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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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verschiedensten Wendungen und Reverenzen das leichte
und grazieuse Air eines Höflings zu geben versuchte,
und durch unser Lachen gar nicht irre gemacht, mit
eben so vollkommner Ueberzeugung als Jovialität ver-
sicherte, daß N. M. R., wenn er wolle, jede Rolle
spielen, und mit der Hülfe von 6 -- 8 extra Glä-
sern Wein, bei Hofe eine eben so gute Figur ma-
chen könne als irgend einer.

Von einem ganz verschiedenartigen Interesse war
mir eine Bekanntschaft, die ich am andern Tage
machte, nämlich die des Generals Mina. Du hast ge-
wiß mehrere Portraits desselben gesehen, die ihn alle
mit einem großen Schnurbart und wilden Zügen,
gleich einem furchtbaren Räuberhauptmanne, darstel-
len. Denke Dir also meine Verwunderung, als ich
in dem Helden Spaniens nur einen sanften, einfachen,
im höchsten Grade bescheidnen Mann fand, der sogar
nicht das Geringste von dem, was man eine mili-
tairische Tournure nennt, an sich hatte, im Gegen-
theil eher einem Landpächter oder Schulmanne glich,
mit einem offnen freundlichen Gesicht, und bei jeder
Lobeserhebung, die man ihm machte, erröthend wie
ein Mädchen; doch fand ich nachher, als er sich im
Gespräch animirte, allerdings eine Veränderung der
Züge und ein dunkles Blitzen der Augen, das wohl
verrieth, welches Geistes Kind er eigentlich sey. Er
sieht im Ganzen noch sehr gut conservirt und kaum
wie ein Vierziger aus, obgleich sein kurzes Haar ganz
weiß ist, was ihn aber keineswegs alt macht, son-
dern nur das Ansehen giebt, als sey er gepudert.

verſchiedenſten Wendungen und Reverenzen das leichte
und grazieuſe Air eines Höflings zu geben verſuchte,
und durch unſer Lachen gar nicht irre gemacht, mit
eben ſo vollkommner Ueberzeugung als Jovialität ver-
ſicherte, daß N. M. R., wenn er wolle, jede Rolle
ſpielen, und mit der Hülfe von 6 — 8 extra Glä-
ſern Wein, bei Hofe eine eben ſo gute Figur ma-
chen könne als irgend einer.

Von einem ganz verſchiedenartigen Intereſſe war
mir eine Bekanntſchaft, die ich am andern Tage
machte, nämlich die des Generals Mina. Du haſt ge-
wiß mehrere Portraits deſſelben geſehen, die ihn alle
mit einem großen Schnurbart und wilden Zügen,
gleich einem furchtbaren Räuberhauptmanne, darſtel-
len. Denke Dir alſo meine Verwunderung, als ich
in dem Helden Spaniens nur einen ſanften, einfachen,
im höchſten Grade beſcheidnen Mann fand, der ſogar
nicht das Geringſte von dem, was man eine mili-
tairiſche Tournure nennt, an ſich hatte, im Gegen-
theil eher einem Landpächter oder Schulmanne glich,
mit einem offnen freundlichen Geſicht, und bei jeder
Lobeserhebung, die man ihm machte, erröthend wie
ein Mädchen; doch fand ich nachher, als er ſich im
Geſpräch animirte, allerdings eine Veränderung der
Züge und ein dunkles Blitzen der Augen, das wohl
verrieth, welches Geiſtes Kind er eigentlich ſey. Er
ſieht im Ganzen noch ſehr gut conſervirt und kaum
wie ein Vierziger aus, obgleich ſein kurzes Haar ganz
weiß iſt, was ihn aber keineswegs alt macht, ſon-
dern nur das Anſehen giebt, als ſey er gepudert.

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[333/0351] verſchiedenſten Wendungen und Reverenzen das leichte und grazieuſe Air eines Höflings zu geben verſuchte, und durch unſer Lachen gar nicht irre gemacht, mit eben ſo vollkommner Ueberzeugung als Jovialität ver- ſicherte, daß N. M. R., wenn er wolle, jede Rolle ſpielen, und mit der Hülfe von 6 — 8 extra Glä- ſern Wein, bei Hofe eine eben ſo gute Figur ma- chen könne als irgend einer. Von einem ganz verſchiedenartigen Intereſſe war mir eine Bekanntſchaft, die ich am andern Tage machte, nämlich die des Generals Mina. Du haſt ge- wiß mehrere Portraits deſſelben geſehen, die ihn alle mit einem großen Schnurbart und wilden Zügen, gleich einem furchtbaren Räuberhauptmanne, darſtel- len. Denke Dir alſo meine Verwunderung, als ich in dem Helden Spaniens nur einen ſanften, einfachen, im höchſten Grade beſcheidnen Mann fand, der ſogar nicht das Geringſte von dem, was man eine mili- tairiſche Tournure nennt, an ſich hatte, im Gegen- theil eher einem Landpächter oder Schulmanne glich, mit einem offnen freundlichen Geſicht, und bei jeder Lobeserhebung, die man ihm machte, erröthend wie ein Mädchen; doch fand ich nachher, als er ſich im Geſpräch animirte, allerdings eine Veränderung der Züge und ein dunkles Blitzen der Augen, das wohl verrieth, welches Geiſtes Kind er eigentlich ſey. Er ſieht im Ganzen noch ſehr gut conſervirt und kaum wie ein Vierziger aus, obgleich ſein kurzes Haar ganz weiß iſt, was ihn aber keineswegs alt macht, ſon- dern nur das Anſehen giebt, als ſey er gepudert.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/351>, abgerufen am 27.11.2024.