lich, denn das alte Pflaster ist in diesen herausgeris- sen worden, und durch Granitstückchen, mit Kies ausgefüllt, ersetzt, die zwar ein sanfteres Fahren ge- währen und den Lärm dämpfen, im Winter aber auch die Stadt in einen halben Sumpf verwandeln. Ohne die vortrefflichen Trottoirs müßte man, wie in den Landes bei Bordeaux, auf Stelzen gehen. Auch tragen die gemeinen Engländerinnen etwas Aehnliches von Eisen an ihren großen Füßen.
Durch die neue Regents-Straße, Portland-Place und den Regents-Park hat die Stadt indeß sehr gewonnen. Sie sieht nun erst in diesem Theile ei- ner Residenz ähnlich, nicht mehr wie sonst einer bloßen unermeßlichen Hauptstadt für shopkeepers, nach weiland Napoleons Ausdruck. Obgleich der arme Herr Nash (ein einflußreicher Architekt des Kö- nigs, von dem diese Meliorationen hauptsächlich her- rühren) so übel von manchen Kunstkennern mitge- nommen wird, und auch nicht zu läugnen ist, daß in seinen Gebäuden alle Style unter einander gewor- fen worden, und das Gemengsel oft mehr barokk als genial erscheint, so ist ihm doch meines Erachtens die Nation vielen Dank dafür schuldig, so riesenmäßige Pläne zur Verschönerung ihrer Hauptstadt gefaßt und durchgeführt zu haben. Das Meiste ist übrigens noch in petto, wird aber bei der allgemeinen Bau- wuth und dem vielen Gelde der Engländer gewiß schnell ins Leben treten. In die Details muß man freilich nicht zu streng eingehen. So ist der, Regent- street zum point de vaue dienende Thurm, der in
lich, denn das alte Pflaſter iſt in dieſen herausgeriſ- ſen worden, und durch Granitſtückchen, mit Kies ausgefüllt, erſetzt, die zwar ein ſanfteres Fahren ge- währen und den Lärm dämpfen, im Winter aber auch die Stadt in einen halben Sumpf verwandeln. Ohne die vortrefflichen Trottoirs müßte man, wie in den Landes bei Bordeaux, auf Stelzen gehen. Auch tragen die gemeinen Engländerinnen etwas Aehnliches von Eiſen an ihren großen Füßen.
Durch die neue Regents-Straße, Portland-Place und den Regents-Park hat die Stadt indeß ſehr gewonnen. Sie ſieht nun erſt in dieſem Theile ei- ner Reſidenz ähnlich, nicht mehr wie ſonſt einer bloßen unermeßlichen Hauptſtadt für shopkeepers, nach weiland Napoleons Ausdruck. Obgleich der arme Herr Naſh (ein einflußreicher Architekt des Kö- nigs, von dem dieſe Meliorationen hauptſächlich her- rühren) ſo übel von manchen Kunſtkennern mitge- nommen wird, und auch nicht zu läugnen iſt, daß in ſeinen Gebäuden alle Style unter einander gewor- fen worden, und das Gemengſel oft mehr barokk als genial erſcheint, ſo iſt ihm doch meines Erachtens die Nation vielen Dank dafür ſchuldig, ſo rieſenmäßige Pläne zur Verſchönerung ihrer Hauptſtadt gefaßt und durchgeführt zu haben. Das Meiſte iſt übrigens noch in petto, wird aber bei der allgemeinen Bau- wuth und dem vielen Gelde der Engländer gewiß ſchnell ins Leben treten. In die Details muß man freilich nicht zu ſtreng eingehen. So iſt der, Regent- ſtreet zum point de vûe dienende Thurm, der in
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lich, denn das alte Pflaſter iſt in dieſen herausgeriſ-
ſen worden, und durch Granitſtückchen, mit Kies
ausgefüllt, erſetzt, die zwar ein ſanfteres Fahren ge-
währen und den Lärm dämpfen, im Winter aber
auch die Stadt in einen halben Sumpf verwandeln.
Ohne die vortrefflichen Trottoirs müßte man, wie
in den Landes bei Bordeaux, auf Stelzen gehen.
Auch tragen die gemeinen Engländerinnen etwas
Aehnliches von Eiſen an ihren großen Füßen.
Durch die neue Regents-Straße, Portland-Place
und den Regents-Park hat die Stadt indeß ſehr
gewonnen. Sie ſieht nun erſt in dieſem Theile ei-
ner Reſidenz ähnlich, nicht mehr wie ſonſt einer
bloßen unermeßlichen Hauptſtadt für shopkeepers,
nach weiland Napoleons Ausdruck. Obgleich der
arme Herr Naſh (ein einflußreicher Architekt des Kö-
nigs, von dem dieſe Meliorationen hauptſächlich her-
rühren) ſo übel von manchen Kunſtkennern mitge-
nommen wird, und auch nicht zu läugnen iſt, daß
in ſeinen Gebäuden alle Style unter einander gewor-
fen worden, und das Gemengſel oft mehr barokk als
genial erſcheint, ſo iſt ihm doch meines Erachtens die
Nation vielen Dank dafür ſchuldig, ſo rieſenmäßige
Pläne zur Verſchönerung ihrer Hauptſtadt gefaßt
und durchgeführt zu haben. Das Meiſte iſt übrigens
noch in petto, wird aber bei der allgemeinen Bau-
wuth und dem vielen Gelde der Engländer gewiß
ſchnell ins Leben treten. In die Details muß man
freilich nicht zu ſtreng eingehen. So iſt der, Regent-
ſtreet zum point de vûe dienende Thurm, der in
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/83>, abgerufen am 24.11.2024.
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