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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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nicht wenig verwundert, als diese ihm mit einer leich-
ten Verbeugung den Rücken kehrte, und sich an den
Arm des höchst angenehm überraschten Barons hieng.
Ein nicht zu unterdrückendes Lachen von meiner Seite
beleidigte fast den guten Fürsten, der sich ein so auf-
fallendes Benehmen der Hausfrau nicht erklären konn-
te, dem ich aber, es sehr gut errathend, schnell aus
dem Traume half. Er nahm nun unbekümmert um
Rang, die hübscheste Dame aus der Gesellschaft, und ich
drängte mich an die andere Seite der Lady F., um
mir eine amusante Tischunterhaltung zu verschaf-
fen. Die Suppe war auch kaum vorüber, als ich mit
verbindlicher Miene gegen sie äußerte, wie sehr mich
ihr Takt und ihre feine Kenntniß gesellschaftlicher und
selbst fremder Verhältnisse überrascht hätten. "Ah",
erwiederte sie, "wenn man so lange Gouverneurin ge-
wesen ist, lernt man wohl die große Welt kennen."
Gewiß, fiel ich ein, besonders in Mauritius, wo man's
schwarz auf weiß hat. "Sie sehen", fuhr sie fort, in-
dem sie sich zu meinem Ohre beugte, "wir wissen recht
gut, daß a foreign Prince nicht viel sagen will, aber
dem Baron alle Ehre, die ihm gebührt." Vortreff-
lich distinguirt, rief ich aus, aber mit einem italiäni-
schen müßten Sie sich doch wieder in Acht nehmen,
denn dort heißt Barone: a rascal. "Ist es möglich",
sagte sie erschreckend, "welcher sonderbare Titel!" Ja
Madame, Titel sind auf dem Continent ein ominöses
Ding, und wären Sie ein ägyptischer Sphinx (sie
war wenigstens eben so unbeholfen) so würden Sie
diese Räthsel doch nie ergründen! "May I help You

nicht wenig verwundert, als dieſe ihm mit einer leich-
ten Verbeugung den Rücken kehrte, und ſich an den
Arm des höchſt angenehm überraſchten Barons hieng.
Ein nicht zu unterdrückendes Lachen von meiner Seite
beleidigte faſt den guten Fürſten, der ſich ein ſo auf-
fallendes Benehmen der Hausfrau nicht erklären konn-
te, dem ich aber, es ſehr gut errathend, ſchnell aus
dem Traume half. Er nahm nun unbekümmert um
Rang, die hübſcheſte Dame aus der Geſellſchaft, und ich
drängte mich an die andere Seite der Lady F., um
mir eine amuſante Tiſchunterhaltung zu verſchaf-
fen. Die Suppe war auch kaum vorüber, als ich mit
verbindlicher Miene gegen ſie äußerte, wie ſehr mich
ihr Takt und ihre feine Kenntniß geſellſchaftlicher und
ſelbſt fremder Verhältniſſe überraſcht hätten. „Ah“,
erwiederte ſie, „wenn man ſo lange Gouverneurin ge-
weſen iſt, lernt man wohl die große Welt kennen.“
Gewiß, fiel ich ein, beſonders in Mauritius, wo man’s
ſchwarz auf weiß hat. „Sie ſehen“, fuhr ſie fort, in-
dem ſie ſich zu meinem Ohre beugte, „wir wiſſen recht
gut, daß a foreign Prince nicht viel ſagen will, aber
dem Baron alle Ehre, die ihm gebührt.“ Vortreff-
lich diſtinguirt, rief ich aus, aber mit einem italiäni-
ſchen müßten Sie ſich doch wieder in Acht nehmen,
denn dort heißt Barone: a rascal. „Iſt es möglich“,
ſagte ſie erſchreckend, „welcher ſonderbare Titel!“ Ja
Madame, Titel ſind auf dem Continent ein ominöſes
Ding, und wären Sie ein ägyptiſcher Sphinx (ſie
war wenigſtens eben ſo unbeholfen) ſo würden Sie
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[358/0404] nicht wenig verwundert, als dieſe ihm mit einer leich- ten Verbeugung den Rücken kehrte, und ſich an den Arm des höchſt angenehm überraſchten Barons hieng. Ein nicht zu unterdrückendes Lachen von meiner Seite beleidigte faſt den guten Fürſten, der ſich ein ſo auf- fallendes Benehmen der Hausfrau nicht erklären konn- te, dem ich aber, es ſehr gut errathend, ſchnell aus dem Traume half. Er nahm nun unbekümmert um Rang, die hübſcheſte Dame aus der Geſellſchaft, und ich drängte mich an die andere Seite der Lady F., um mir eine amuſante Tiſchunterhaltung zu verſchaf- fen. Die Suppe war auch kaum vorüber, als ich mit verbindlicher Miene gegen ſie äußerte, wie ſehr mich ihr Takt und ihre feine Kenntniß geſellſchaftlicher und ſelbſt fremder Verhältniſſe überraſcht hätten. „Ah“, erwiederte ſie, „wenn man ſo lange Gouverneurin ge- weſen iſt, lernt man wohl die große Welt kennen.“ Gewiß, fiel ich ein, beſonders in Mauritius, wo man’s ſchwarz auf weiß hat. „Sie ſehen“, fuhr ſie fort, in- dem ſie ſich zu meinem Ohre beugte, „wir wiſſen recht gut, daß a foreign Prince nicht viel ſagen will, aber dem Baron alle Ehre, die ihm gebührt.“ Vortreff- lich diſtinguirt, rief ich aus, aber mit einem italiäni- ſchen müßten Sie ſich doch wieder in Acht nehmen, denn dort heißt Barone: a rascal. „Iſt es möglich“, ſagte ſie erſchreckend, „welcher ſonderbare Titel!“ Ja Madame, Titel ſind auf dem Continent ein ominöſes Ding, und wären Sie ein ägyptiſcher Sphinx (ſie war wenigſtens eben ſo unbeholfen) ſo würden Sie dieſe Räthſel doch nie ergründen! „May I help You

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/404>, abgerufen am 23.11.2024.