Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

und gewiß ist eine so liebliche Coquetterie der größte
Reiz, wenn auch nicht das größte Verdienst der
Frauen.



Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer
am liebendsten gestimmt sind, und zu verdenken ist
es mir daher nicht, wenn ich in dieser Jahreszeit der
flötenden Nachtigall nur mit klopfendem Herzen zu-
hören kann.

"Nun habe ich nur noch einen Tag," sagte sie
gestern am Sonnabend, "nach welchem ich wohl län-
ger als einen Monat nicht mehr frei seyn werde, und
der ist morgen, in jeder Hinsicht mein Tag, wo ich
noch einmal meinem Wunsche nach leben kann, dann
bleibe ich auf lange, lange Zeit eine arme Sclavin!"

Ich schlug ihr schüchtern vor, an diesem Tage auf
dem Lande mit mir zu essen, früh dorthin zusammen
zu reiten, wozu ich mein Pferd als einen Phönix
von Sanftmuth rekommandirte, Abends aber, um
sie nicht zu sehr zu ermüden, zurück zu fahren, was
sie nach vielen Bitten endlich genehmigte.

O Natur, ländliche Freuden *), wie schön seyd

*) Auf diese paßte wahrscheinlich nicht, was ich einen liebens-
würdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd ist, einmal
so ergötzlich zu seinen Hofleuten sagen hörte: Nur mit Ei-
nem verschont mich, mit Euern ländlichen, schändlichen Ver-
gnügungen und mit Euern häuslichen, scheuslichen Freuden!
A. d. H.

und gewiß iſt eine ſo liebliche Coquetterie der größte
Reiz, wenn auch nicht das größte Verdienſt der
Frauen.



Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer
am liebendſten geſtimmt ſind, und zu verdenken iſt
es mir daher nicht, wenn ich in dieſer Jahreszeit der
flötenden Nachtigall nur mit klopfendem Herzen zu-
hören kann.

„Nun habe ich nur noch einen Tag,“ ſagte ſie
geſtern am Sonnabend, „nach welchem ich wohl län-
ger als einen Monat nicht mehr frei ſeyn werde, und
der iſt morgen, in jeder Hinſicht mein Tag, wo ich
noch einmal meinem Wunſche nach leben kann, dann
bleibe ich auf lange, lange Zeit eine arme Sclavin!“

Ich ſchlug ihr ſchüchtern vor, an dieſem Tage auf
dem Lande mit mir zu eſſen, früh dorthin zuſammen
zu reiten, wozu ich mein Pferd als einen Phönix
von Sanftmuth rekommandirte, Abends aber, um
ſie nicht zu ſehr zu ermüden, zurück zu fahren, was
ſie nach vielen Bitten endlich genehmigte.

O Natur, ländliche Freuden *), wie ſchön ſeyd

*) Auf dieſe paßte wahrſcheinlich nicht, was ich einen liebens-
wuͤrdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd iſt, einmal
ſo ergoͤtzlich zu ſeinen Hofleuten ſagen hoͤrte: Nur mit Ei-
nem verſchont mich, mit Euern laͤndlichen, ſchaͤndlichen Ver-
gnuͤgungen und mit Euern haͤuslichen, ſcheuslichen Freuden!
A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0380" n="360"/>
und gewiß i&#x017F;t eine &#x017F;o liebliche Coquetterie der größte<lb/>
Reiz, wenn auch nicht das größte Verdien&#x017F;t der<lb/>
Frauen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 3ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer<lb/>
am liebend&#x017F;ten ge&#x017F;timmt &#x017F;ind, und zu verdenken i&#x017F;t<lb/>
es mir daher nicht, wenn ich in die&#x017F;er Jahreszeit der<lb/>
flötenden Nachtigall nur mit klopfendem Herzen zu-<lb/>
hören kann.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun habe ich nur noch <hi rendition="#g">einen</hi> Tag,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
ge&#x017F;tern am Sonnabend, &#x201E;nach welchem ich wohl län-<lb/>
ger als einen Monat nicht mehr frei &#x017F;eyn werde, und<lb/>
der i&#x017F;t morgen, in jeder Hin&#x017F;icht <hi rendition="#g">mein</hi> Tag, wo ich<lb/>
noch einmal meinem Wun&#x017F;che nach leben kann, dann<lb/>
bleibe ich auf lange, lange Zeit eine arme Sclavin!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;chlug ihr &#x017F;chüchtern vor, an die&#x017F;em Tage auf<lb/>
dem Lande mit mir zu e&#x017F;&#x017F;en, früh dorthin zu&#x017F;ammen<lb/>
zu reiten, wozu ich mein Pferd als einen Phönix<lb/>
von Sanftmuth rekommandirte, Abends aber, um<lb/>
&#x017F;ie nicht zu &#x017F;ehr zu ermüden, zurück zu fahren, was<lb/>
&#x017F;ie nach vielen Bitten endlich genehmigte.</p><lb/>
          <p>O Natur, ländliche Freuden <note place="foot" n="*)">Auf die&#x017F;e paßte wahr&#x017F;cheinlich nicht, was ich einen liebens-<lb/>
wu&#x0364;rdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd i&#x017F;t, einmal<lb/>
&#x017F;o ergo&#x0364;tzlich zu &#x017F;einen Hofleuten &#x017F;agen ho&#x0364;rte: Nur mit Ei-<lb/>
nem ver&#x017F;chont mich, mit Euern la&#x0364;ndlichen, &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gungen und mit Euern ha&#x0364;uslichen, &#x017F;cheuslichen Freuden!<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>, wie &#x017F;chön &#x017F;eyd<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0380] und gewiß iſt eine ſo liebliche Coquetterie der größte Reiz, wenn auch nicht das größte Verdienſt der Frauen. Den 3ten. Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer am liebendſten geſtimmt ſind, und zu verdenken iſt es mir daher nicht, wenn ich in dieſer Jahreszeit der flötenden Nachtigall nur mit klopfendem Herzen zu- hören kann. „Nun habe ich nur noch einen Tag,“ ſagte ſie geſtern am Sonnabend, „nach welchem ich wohl län- ger als einen Monat nicht mehr frei ſeyn werde, und der iſt morgen, in jeder Hinſicht mein Tag, wo ich noch einmal meinem Wunſche nach leben kann, dann bleibe ich auf lange, lange Zeit eine arme Sclavin!“ Ich ſchlug ihr ſchüchtern vor, an dieſem Tage auf dem Lande mit mir zu eſſen, früh dorthin zuſammen zu reiten, wozu ich mein Pferd als einen Phönix von Sanftmuth rekommandirte, Abends aber, um ſie nicht zu ſehr zu ermüden, zurück zu fahren, was ſie nach vielen Bitten endlich genehmigte. O Natur, ländliche Freuden *), wie ſchön ſeyd *) Auf dieſe paßte wahrſcheinlich nicht, was ich einen liebens- wuͤrdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd iſt, einmal ſo ergoͤtzlich zu ſeinen Hofleuten ſagen hoͤrte: Nur mit Ei- nem verſchont mich, mit Euern laͤndlichen, ſchaͤndlichen Ver- gnuͤgungen und mit Euern haͤuslichen, ſcheuslichen Freuden! A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/380
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/380>, abgerufen am 24.11.2024.