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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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treu schildert und seit zwei Monaten schon die dritte
Edition erlebt hat, dabei aber doch, bei genauerer Be-
trachtung, mehr die Antichambre als den Salon ver-
räth, Einen, wie der Abbe de Voisenou sagte: qui
a ecoute aux portes.

Wie die Engländer über Fremde gut unterrichtet
sind, beweist unter andern eine Stelle dieses Romans,
wo sich die Frau eines fremden Gesandten, die aber
in England geboren ist, sehr darüber lustig macht,
daß die mit dem Auslande so unbekannten Londner
einem deutschen Fürsten einen höheren Rang gewähr-
ten, als ihrem Manne dem Baron, dessen Titel doch
dort weit vornehmer sey, aber das Wort Prince, setzt
sie hinzu, dessen Nichtigkeit auf dem Continent jeder
kennt, eblouirt meine albernen Landsleute. C'est
bien vrai,
fällt ein Franzose ein, un Duc cirait mes
bottes a Naples, et a Petersbourg un Prince russe
me rasait tous les matins.
Da die Engländer Phra-
sen aus fremden Sprachen gewöhnlich falsch citiren,
so vermuthe ich, daß auch hier ein kleiner Irrthum
obwaltet, und es ohne Zweifel hat heißen sollen: un
Prince russe me rossait tous les matins
*).

*) Natürlich ist es, daß es den Engländern schwer wird, da
sie sich um Fremdes so wenig bekümmern, den gehörigen
Unterschied zwischen deutschen, russischen und französischen
Fürsten zu machen, und sie daher respective bald zu hoch,
bald zu niedrig anschlagen. In England und Frankreich
giebt es eigentlich keine andern Fürsten (Princes) als die
des königlichen Hauses. Führen Engländer oder Franzosen
solchen Titel, so sind es fremde, und werden in den fran-

treu ſchildert und ſeit zwei Monaten ſchon die dritte
Edition erlebt hat, dabei aber doch, bei genauerer Be-
trachtung, mehr die Antichambre als den Salon ver-
räth, Einen, wie der Abbé de Voiſenou ſagte: qui
a ecouté aux portes.

Wie die Engländer über Fremde gut unterrichtet
ſind, beweiſt unter andern eine Stelle dieſes Romans,
wo ſich die Frau eines fremden Geſandten, die aber
in England geboren iſt, ſehr darüber luſtig macht,
daß die mit dem Auslande ſo unbekannten Londner
einem deutſchen Fürſten einen höheren Rang gewähr-
ten, als ihrem Manne dem Baron, deſſen Titel doch
dort weit vornehmer ſey, aber das Wort Prince, ſetzt
ſie hinzu, deſſen Nichtigkeit auf dem Continent jeder
kennt, eblouirt meine albernen Landsleute. C’est
bien vrai,
fällt ein Franzoſe ein, un Duc cirait mes
bottes à Naples, et à Petersbourg un Prince russe
me rasait tous les matins.
Da die Engländer Phra-
ſen aus fremden Sprachen gewöhnlich falſch citiren,
ſo vermuthe ich, daß auch hier ein kleiner Irrthum
obwaltet, und es ohne Zweifel hat heißen ſollen: un
Prince russe me rossait tous les matins
*).

*) Natuͤrlich iſt es, daß es den Englaͤndern ſchwer wird, da
ſie ſich um Fremdes ſo wenig bekuͤmmern, den gehoͤrigen
Unterſchied zwiſchen deutſchen, ruſſiſchen und franzoͤſiſchen
Fuͤrſten zu machen, und ſie daher reſpective bald zu hoch,
bald zu niedrig anſchlagen. In England und Frankreich
giebt es eigentlich keine andern Fuͤrſten (Princes) als die
des koͤniglichen Hauſes. Fuͤhren Englaͤnder oder Franzoſen
ſolchen Titel, ſo ſind es fremde, und werden in den fran-
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[356/0402] treu ſchildert und ſeit zwei Monaten ſchon die dritte Edition erlebt hat, dabei aber doch, bei genauerer Be- trachtung, mehr die Antichambre als den Salon ver- räth, Einen, wie der Abbé de Voiſenou ſagte: qui a ecouté aux portes. Wie die Engländer über Fremde gut unterrichtet ſind, beweiſt unter andern eine Stelle dieſes Romans, wo ſich die Frau eines fremden Geſandten, die aber in England geboren iſt, ſehr darüber luſtig macht, daß die mit dem Auslande ſo unbekannten Londner einem deutſchen Fürſten einen höheren Rang gewähr- ten, als ihrem Manne dem Baron, deſſen Titel doch dort weit vornehmer ſey, aber das Wort Prince, ſetzt ſie hinzu, deſſen Nichtigkeit auf dem Continent jeder kennt, eblouirt meine albernen Landsleute. C’est bien vrai, fällt ein Franzoſe ein, un Duc cirait mes bottes à Naples, et à Petersbourg un Prince russe me rasait tous les matins. Da die Engländer Phra- ſen aus fremden Sprachen gewöhnlich falſch citiren, ſo vermuthe ich, daß auch hier ein kleiner Irrthum obwaltet, und es ohne Zweifel hat heißen ſollen: un Prince russe me rossait tous les matins *). *) Natuͤrlich iſt es, daß es den Englaͤndern ſchwer wird, da ſie ſich um Fremdes ſo wenig bekuͤmmern, den gehoͤrigen Unterſchied zwiſchen deutſchen, ruſſiſchen und franzoͤſiſchen Fuͤrſten zu machen, und ſie daher reſpective bald zu hoch, bald zu niedrig anſchlagen. In England und Frankreich giebt es eigentlich keine andern Fuͤrſten (Princes) als die des koͤniglichen Hauſes. Fuͤhren Englaͤnder oder Franzoſen ſolchen Titel, ſo ſind es fremde, und werden in den fran-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/402>, abgerufen am 23.11.2024.