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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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ternden Jackson anzukündigen, daß die Bande gefan-
gen sey, aber, fügt er, die Gruppe vor sich betrach-
tend, lächelnd hinzu: "Ich mache Ihnen mein Com-
pliment, daß Sie, wie ich sehe, Ihre Zeit auf eine so
gute Art anzuwenden gewußt haben."



Einen recht wunderlichen Ort habe ich heute früh
besucht, eine Kirche, der Areopag genannt, wo ein
Geistlicher, the Reverent Mr. Taylor, gegen das
Christenthum predigt, und Jedem erlaubt, öffentlich
zu opponiren. Er hat von den englisch-christlichen
Kirchen nur das beibehalten, daß man auch hier für
seinen Platz einen Schilling bezahlen muß. Hr. Tay-
lor ist gelehrt, und kein übler Redner, aber ein eben
so leidenschaftlicher Schwärmer für die Zerstörung der
christlichen Religion, als es so viele Andere für ihre
Begründung gegeben hat. Er sagte außerordentlich
starke, zuweilen wahre, oft schiefe, manchmal witzige
und auch ganz unanständige Dinge. Der Saal war
übrigens gedrängt voll von Zuhörern aus allen Stän-
den. Hier, wo die Nation auf einer so geringen
Stufe religieuser Bildung steht, begreift man wohl,
daß ein solcher negativer Apostel viel Zulauf haben
kann. Bei uns, wo man auf dem vernunstgemäßen
Wege allmähliger Reform schon weit fortgeschritten
ist, würde ein Unternehmen dieser Art die Einen
mit heiligem Abscheu erfüllen, den Andern nicht

ternden Jackſon anzukündigen, daß die Bande gefan-
gen ſey, aber, fügt er, die Gruppe vor ſich betrach-
tend, lächelnd hinzu: „Ich mache Ihnen mein Com-
pliment, daß Sie, wie ich ſehe, Ihre Zeit auf eine ſo
gute Art anzuwenden gewußt haben.“



Einen recht wunderlichen Ort habe ich heute früh
beſucht, eine Kirche, der Areopag genannt, wo ein
Geiſtlicher, the Reverent Mr. Taylor, gegen das
Chriſtenthum predigt, und Jedem erlaubt, öffentlich
zu opponiren. Er hat von den engliſch-chriſtlichen
Kirchen nur das beibehalten, daß man auch hier für
ſeinen Platz einen Schilling bezahlen muß. Hr. Tay-
lor iſt gelehrt, und kein übler Redner, aber ein eben
ſo leidenſchaftlicher Schwärmer für die Zerſtörung der
chriſtlichen Religion, als es ſo viele Andere für ihre
Begründung gegeben hat. Er ſagte außerordentlich
ſtarke, zuweilen wahre, oft ſchiefe, manchmal witzige
und auch ganz unanſtändige Dinge. Der Saal war
übrigens gedrängt voll von Zuhörern aus allen Stän-
den. Hier, wo die Nation auf einer ſo geringen
Stufe religieuſer Bildung ſteht, begreift man wohl,
daß ein ſolcher negativer Apoſtel viel Zulauf haben
kann. Bei uns, wo man auf dem vernunſtgemäßen
Wege allmähliger Reform ſchon weit fortgeſchritten
iſt, würde ein Unternehmen dieſer Art die Einen
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[15/0031] ternden Jackſon anzukündigen, daß die Bande gefan- gen ſey, aber, fügt er, die Gruppe vor ſich betrach- tend, lächelnd hinzu: „Ich mache Ihnen mein Com- pliment, daß Sie, wie ich ſehe, Ihre Zeit auf eine ſo gute Art anzuwenden gewußt haben.“ Den 26ſten. Einen recht wunderlichen Ort habe ich heute früh beſucht, eine Kirche, der Areopag genannt, wo ein Geiſtlicher, the Reverent Mr. Taylor, gegen das Chriſtenthum predigt, und Jedem erlaubt, öffentlich zu opponiren. Er hat von den engliſch-chriſtlichen Kirchen nur das beibehalten, daß man auch hier für ſeinen Platz einen Schilling bezahlen muß. Hr. Tay- lor iſt gelehrt, und kein übler Redner, aber ein eben ſo leidenſchaftlicher Schwärmer für die Zerſtörung der chriſtlichen Religion, als es ſo viele Andere für ihre Begründung gegeben hat. Er ſagte außerordentlich ſtarke, zuweilen wahre, oft ſchiefe, manchmal witzige und auch ganz unanſtändige Dinge. Der Saal war übrigens gedrängt voll von Zuhörern aus allen Stän- den. Hier, wo die Nation auf einer ſo geringen Stufe religieuſer Bildung ſteht, begreift man wohl, daß ein ſolcher negativer Apoſtel viel Zulauf haben kann. Bei uns, wo man auf dem vernunſtgemäßen Wege allmähliger Reform ſchon weit fortgeſchritten iſt, würde ein Unternehmen dieſer Art die Einen mit heiligem Abſcheu erfüllen, den Andern nicht

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/31>, abgerufen am 29.03.2024.