Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der neulich erwähnten Marquise L .... sah ich zum er- stenmal hier Polonaisen und auch Masurka tanzen, aber sehr schlecht. Man aß im Saal der Statüen, denen verschiedene Damen ihre Hüte aufgesetzt und ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunst- sinne sehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hause und schreibe Dir noch, während man schon meine Laden schließt, um mir eine künstliche Nacht zu be- reiten. Die Kammerdiener haben es hier schlimm, und können nur, so zu sagen: aus der Hand schla- fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.
Den 13ten.
Ich habe Dir schon erzählt, daß man hier auf die königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikatesse. So war ich gestern auf die Herzogin von Gloucester, und heute auch auf den Herzog von Sussex zu Tisch eingeladen. Dieser Prinz, der mit dem König ganz brouillirt ist *), sich aber durch sehr liberale Gesin- nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies in jeder Hinsicht verdient, war viel auf dem Conti- nent, und liebt die deutsche Lebensart. Unsere Sprache ist ihm, wie den meisten seiner Brüder, völlig ge-
*) Man vergesse nicht, daß hier vom vorigen die Rede ist. A. d. H.
Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der neulich erwähnten Marquiſe L .... ſah ich zum er- ſtenmal hier Polonaiſen und auch Maſurka tanzen, aber ſehr ſchlecht. Man aß im Saal der Statüen, denen verſchiedene Damen ihre Hüte aufgeſetzt und ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunſt- ſinne ſehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hauſe und ſchreibe Dir noch, während man ſchon meine Laden ſchließt, um mir eine künſtliche Nacht zu be- reiten. Die Kammerdiener haben es hier ſchlimm, und können nur, ſo zu ſagen: aus der Hand ſchla- fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.
Den 13ten.
Ich habe Dir ſchon erzählt, daß man hier auf die königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikateſſe. So war ich geſtern auf die Herzogin von Glouceſter, und heute auch auf den Herzog von Suſſex zu Tiſch eingeladen. Dieſer Prinz, der mit dem König ganz brouillirt iſt *), ſich aber durch ſehr liberale Geſin- nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies in jeder Hinſicht verdient, war viel auf dem Conti- nent, und liebt die deutſche Lebensart. Unſere Sprache iſt ihm, wie den meiſten ſeiner Brüder, völlig ge-
*) Man vergeſſe nicht, daß hier vom vorigen die Rede iſt. A. d. H.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0066"n="50"/><p>Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der<lb/>
neulich erwähnten Marquiſe L .... ſah ich zum er-<lb/>ſtenmal hier Polonaiſen und auch Maſurka tanzen,<lb/>
aber ſehr ſchlecht. Man aß im Saal der Statüen,<lb/>
denen verſchiedene Damen ihre Hüte aufgeſetzt und<lb/>
ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunſt-<lb/>ſinne ſehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hauſe<lb/>
und ſchreibe Dir noch, während man ſchon meine<lb/>
Laden ſchließt, um mir eine künſtliche Nacht zu be-<lb/>
reiten. Die Kammerdiener haben es hier ſchlimm,<lb/>
und können nur, ſo zu ſagen: aus der Hand ſchla-<lb/>
fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 13ten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Ich habe Dir ſchon erzählt, daß man hier auf die<lb/>
königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern<lb/>
Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikateſſe.<lb/>
So war ich geſtern auf die Herzogin von Glouceſter,<lb/>
und heute auch auf den Herzog von Suſſex zu Tiſch<lb/>
eingeladen. Dieſer Prinz, der mit dem König ganz<lb/>
brouillirt iſt <noteplace="foot"n="*)">Man vergeſſe nicht, daß hier vom vorigen die Rede iſt.<lb/><hirendition="#et">A. d. H.</hi></note>, ſich aber durch ſehr liberale Geſin-<lb/>
nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies<lb/>
in jeder Hinſicht verdient, war viel auf dem Conti-<lb/>
nent, und liebt die deutſche Lebensart. Unſere Sprache<lb/>
iſt ihm, wie den meiſten ſeiner Brüder, völlig ge-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[50/0066]
Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der
neulich erwähnten Marquiſe L .... ſah ich zum er-
ſtenmal hier Polonaiſen und auch Maſurka tanzen,
aber ſehr ſchlecht. Man aß im Saal der Statüen,
denen verſchiedene Damen ihre Hüte aufgeſetzt und
ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunſt-
ſinne ſehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hauſe
und ſchreibe Dir noch, während man ſchon meine
Laden ſchließt, um mir eine künſtliche Nacht zu be-
reiten. Die Kammerdiener haben es hier ſchlimm,
und können nur, ſo zu ſagen: aus der Hand ſchla-
fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.
Den 13ten.
Ich habe Dir ſchon erzählt, daß man hier auf die
königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern
Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikateſſe.
So war ich geſtern auf die Herzogin von Glouceſter,
und heute auch auf den Herzog von Suſſex zu Tiſch
eingeladen. Dieſer Prinz, der mit dem König ganz
brouillirt iſt *), ſich aber durch ſehr liberale Geſin-
nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies
in jeder Hinſicht verdient, war viel auf dem Conti-
nent, und liebt die deutſche Lebensart. Unſere Sprache
iſt ihm, wie den meiſten ſeiner Brüder, völlig ge-
*) Man vergeſſe nicht, daß hier vom vorigen die Rede iſt.
A. d. H.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/66>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.