round tower (runden Thurm) von Windſor Caſtle mit der darauf gepflanzten koloſſalen königlichen Fahne, in die blaue Luft emporſteigen. Er allein erinnerte in dieſer Einſamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na- tur und eine wohlthätige Fee walte, ſondern auch Menſchen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem Glanz ſich hier angeſiedelt! Wie ein Leuchtthurm des Ehrgeizes ſchaute er auf die friedliche Hütte herab,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0069"n="53"/>
ein Haus, deſſen vielfache Vorſprünge, zu verſchiede-<lb/>
nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüſch<lb/>
verſteckt, nirgends erlaubten, ſeine ganze Form auf<lb/>
einmal ins Auge zu faſſen. Eine gallerieartige Ro-<lb/>ſenlaube, von hundert Blumen ſtrotzend, führte di-<lb/>
rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere<lb/>
Pie<hirendition="#aq">ç</hi>en und einen Corridor gelangten wir dann in<lb/>
den Eßſaal, wo ſchon eine reiche Tafel gedeckt ſtand,<lb/>
aber immer noch kein Menſch zu erblicken war. Hier<lb/>
lag die Gartenſeite vor uns, ein wahres Paradies,<lb/>
von der Abendſonne reich beleuchtet. Am ganzen<lb/>
Hauſe entlang, bald vorſpringend, bald zurücktretend,<lb/>
wechſelten Verandas von verſchiedenen Formen und<lb/>
mit verſchiedenen blühenden Gewächſen berankt, mit<lb/>
einander ab, und dienten dem bunteſten Blumengar-<lb/>
ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch-<lb/>
aus bedeckte. An ihn ſchloß ſich ein tiefes und ſchma-<lb/>
les Wieſenthal, hinter dem ſich das Terrain wieder<lb/>
zu einem höheren Bergrücken erhob, deſſen Abhang<lb/>
mit uralten Buchen beſetzt war. Am Ende des Tha-<lb/>
les links ſchloß Waſſer die nächſte Ausſicht. In der<lb/>
Ferne ſahen wir über den Baumkronen den <hirendition="#aq">round<lb/>
tower</hi> (runden Thurm) von Windſor Caſtle mit der<lb/>
darauf gepflanzten koloſſalen königlichen Fahne, in<lb/>
die blaue Luft emporſteigen. Er allein erinnerte in<lb/>
dieſer Einſamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na-<lb/>
tur und eine wohlthätige Fee walte, ſondern auch<lb/>
Menſchen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem<lb/>
Glanz ſich hier angeſiedelt! Wie ein Leuchtthurm<lb/>
des Ehrgeizes ſchaute er auf die friedliche Hütte herab,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[53/0069]
ein Haus, deſſen vielfache Vorſprünge, zu verſchiede-
nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüſch
verſteckt, nirgends erlaubten, ſeine ganze Form auf
einmal ins Auge zu faſſen. Eine gallerieartige Ro-
ſenlaube, von hundert Blumen ſtrotzend, führte di-
rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere
Pieçen und einen Corridor gelangten wir dann in
den Eßſaal, wo ſchon eine reiche Tafel gedeckt ſtand,
aber immer noch kein Menſch zu erblicken war. Hier
lag die Gartenſeite vor uns, ein wahres Paradies,
von der Abendſonne reich beleuchtet. Am ganzen
Hauſe entlang, bald vorſpringend, bald zurücktretend,
wechſelten Verandas von verſchiedenen Formen und
mit verſchiedenen blühenden Gewächſen berankt, mit
einander ab, und dienten dem bunteſten Blumengar-
ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch-
aus bedeckte. An ihn ſchloß ſich ein tiefes und ſchma-
les Wieſenthal, hinter dem ſich das Terrain wieder
zu einem höheren Bergrücken erhob, deſſen Abhang
mit uralten Buchen beſetzt war. Am Ende des Tha-
les links ſchloß Waſſer die nächſte Ausſicht. In der
Ferne ſahen wir über den Baumkronen den round
tower (runden Thurm) von Windſor Caſtle mit der
darauf gepflanzten koloſſalen königlichen Fahne, in
die blaue Luft emporſteigen. Er allein erinnerte in
dieſer Einſamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na-
tur und eine wohlthätige Fee walte, ſondern auch
Menſchen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem
Glanz ſich hier angeſiedelt! Wie ein Leuchtthurm
des Ehrgeizes ſchaute er auf die friedliche Hütte herab,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/69>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.