Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

deln sollen, und nach wenig Ceremonien siehst Du
sie in Deinem Dienste etablirt. Der Geist geht in
Dampf auf, aber er verflüchtigt sich nicht. Er bleibt
mit göttlicher und menschlicher Bewilligung Dein le-
gitimer Sklav. Dies sind die Wunder unsrer Zeit,
die wohl die alten heidnischen und selbst christlichen
aufwiegen.

Ich brachte den Abend bei der braunen Dame,
Lady C. B. zu, die eben wieder einen neuen Ro-
man "Flirtation" (Liebeley) beendigt hat. Ich sprach
sehr freisinnig mit ihr darüber, denn sie ist eine ge-
scheidte und gute Frau, und das Resultat war ein
für mich unerwartetes, nämlich sie drang in mich,
selbst ein Buch zu schreiben, und versprach es nach-
her zu übersetzen. Dieu m'en garde! übrigens ist
zuviel vom Sceptiker in mir, um daß, wenn ich
schriebe, die sanfte, fromme, regelrechte Lady B. nur
zwei Seiten davon übersetzen könnte, ohne mein Buch
mit einer Bekreuzigung von sich zu schieben. Viel-
leicht habe ich auch hie und da ein bischen Humor,
der ihr nicht zusagen würde. Dagegen will ich sie,
wozu sie mich heute ebenfalls angelegentlich eingela-
den, mit großem Vergnügen künftigen Sommer nach
Schottland begleiten. Dies wird ein völliger Triumph-
zug seyn, da sie, als Schwester einer der mächtigsten
Großen in Schottland, und dabei von eignem lite-
rärischen Glanze strahlend, in dem Feudal-Lande,
wo wahre Gastfreandschaft noch keine Fabel ist, und
wo man statt Fashionables noch Seigneurs antrifft,
überall eine freudige Erscheinung seyn wird. Ich

deln ſollen, und nach wenig Ceremonien ſiehſt Du
ſie in Deinem Dienſte etablirt. Der Geiſt geht in
Dampf auf, aber er verflüchtigt ſich nicht. Er bleibt
mit göttlicher und menſchlicher Bewilligung Dein le-
gitimer Sklav. Dies ſind die Wunder unſrer Zeit,
die wohl die alten heidniſchen und ſelbſt chriſtlichen
aufwiegen.

Ich brachte den Abend bei der braunen Dame,
Lady C. B. zu, die eben wieder einen neuen Ro-
man „Flirtation“ (Liebeley) beendigt hat. Ich ſprach
ſehr freiſinnig mit ihr darüber, denn ſie iſt eine ge-
ſcheidte und gute Frau, und das Reſultat war ein
für mich unerwartetes, nämlich ſie drang in mich,
ſelbſt ein Buch zu ſchreiben, und verſprach es nach-
her zu überſetzen. Dieu m’en garde! übrigens iſt
zuviel vom Sceptiker in mir, um daß, wenn ich
ſchriebe, die ſanfte, fromme, regelrechte Lady B. nur
zwei Seiten davon überſetzen könnte, ohne mein Buch
mit einer Bekreuzigung von ſich zu ſchieben. Viel-
leicht habe ich auch hie und da ein bischen Humor,
der ihr nicht zuſagen würde. Dagegen will ich ſie,
wozu ſie mich heute ebenfalls angelegentlich eingela-
den, mit großem Vergnügen künftigen Sommer nach
Schottland begleiten. Dies wird ein völliger Triumph-
zug ſeyn, da ſie, als Schweſter einer der mächtigſten
Großen in Schottland, und dabei von eignem lite-
räriſchen Glanze ſtrahlend, in dem Feudal-Lande,
wo wahre Gaſtfreandſchaft noch keine Fabel iſt, und
wo man ſtatt Faſhionables noch Seigneurs antrifft,
überall eine freudige Erſcheinung ſeyn wird. Ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="253"/>
deln &#x017F;ollen, und nach wenig Ceremonien &#x017F;ieh&#x017F;t Du<lb/>
&#x017F;ie in Deinem Dien&#x017F;te etablirt. Der Gei&#x017F;t geht in<lb/>
Dampf auf, aber er verflüchtigt &#x017F;ich nicht. Er bleibt<lb/>
mit göttlicher und men&#x017F;chlicher Bewilligung Dein le-<lb/>
gitimer Sklav. Dies &#x017F;ind die Wunder <hi rendition="#g">un&#x017F;rer</hi> Zeit,<lb/>
die wohl die alten heidni&#x017F;chen und &#x017F;elb&#x017F;t chri&#x017F;tlichen<lb/>
aufwiegen.</p><lb/>
          <p>Ich brachte den Abend bei der braunen Dame,<lb/>
Lady C. B. zu, die eben wieder einen neuen Ro-<lb/>
man <hi rendition="#aq">&#x201E;Flirtation&#x201C;</hi> (Liebeley) beendigt hat. Ich &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ehr frei&#x017F;innig mit ihr darüber, denn &#x017F;ie i&#x017F;t eine ge-<lb/>
&#x017F;cheidte und gute Frau, und das Re&#x017F;ultat war ein<lb/>
für mich unerwartetes, nämlich &#x017F;ie drang in mich,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein Buch zu &#x017F;chreiben, und ver&#x017F;prach es nach-<lb/>
her zu über&#x017F;etzen. <hi rendition="#aq">Dieu m&#x2019;en garde!</hi> übrigens i&#x017F;t<lb/>
zuviel vom Sceptiker in mir, um daß, wenn ich<lb/>
&#x017F;chriebe, die &#x017F;anfte, fromme, regelrechte Lady B. nur<lb/>
zwei Seiten davon über&#x017F;etzen könnte, ohne mein Buch<lb/>
mit einer Bekreuzigung von &#x017F;ich zu &#x017F;chieben. Viel-<lb/>
leicht habe ich auch hie und da ein bischen Humor,<lb/>
der ihr nicht zu&#x017F;agen würde. Dagegen will ich &#x017F;ie,<lb/>
wozu &#x017F;ie mich heute ebenfalls angelegentlich eingela-<lb/>
den, mit großem Vergnügen künftigen Sommer nach<lb/>
Schottland begleiten. Dies wird ein völliger Triumph-<lb/>
zug &#x017F;eyn, da &#x017F;ie, als Schwe&#x017F;ter einer der mächtig&#x017F;ten<lb/>
Großen in Schottland, und dabei von eignem lite-<lb/>
räri&#x017F;chen Glanze &#x017F;trahlend, in dem Feudal-Lande,<lb/>
wo wahre Ga&#x017F;tfreand&#x017F;chaft noch keine Fabel i&#x017F;t, und<lb/>
wo man &#x017F;tatt Fa&#x017F;hionables noch Seigneurs antrifft,<lb/>
überall eine freudige Er&#x017F;cheinung &#x017F;eyn wird. Ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0269] deln ſollen, und nach wenig Ceremonien ſiehſt Du ſie in Deinem Dienſte etablirt. Der Geiſt geht in Dampf auf, aber er verflüchtigt ſich nicht. Er bleibt mit göttlicher und menſchlicher Bewilligung Dein le- gitimer Sklav. Dies ſind die Wunder unſrer Zeit, die wohl die alten heidniſchen und ſelbſt chriſtlichen aufwiegen. Ich brachte den Abend bei der braunen Dame, Lady C. B. zu, die eben wieder einen neuen Ro- man „Flirtation“ (Liebeley) beendigt hat. Ich ſprach ſehr freiſinnig mit ihr darüber, denn ſie iſt eine ge- ſcheidte und gute Frau, und das Reſultat war ein für mich unerwartetes, nämlich ſie drang in mich, ſelbſt ein Buch zu ſchreiben, und verſprach es nach- her zu überſetzen. Dieu m’en garde! übrigens iſt zuviel vom Sceptiker in mir, um daß, wenn ich ſchriebe, die ſanfte, fromme, regelrechte Lady B. nur zwei Seiten davon überſetzen könnte, ohne mein Buch mit einer Bekreuzigung von ſich zu ſchieben. Viel- leicht habe ich auch hie und da ein bischen Humor, der ihr nicht zuſagen würde. Dagegen will ich ſie, wozu ſie mich heute ebenfalls angelegentlich eingela- den, mit großem Vergnügen künftigen Sommer nach Schottland begleiten. Dies wird ein völliger Triumph- zug ſeyn, da ſie, als Schweſter einer der mächtigſten Großen in Schottland, und dabei von eignem lite- räriſchen Glanze ſtrahlend, in dem Feudal-Lande, wo wahre Gaſtfreandſchaft noch keine Fabel iſt, und wo man ſtatt Faſhionables noch Seigneurs antrifft, überall eine freudige Erſcheinung ſeyn wird. Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/269
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/269>, abgerufen am 24.11.2024.