pressement. Schade nur, daß es bei solchen Gelegen- heiten den englischen Damen, Vornehmen wie Gerin- gen in der Regel so sehr an graziöser Tournüre und geschickten Worten fehlt, um ein hübsches Total- schauspiel zu geben. Ein Drawingroom und eine Hofpräsentation sind hier immer so lächerlich, wie das Lever eines Bürgermeisters der weiland freien Reichsstädte unsers Vaterlandes, und aller Stolz und Reichthum der Aristokratie verschwindet in dem linkischen Embarras dieser mit Diamanten und Putz nicht geschmückten, sondern nur beladenen Ladies. Im Negliee, und wenn sie ungenirt in ihrem Hause sich in gewohnter Umgebung bewegen, erscheinen junge Engländerinnen oft sehr vortheilhaft, in Pa- rüre und großer Gesellschaft aber fast nie, weil eine unbezwingliche und aller Grazie entbehrende Tumi- dität selbst ihre intellectuellen Eigenschaften so voll- ständig paralysirt, daß eine geistreiche Unterhaltung mit ihnen gewiß eine schwere Aufgabe wird.
Ich halte sie daher auch unter allen Europäerinnen für die angenehmsten und comfortablesten Ehefrauen, so wie für die unfähigsten zu Repräsentation und Gesellschaft. Offenbar übersteigt bei diesem Urtheil das Lob den Tadel weit.
Den 16ten.
Heute wohnte ich einem interessanten Frühstück bei, welches der Tauben-Club gab. Diese Benen-
preſſement. Schade nur, daß es bei ſolchen Gelegen- heiten den engliſchen Damen, Vornehmen wie Gerin- gen in der Regel ſo ſehr an graziöſer Tournüre und geſchickten Worten fehlt, um ein hübſches Total- ſchauſpiel zu geben. Ein Drawingroom und eine Hofpräſentation ſind hier immer ſo lächerlich, wie das Lever eines Bürgermeiſters der weiland freien Reichsſtädte unſers Vaterlandes, und aller Stolz und Reichthum der Ariſtokratie verſchwindet in dem linkiſchen Embarras dieſer mit Diamanten und Putz nicht geſchmückten, ſondern nur beladenen Ladies. Im Neglieé, und wenn ſie ungenirt in ihrem Hauſe ſich in gewohnter Umgebung bewegen, erſcheinen junge Engländerinnen oft ſehr vortheilhaft, in Pa- rüre und großer Geſellſchaft aber faſt nie, weil eine unbezwingliche und aller Grazie entbehrende Tumi- dität ſelbſt ihre intellectuellen Eigenſchaften ſo voll- ſtändig paralyſirt, daß eine geiſtreiche Unterhaltung mit ihnen gewiß eine ſchwere Aufgabe wird.
Ich halte ſie daher auch unter allen Europäerinnen für die angenehmſten und comfortableſten Ehefrauen, ſo wie für die unfähigſten zu Repräſentation und Geſellſchaft. Offenbar überſteigt bei dieſem Urtheil das Lob den Tadel weit.
Den 16ten.
Heute wohnte ich einem intereſſanten Frühſtück bei, welches der Tauben-Club gab. Dieſe Benen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0393"n="373"/>
preſſement. Schade nur, daß es bei ſolchen Gelegen-<lb/>
heiten den engliſchen Damen, Vornehmen wie Gerin-<lb/>
gen in der Regel ſo ſehr an graziöſer Tournüre und<lb/>
geſchickten Worten fehlt, um ein hübſches Total-<lb/>ſchauſpiel zu geben. Ein Drawingroom und eine<lb/>
Hofpräſentation ſind hier immer ſo lächerlich, wie<lb/>
das Lever eines Bürgermeiſters der weiland freien<lb/>
Reichsſtädte unſers Vaterlandes, und aller Stolz<lb/>
und Reichthum der Ariſtokratie verſchwindet in dem<lb/>
linkiſchen Embarras dieſer mit Diamanten und Putz<lb/>
nicht geſchmückten, ſondern nur beladenen Ladies.<lb/>
Im Neglie<hirendition="#aq">é</hi>, und wenn ſie ungenirt in ihrem Hauſe<lb/>ſich in gewohnter Umgebung bewegen, erſcheinen<lb/>
junge Engländerinnen oft ſehr vortheilhaft, in Pa-<lb/>
rüre und großer Geſellſchaft aber faſt nie, weil eine<lb/>
unbezwingliche und aller Grazie entbehrende Tumi-<lb/>
dität ſelbſt ihre intellectuellen Eigenſchaften ſo voll-<lb/>ſtändig paralyſirt, daß eine geiſtreiche Unterhaltung<lb/>
mit ihnen gewiß eine ſchwere Aufgabe wird.</p><lb/><p>Ich halte ſie daher auch unter allen Europäerinnen<lb/>
für die angenehmſten und comfortableſten Ehefrauen,<lb/>ſo wie für die unfähigſten zu Repräſentation und<lb/>
Geſellſchaft. Offenbar überſteigt bei dieſem Urtheil<lb/>
das Lob den Tadel weit.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 16ten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Heute wohnte ich einem intereſſanten Frühſtück<lb/>
bei, welches der Tauben-Club gab. Dieſe Benen-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[373/0393]
preſſement. Schade nur, daß es bei ſolchen Gelegen-
heiten den engliſchen Damen, Vornehmen wie Gerin-
gen in der Regel ſo ſehr an graziöſer Tournüre und
geſchickten Worten fehlt, um ein hübſches Total-
ſchauſpiel zu geben. Ein Drawingroom und eine
Hofpräſentation ſind hier immer ſo lächerlich, wie
das Lever eines Bürgermeiſters der weiland freien
Reichsſtädte unſers Vaterlandes, und aller Stolz
und Reichthum der Ariſtokratie verſchwindet in dem
linkiſchen Embarras dieſer mit Diamanten und Putz
nicht geſchmückten, ſondern nur beladenen Ladies.
Im Neglieé, und wenn ſie ungenirt in ihrem Hauſe
ſich in gewohnter Umgebung bewegen, erſcheinen
junge Engländerinnen oft ſehr vortheilhaft, in Pa-
rüre und großer Geſellſchaft aber faſt nie, weil eine
unbezwingliche und aller Grazie entbehrende Tumi-
dität ſelbſt ihre intellectuellen Eigenſchaften ſo voll-
ſtändig paralyſirt, daß eine geiſtreiche Unterhaltung
mit ihnen gewiß eine ſchwere Aufgabe wird.
Ich halte ſie daher auch unter allen Europäerinnen
für die angenehmſten und comfortableſten Ehefrauen,
ſo wie für die unfähigſten zu Repräſentation und
Geſellſchaft. Offenbar überſteigt bei dieſem Urtheil
das Lob den Tadel weit.
Den 16ten.
Heute wohnte ich einem intereſſanten Frühſtück
bei, welches der Tauben-Club gab. Dieſe Benen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/393>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.