Kraft. Die Scene ist einer wahren Begebenheit treu nachgebildet, die sich 1792 zutrug.
Wir bleiben noch in den fernen Welttheilen, gehen aber zugleich in ferne Zeiten zurück.
Eine wunderherrliche silberne Mondnacht glänzt und glittert über Alexandriens Meerbusen. Die Pracht ägyptischer Denkmäler und Tempel zieht sich am Seegestade in vielfacher Erleuchtung hin, und unter einer Halle von edler Architektur im Vorgrunde, besteigt Cleopatra, von allem Luxus Astens umgeben, die goldne Barke, ihrem Antonius entgegen zu eilen. Die schönsten Mädchen und Knaben streuen Blumen unter ihre Füße, und ein Chor weißbärtiger Greise in Purpur gekleidet, spielt, auf einem Felsen am Meeresstrande sitzend, auf goldnen Harfen das Ab- schiedslied.
Hast Du noch nicht genug, gute Julie? Nun wohlan, so sieh noch den gereisten Affen, der als Erclusiv gekleidet zu seinen Brüdern und Schwe- stern in die Einsamkeit der Wälder zurückkehrt. Alles umgibt ihn staunend, hier zupft einer an der Uhrkette, dort ein anderer am gesteiften Halstuch. Zuletzt gibt ihm, eifersüchtig auf solche Pracht, Cocotte eine Ohrfeige, die das Signal zum allgemeinen Ausplündern wird -- und, geht das nur noch eine Minute so fort, so steht Balzer bald in naturalibus da, wie meine antiken Statuen, die Dich so sehr scandalisiren.
Hiermit beschließe ich die Kunstausstellung. Gute Julie, gestehe, wenn Du selbst Redacteur des Mor-
Kraft. Die Scene iſt einer wahren Begebenheit treu nachgebildet, die ſich 1792 zutrug.
Wir bleiben noch in den fernen Welttheilen, gehen aber zugleich in ferne Zeiten zurück.
Eine wunderherrliche ſilberne Mondnacht glänzt und glittert über Alexandriens Meerbuſen. Die Pracht ägyptiſcher Denkmäler und Tempel zieht ſich am Seegeſtade in vielfacher Erleuchtung hin, und unter einer Halle von edler Architektur im Vorgrunde, beſteigt Cleopatra, von allem Luxus Aſtens umgeben, die goldne Barke, ihrem Antonius entgegen zu eilen. Die ſchönſten Mädchen und Knaben ſtreuen Blumen unter ihre Füße, und ein Chor weißbärtiger Greiſe in Purpur gekleidet, ſpielt, auf einem Felſen am Meeresſtrande ſitzend, auf goldnen Harfen das Ab- ſchiedslied.
Haſt Du noch nicht genug, gute Julie? Nun wohlan, ſo ſieh noch den gereiſten Affen, der als Ercluſiv gekleidet zu ſeinen Brüdern und Schwe- ſtern in die Einſamkeit der Wälder zurückkehrt. Alles umgibt ihn ſtaunend, hier zupft einer an der Uhrkette, dort ein anderer am geſteiften Halstuch. Zuletzt gibt ihm, eiferſüchtig auf ſolche Pracht, Cocotte eine Ohrfeige, die das Signal zum allgemeinen Ausplündern wird — und, geht das nur noch eine Minute ſo fort, ſo ſteht Balzer bald in naturalibus da, wie meine antiken Statuen, die Dich ſo ſehr ſcandaliſiren.
Hiermit beſchließe ich die Kunſtausſtellung. Gute Julie, geſtehe, wenn Du ſelbſt Redacteur des Mor-
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Kraft. Die Scene iſt einer wahren Begebenheit treu
nachgebildet, die ſich 1792 zutrug.
Wir bleiben noch in den fernen Welttheilen, gehen
aber zugleich in ferne Zeiten zurück.
Eine wunderherrliche ſilberne Mondnacht glänzt
und glittert über Alexandriens Meerbuſen. Die Pracht
ägyptiſcher Denkmäler und Tempel zieht ſich am
Seegeſtade in vielfacher Erleuchtung hin, und unter
einer Halle von edler Architektur im Vorgrunde, beſteigt
Cleopatra, von allem Luxus Aſtens umgeben, die
goldne Barke, ihrem Antonius entgegen zu eilen.
Die ſchönſten Mädchen und Knaben ſtreuen Blumen
unter ihre Füße, und ein Chor weißbärtiger Greiſe
in Purpur gekleidet, ſpielt, auf einem Felſen am
Meeresſtrande ſitzend, auf goldnen Harfen das Ab-
ſchiedslied.
Haſt Du noch nicht genug, gute Julie? Nun
wohlan, ſo ſieh noch den gereiſten Affen, der
als Ercluſiv gekleidet zu ſeinen Brüdern und Schwe-
ſtern in die Einſamkeit der Wälder zurückkehrt. Alles
umgibt ihn ſtaunend, hier zupft einer an der Uhrkette, dort
ein anderer am geſteiften Halstuch. Zuletzt gibt ihm,
eiferſüchtig auf ſolche Pracht, Cocotte eine Ohrfeige,
die das Signal zum allgemeinen Ausplündern wird —
und, geht das nur noch eine Minute ſo fort, ſo ſteht
Balzer bald in naturalibus da, wie meine antiken
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Hiermit beſchließe ich die Kunſtausſtellung. Gute
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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