reiche, Bosheiten gesagt hat, die aber dennoch von allen sich in seinem Bereich Befindenden, stets mit lautem Beifall und convulsivischem Lachen aufgenom- men werden, obgleich Manchem dabei die Gänsehaut überrieseln mag, daß, sobald er den Rücken gekehrt, ihm Gleiches wiederfahren werde. Aber der Mann ist einmal Mode. Seine Aussprüche sind Orakel, sein Witz muß erquisit seyn, seitdem er das Privi- legium dazu von der fashionablen Gesellschaft erhal- ten hat, und wo die Mode spricht, da ist, wie ge- sagt, der freie Engländer ein Sclave. Ueberdem fühlt der Vulgaire wohl, daß er in Künsten und geistrei- chen Dingen im Allgemeinen kein recht competentes eigenes Urtheil hat, und applaudirt daher am lieb- sten blindlings ein bon mot, wenn er andere lachen sieht, so wie jedes Urtheil, wenn es aus patentirtem Munde kömmt, eben so wie das hiesige Publikum einen ganzen Winter lang sich durch die Tyroler Gassendudler, für schweres Geld, welches die grüne Fleischerfamilie lachend einstrich, bis in den dritten Himmel entzücken ließ.
Bald hätte ich aber vergessen, daß mir noch eine letzte Dame mit wenigen Worten zu schildern übrig bleibt. Es ist dies eine recht artige petite maitresse, der zugleich ihr großer Reichthum erlaubt, das ein wenig leere, aber doch ganz hübsche Köpfchen mit den schönsten Steinen aller Farben zu schmücken, die Eng- land aufweisen kann. Wenn man sie früh, languis- sant auf ihrer chaise longue hingeworfen sieht, er- blickt man in hundert eleganten Behältern um sie
reiche, Bosheiten geſagt hat, die aber dennoch von allen ſich in ſeinem Bereich Befindenden, ſtets mit lautem Beifall und convulſiviſchem Lachen aufgenom- men werden, obgleich Manchem dabei die Gänſehaut überrieſeln mag, daß, ſobald er den Rücken gekehrt, ihm Gleiches wiederfahren werde. Aber der Mann iſt einmal Mode. Seine Ausſprüche ſind Orakel, ſein Witz muß erquiſit ſeyn, ſeitdem er das Privi- legium dazu von der faſhionablen Geſellſchaft erhal- ten hat, und wo die Mode ſpricht, da iſt, wie ge- ſagt, der freie Engländer ein Sclave. Ueberdem fühlt der Vulgaire wohl, daß er in Künſten und geiſtrei- chen Dingen im Allgemeinen kein recht competentes eigenes Urtheil hat, und applaudirt daher am lieb- ſten blindlings ein bon mot, wenn er andere lachen ſieht, ſo wie jedes Urtheil, wenn es aus patentirtem Munde kömmt, eben ſo wie das hieſige Publikum einen ganzen Winter lang ſich durch die Tyroler Gaſſendudler, für ſchweres Geld, welches die grüne Fleiſcherfamilie lachend einſtrich, bis in den dritten Himmel entzücken ließ.
Bald hätte ich aber vergeſſen, daß mir noch eine letzte Dame mit wenigen Worten zu ſchildern übrig bleibt. Es iſt dies eine recht artige petite maitresse, der zugleich ihr großer Reichthum erlaubt, das ein wenig leere, aber doch ganz hübſche Köpfchen mit den ſchönſten Steinen aller Farben zu ſchmücken, die Eng- land aufweiſen kann. Wenn man ſie früh, languiſ- ſant auf ihrer chaise longue hingeworfen ſieht, er- blickt man in hundert eleganten Behältern um ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0433"n="413"/>
reiche, Bosheiten geſagt hat, die aber dennoch von<lb/>
allen ſich in ſeinem Bereich Befindenden, ſtets mit<lb/>
lautem Beifall und convulſiviſchem Lachen aufgenom-<lb/>
men werden, obgleich Manchem dabei die Gänſehaut<lb/>
überrieſeln mag, daß, ſobald er den Rücken gekehrt,<lb/>
ihm Gleiches wiederfahren werde. Aber der Mann<lb/>
iſt einmal Mode. Seine Ausſprüche ſind Orakel,<lb/>ſein Witz <hirendition="#g">muß</hi> erquiſit ſeyn, ſeitdem er das Privi-<lb/>
legium dazu von der faſhionablen Geſellſchaft erhal-<lb/>
ten hat, und wo die Mode ſpricht, da iſt, wie ge-<lb/>ſagt, der freie Engländer ein Sclave. Ueberdem fühlt<lb/>
der Vulgaire wohl, daß er in Künſten und geiſtrei-<lb/>
chen Dingen im Allgemeinen kein recht competentes<lb/>
eigenes Urtheil hat, und applaudirt daher am lieb-<lb/>ſten blindlings ein <hirendition="#aq">bon mot,</hi> wenn er andere lachen<lb/>ſieht, ſo wie jedes Urtheil, wenn es aus patentirtem<lb/>
Munde kömmt, eben ſo wie das hieſige Publikum<lb/>
einen ganzen Winter lang ſich durch die Tyroler<lb/>
Gaſſendudler, für ſchweres Geld, welches die grüne<lb/>
Fleiſcherfamilie lachend einſtrich, bis in den dritten<lb/>
Himmel entzücken ließ.</p><lb/><p>Bald hätte ich aber vergeſſen, daß mir noch eine<lb/>
letzte Dame mit wenigen Worten zu ſchildern übrig<lb/>
bleibt. Es iſt dies eine recht artige <hirendition="#aq">petite maitresse,</hi><lb/>
der zugleich ihr großer Reichthum erlaubt, das ein<lb/>
wenig leere, aber doch ganz hübſche Köpfchen mit den<lb/>ſchönſten Steinen aller Farben zu ſchmücken, die Eng-<lb/>
land aufweiſen kann. Wenn man ſie früh, languiſ-<lb/>ſant auf ihrer <hirendition="#aq">chaise longue</hi> hingeworfen ſieht, er-<lb/>
blickt man in hundert eleganten Behältern um ſie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[413/0433]
reiche, Bosheiten geſagt hat, die aber dennoch von
allen ſich in ſeinem Bereich Befindenden, ſtets mit
lautem Beifall und convulſiviſchem Lachen aufgenom-
men werden, obgleich Manchem dabei die Gänſehaut
überrieſeln mag, daß, ſobald er den Rücken gekehrt,
ihm Gleiches wiederfahren werde. Aber der Mann
iſt einmal Mode. Seine Ausſprüche ſind Orakel,
ſein Witz muß erquiſit ſeyn, ſeitdem er das Privi-
legium dazu von der faſhionablen Geſellſchaft erhal-
ten hat, und wo die Mode ſpricht, da iſt, wie ge-
ſagt, der freie Engländer ein Sclave. Ueberdem fühlt
der Vulgaire wohl, daß er in Künſten und geiſtrei-
chen Dingen im Allgemeinen kein recht competentes
eigenes Urtheil hat, und applaudirt daher am lieb-
ſten blindlings ein bon mot, wenn er andere lachen
ſieht, ſo wie jedes Urtheil, wenn es aus patentirtem
Munde kömmt, eben ſo wie das hieſige Publikum
einen ganzen Winter lang ſich durch die Tyroler
Gaſſendudler, für ſchweres Geld, welches die grüne
Fleiſcherfamilie lachend einſtrich, bis in den dritten
Himmel entzücken ließ.
Bald hätte ich aber vergeſſen, daß mir noch eine
letzte Dame mit wenigen Worten zu ſchildern übrig
bleibt. Es iſt dies eine recht artige petite maitresse,
der zugleich ihr großer Reichthum erlaubt, das ein
wenig leere, aber doch ganz hübſche Köpfchen mit den
ſchönſten Steinen aller Farben zu ſchmücken, die Eng-
land aufweiſen kann. Wenn man ſie früh, languiſ-
ſant auf ihrer chaise longue hingeworfen ſieht, er-
blickt man in hundert eleganten Behältern um ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/433>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.