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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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bei der Gurgel, und zwingt sie die Tasse selbst aus-
zutrinken, welches diese, obgleich in großer Verwun-
derung über die seltsamen Sitten der Engländer,
sich doch zuletzt ganz gern gefallen läßt. Das stumme
Spiel Listons dabei und wie er, seines Versprechens
sich plötzlich erinnernd, nachher, krampfhaft lachend,
bloßen Spaß daraus machen will, ist höchst drollig.
Endlich kömmt 10 Uhr heran, und nach vielen bur-
lesken Zwischenscenen legt Herr Jackson sich, mit
Degen und Pistolen, und in seinen Sammthosen ins
Bett, dessen Vorhänge er dicht zuzieht. Unglücklicher-
weise hat die Tochter vom Hause eine Liebschaft,
und bevor noch der Fremde das Logis bezogen, ih-
rem Liebhaber bereits in demselben Zimmer ein Ren-
dezvous gegeben. Um die Entdeckung zu vermeiden,
kömmt sie jetzt leise hereingeschlichen, löscht das Licht
behutsam aus, und geht ans Fenster, in welches ihr
Amant schon hereinsteigt. So wie dieser in die Mitte
des Zimmers springt und zu sprechen anfängt, hört
man seltsame Angsttöne im Bette, und eine Pistole fällt
mit Geprassel heraus, bald nachher die andere,
der Vorhang thut sich auf, Liston versucht einen
schwachen Stoß mit dem Degen, der aber seiner zit-
ternden Hand ebenfalls entfällt, worauf er sich eben-
falls herausstürzt und in seinem abentheuerlichen
Costüme vor dem eben so erschrockenen Mädchen auf
die Kniee fällt, und herzbrechend um sein Leben fleht,
während sich der Liebhaber schleunig hinter dem
Bette versteckt. Da öffnen sich die Thüren, und der
Polizeiminister tritt mit Fackeln ein, um dem zit-

bei der Gurgel, und zwingt ſie die Taſſe ſelbſt aus-
zutrinken, welches dieſe, obgleich in großer Verwun-
derung über die ſeltſamen Sitten der Engländer,
ſich doch zuletzt ganz gern gefallen läßt. Das ſtumme
Spiel Liſtons dabei und wie er, ſeines Verſprechens
ſich plötzlich erinnernd, nachher, krampfhaft lachend,
bloßen Spaß daraus machen will, iſt höchſt drollig.
Endlich kömmt 10 Uhr heran, und nach vielen bur-
lesken Zwiſchenſcenen legt Herr Jackſon ſich, mit
Degen und Piſtolen, und in ſeinen Sammthoſen ins
Bett, deſſen Vorhänge er dicht zuzieht. Unglücklicher-
weiſe hat die Tochter vom Hauſe eine Liebſchaft,
und bevor noch der Fremde das Logis bezogen, ih-
rem Liebhaber bereits in demſelben Zimmer ein Ren-
dezvous gegeben. Um die Entdeckung zu vermeiden,
kömmt ſie jetzt leiſe hereingeſchlichen, löſcht das Licht
behutſam aus, und geht ans Fenſter, in welches ihr
Amant ſchon hereinſteigt. So wie dieſer in die Mitte
des Zimmers ſpringt und zu ſprechen anfängt, hört
man ſeltſame Angſttöne im Bette, und eine Piſtole fällt
mit Gepraſſel heraus, bald nachher die andere,
der Vorhang thut ſich auf, Liſton verſucht einen
ſchwachen Stoß mit dem Degen, der aber ſeiner zit-
ternden Hand ebenfalls entfällt, worauf er ſich eben-
falls herausſtürzt und in ſeinem abentheuerlichen
Coſtüme vor dem eben ſo erſchrockenen Mädchen auf
die Kniee fällt, und herzbrechend um ſein Leben fleht,
während ſich der Liebhaber ſchleunig hinter dem
Bette verſteckt. Da öffnen ſich die Thüren, und der
Polizeiminiſter tritt mit Fackeln ein, um dem zit-

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[14/0030] bei der Gurgel, und zwingt ſie die Taſſe ſelbſt aus- zutrinken, welches dieſe, obgleich in großer Verwun- derung über die ſeltſamen Sitten der Engländer, ſich doch zuletzt ganz gern gefallen läßt. Das ſtumme Spiel Liſtons dabei und wie er, ſeines Verſprechens ſich plötzlich erinnernd, nachher, krampfhaft lachend, bloßen Spaß daraus machen will, iſt höchſt drollig. Endlich kömmt 10 Uhr heran, und nach vielen bur- lesken Zwiſchenſcenen legt Herr Jackſon ſich, mit Degen und Piſtolen, und in ſeinen Sammthoſen ins Bett, deſſen Vorhänge er dicht zuzieht. Unglücklicher- weiſe hat die Tochter vom Hauſe eine Liebſchaft, und bevor noch der Fremde das Logis bezogen, ih- rem Liebhaber bereits in demſelben Zimmer ein Ren- dezvous gegeben. Um die Entdeckung zu vermeiden, kömmt ſie jetzt leiſe hereingeſchlichen, löſcht das Licht behutſam aus, und geht ans Fenſter, in welches ihr Amant ſchon hereinſteigt. So wie dieſer in die Mitte des Zimmers ſpringt und zu ſprechen anfängt, hört man ſeltſame Angſttöne im Bette, und eine Piſtole fällt mit Gepraſſel heraus, bald nachher die andere, der Vorhang thut ſich auf, Liſton verſucht einen ſchwachen Stoß mit dem Degen, der aber ſeiner zit- ternden Hand ebenfalls entfällt, worauf er ſich eben- falls herausſtürzt und in ſeinem abentheuerlichen Coſtüme vor dem eben ſo erſchrockenen Mädchen auf die Kniee fällt, und herzbrechend um ſein Leben fleht, während ſich der Liebhaber ſchleunig hinter dem Bette verſteckt. Da öffnen ſich die Thüren, und der Polizeiminiſter tritt mit Fackeln ein, um dem zit-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/30>, abgerufen am 25.04.2024.