Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Ihre lange, himmelblaue Zunge gebraucht sie wie
einen Rüssel, und nahm damit unter andern meinen
Regenschirm weg, der ihr so gefiel, daß sie ihn gar
nicht wieder herausgeben wollte. Ihr Gang war
noch ein wenig ungeschickt, da sie sich auf dem Schiff
verlegen hatte, sie soll aber im ganz gesunden Zu-
stande sehr rasch seyn, wie die Afrikaner versicherten.
Aus Furcht vor dem König trieb uns Lord H .... zur
Eile, und nachdem wir nur durch einen kleinen dichtver-
pflanzten Theil des pleasure grounds der Cottage ge-
fahren waren, und diese selbst blos von weitem er-
blickt, dirigirten wir uns nach Virginiawater, dem
Lieblingsaufenthalte Sr. Majestät, wo er auf einem
zwar künstlichen, aber sehr natürlich aussehenden,
großen See täglich zu fischen pflegt. Ich war nicht
wenig verwundert, hier die ganze Gegend plötzlich
einen ganz andern Charakter annehmen zu sehen, der
in England sehr selten vorkömmt, nämlich den des
eigenen Vaterlandes. Kiefern und Fichtenwald, mit
Eichen und Erlen gemischt, und darunter unser Hai-
dekraut und auch unser Sand, auf dem die Pflan-
zungen dieses Frühjahrs sämmtlich vertrocknet waren.
Ueber das Pflanzen auf Sand hätte ich den königli-
chen Gärtnern guten Rath geben können, denn ich
überzeugte mich, daß sie die Behandlung solchen Bo-
dens gar nicht verstehen. Auf dem See schaukelte
sich eine Fregatte, und an seinen Ufern waren viele
angenehme Spielereien, chinesische und amerikanische
Häuser etc. mit Geschmack und ohne Ueberladung an-
gebracht. Die Eile, mit der uns der Lord trieb, ließ
uns Alles nur flüchtig und größtentheils nur in der

Ihre lange, himmelblaue Zunge gebraucht ſie wie
einen Rüſſel, und nahm damit unter andern meinen
Regenſchirm weg, der ihr ſo gefiel, daß ſie ihn gar
nicht wieder herausgeben wollte. Ihr Gang war
noch ein wenig ungeſchickt, da ſie ſich auf dem Schiff
verlegen hatte, ſie ſoll aber im ganz geſunden Zu-
ſtande ſehr raſch ſeyn, wie die Afrikaner verſicherten.
Aus Furcht vor dem König trieb uns Lord H .... zur
Eile, und nachdem wir nur durch einen kleinen dichtver-
pflanzten Theil des pleasure grounds der Cottage ge-
fahren waren, und dieſe ſelbſt blos von weitem er-
blickt, dirigirten wir uns nach Virginiawater, dem
Lieblingsaufenthalte Sr. Majeſtät, wo er auf einem
zwar künſtlichen, aber ſehr natürlich ausſehenden,
großen See täglich zu fiſchen pflegt. Ich war nicht
wenig verwundert, hier die ganze Gegend plötzlich
einen ganz andern Charakter annehmen zu ſehen, der
in England ſehr ſelten vorkömmt, nämlich den des
eigenen Vaterlandes. Kiefern und Fichtenwald, mit
Eichen und Erlen gemiſcht, und darunter unſer Hai-
dekraut und auch unſer Sand, auf dem die Pflan-
zungen dieſes Frühjahrs ſämmtlich vertrocknet waren.
Ueber das Pflanzen auf Sand hätte ich den königli-
chen Gärtnern guten Rath geben können, denn ich
überzeugte mich, daß ſie die Behandlung ſolchen Bo-
dens gar nicht verſtehen. Auf dem See ſchaukelte
ſich eine Fregatte, und an ſeinen Ufern waren viele
angenehme Spielereien, chineſiſche und amerikaniſche
Häuſer ꝛc. mit Geſchmack und ohne Ueberladung an-
gebracht. Die Eile, mit der uns der Lord trieb, ließ
uns Alles nur flüchtig und größtentheils nur in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="150"/>
Ihre lange, himmelblaue Zunge gebraucht &#x017F;ie wie<lb/>
einen Rü&#x017F;&#x017F;el, und nahm damit unter andern meinen<lb/>
Regen&#x017F;chirm weg, der ihr &#x017F;o gefiel, daß &#x017F;ie ihn gar<lb/>
nicht wieder herausgeben wollte. Ihr Gang war<lb/>
noch ein wenig unge&#x017F;chickt, da &#x017F;ie &#x017F;ich auf dem Schiff<lb/>
verlegen hatte, &#x017F;ie &#x017F;oll aber im ganz ge&#x017F;unden Zu-<lb/>
&#x017F;tande &#x017F;ehr ra&#x017F;ch &#x017F;eyn, wie die Afrikaner ver&#x017F;icherten.<lb/>
Aus Furcht vor dem König trieb uns Lord H .... zur<lb/>
Eile, und nachdem wir nur durch einen kleinen dichtver-<lb/>
pflanzten Theil des <hi rendition="#aq">pleasure grounds</hi> der Cottage ge-<lb/>
fahren waren, und die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t blos von weitem er-<lb/>
blickt, dirigirten wir uns nach Virginiawater, dem<lb/>
Lieblingsaufenthalte Sr. Maje&#x017F;tät, wo er auf einem<lb/>
zwar kün&#x017F;tlichen, aber &#x017F;ehr natürlich aus&#x017F;ehenden,<lb/>
großen See täglich zu fi&#x017F;chen pflegt. Ich war nicht<lb/>
wenig verwundert, hier die ganze Gegend plötzlich<lb/>
einen ganz andern Charakter annehmen zu &#x017F;ehen, der<lb/>
in England &#x017F;ehr &#x017F;elten vorkömmt, nämlich den des<lb/>
eigenen Vaterlandes. Kiefern und Fichtenwald, mit<lb/>
Eichen und Erlen gemi&#x017F;cht, und darunter un&#x017F;er Hai-<lb/>
dekraut und auch un&#x017F;er Sand, auf dem die Pflan-<lb/>
zungen die&#x017F;es Frühjahrs &#x017F;ämmtlich vertrocknet waren.<lb/>
Ueber das Pflanzen auf Sand hätte ich den königli-<lb/>
chen Gärtnern guten Rath geben können, denn ich<lb/>
überzeugte mich, daß &#x017F;ie die Behandlung &#x017F;olchen Bo-<lb/>
dens gar nicht ver&#x017F;tehen. Auf dem See &#x017F;chaukelte<lb/>
&#x017F;ich eine Fregatte, und an &#x017F;einen Ufern waren viele<lb/>
angenehme Spielereien, chine&#x017F;i&#x017F;che und amerikani&#x017F;che<lb/>
Häu&#x017F;er &#xA75B;c. mit Ge&#x017F;chmack und ohne Ueberladung an-<lb/>
gebracht. Die Eile, mit der uns der Lord trieb, ließ<lb/>
uns Alles nur flüchtig und größtentheils nur in der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0166] Ihre lange, himmelblaue Zunge gebraucht ſie wie einen Rüſſel, und nahm damit unter andern meinen Regenſchirm weg, der ihr ſo gefiel, daß ſie ihn gar nicht wieder herausgeben wollte. Ihr Gang war noch ein wenig ungeſchickt, da ſie ſich auf dem Schiff verlegen hatte, ſie ſoll aber im ganz geſunden Zu- ſtande ſehr raſch ſeyn, wie die Afrikaner verſicherten. Aus Furcht vor dem König trieb uns Lord H .... zur Eile, und nachdem wir nur durch einen kleinen dichtver- pflanzten Theil des pleasure grounds der Cottage ge- fahren waren, und dieſe ſelbſt blos von weitem er- blickt, dirigirten wir uns nach Virginiawater, dem Lieblingsaufenthalte Sr. Majeſtät, wo er auf einem zwar künſtlichen, aber ſehr natürlich ausſehenden, großen See täglich zu fiſchen pflegt. Ich war nicht wenig verwundert, hier die ganze Gegend plötzlich einen ganz andern Charakter annehmen zu ſehen, der in England ſehr ſelten vorkömmt, nämlich den des eigenen Vaterlandes. Kiefern und Fichtenwald, mit Eichen und Erlen gemiſcht, und darunter unſer Hai- dekraut und auch unſer Sand, auf dem die Pflan- zungen dieſes Frühjahrs ſämmtlich vertrocknet waren. Ueber das Pflanzen auf Sand hätte ich den königli- chen Gärtnern guten Rath geben können, denn ich überzeugte mich, daß ſie die Behandlung ſolchen Bo- dens gar nicht verſtehen. Auf dem See ſchaukelte ſich eine Fregatte, und an ſeinen Ufern waren viele angenehme Spielereien, chineſiſche und amerikaniſche Häuſer ꝛc. mit Geſchmack und ohne Ueberladung an- gebracht. Die Eile, mit der uns der Lord trieb, ließ uns Alles nur flüchtig und größtentheils nur in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/166
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/166>, abgerufen am 27.11.2024.