Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.vielen Orten gestaltet, obgleich sie früher in gut ge- unseres Jahrhunderts würde der Regierung mit Freuden selbst in die Hände gearbeitet haben. Dann wären Guts- herrn und Bauern Freunde geblieben, und noch weit inni- ger durch gegenseitigen Vortheil verbunden worden, statt daß jetzt beide Stände, in unendliche Streitigkeiten ver- wickelt, künstlich zu Antagonisten und Feinden umgeschaf- fen werden, von nun an nur die schroffeste, dem Staate höchst schädliche gänzliche Trennung alles Interesses wün- schend, und jeder Theil sich, von allem patriarchalischen Elemente losgerissen, im grassesten Egoismus zu verschan- zen sucht. Wie übel aber, wenn ein gleiches Mißbehagen, und ein endlich daraus entstehendes gleiches politisches Interesse einmal so demoralisirte und gemeinschaftlich ver- armte Partheien wieder vereinigen sollte! Es ist sehr zu wünschen, daß man in Sachsen, wo ein ähnliches Bedürfniß laut wird, den gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnissen eine neugeregelte Gestalt zu ge- ben, die Erfahrungen des Nachbarlandes benutzen, keinen gewaltsamen, d. h. keinen ungerechten Weg dazu einschla- gen, und vor allem die Ausführung schnell betreiben, nicht einem Heer hungriger Advokaten und verdorbner Oekono- men, in einen monströsen Körper mit weitreichenden Fin- gern vereinigt, anvertrauen, sondern durch Spezial-Com- missionen reguliren lassen möge, die aus Abgeordneten der Partheien selbst, mit Zuziehung eines ausgewählten Re- gierungsbeamten und eines erprobten Juristen zusammen- gesetzt sind, und von deren Entscheidung kein Apell statt findet. Uebrigens lassen die dermaligen politischen Conjunkturen uns allerdings fürchten, daß die ganze jetzige Generation zum Opfer für einen bessern Zustand der künftigen gebracht werden soll, -- ganz dasselbe Prinzip, welches bei uns der Briefe eines Verstorbenen. III. 21
vielen Orten geſtaltet, obgleich ſie früher in gut ge- unſeres Jahrhunderts wuͤrde der Regierung mit Freuden ſelbſt in die Haͤnde gearbeitet haben. Dann waͤren Guts- herrn und Bauern Freunde geblieben, und noch weit inni- ger durch gegenſeitigen Vortheil verbunden worden, ſtatt daß jetzt beide Staͤnde, in unendliche Streitigkeiten ver- wickelt, kuͤnſtlich zu Antagoniſten und Feinden umgeſchaf- fen werden, von nun an nur die ſchroffeſte, dem Staate hoͤchſt ſchaͤdliche gaͤnzliche Trennung alles Intereſſes wuͤn- ſchend, und jeder Theil ſich, von allem patriarchaliſchen Elemente losgeriſſen, im graſſeſten Egoismus zu verſchan- zen ſucht. Wie uͤbel aber, wenn ein gleiches Mißbehagen, und ein endlich daraus entſtehendes gleiches politiſches Intereſſe einmal ſo demoraliſirte und gemeinſchaftlich ver- armte Partheien wieder vereinigen ſollte! Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß man in Sachſen, wo ein aͤhnliches Beduͤrfniß laut wird, den gutsherrlichen und baͤuerlichen Verhaͤltniſſen eine neugeregelte Geſtalt zu ge- ben, die Erfahrungen des Nachbarlandes benutzen, keinen gewaltſamen, d. h. keinen ungerechten Weg dazu einſchla- gen, und vor allem die Ausfuͤhrung ſchnell betreiben, nicht einem Heer hungriger Advokaten und verdorbner Oekono- men, in einen monſtroͤſen Koͤrper mit weitreichenden Fin- gern vereinigt, anvertrauen, ſondern durch Spezial-Com- miſſionen reguliren laſſen moͤge, die aus Abgeordneten der Partheien ſelbſt, mit Zuziehung eines ausgewaͤhlten Re- gierungsbeamten und eines erprobten Juriſten zuſammen- geſetzt ſind, und von deren Entſcheidung kein Apell ſtatt findet. Uebrigens laſſen die dermaligen politiſchen Conjunkturen uns allerdings fuͤrchten, daß die ganze jetzige Generation zum Opfer fuͤr einen beſſern Zuſtand der kuͤnftigen gebracht werden ſoll, — ganz daſſelbe Prinzip, welches bei uns der Briefe eines Verſtorbenen. III. 21
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vielen Orten geſtaltet, obgleich ſie früher in gut ge-
meinter Abſicht angeordnet war, und wenn ſie, als
eine deſpotiſche Maaßregel, auch ſchnell und deſpotiſch
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*) unſeres Jahrhunderts wuͤrde der Regierung mit Freuden
ſelbſt in die Haͤnde gearbeitet haben. Dann waͤren Guts-
herrn und Bauern Freunde geblieben, und noch weit inni-
ger durch gegenſeitigen Vortheil verbunden worden, ſtatt
daß jetzt beide Staͤnde, in unendliche Streitigkeiten ver-
wickelt, kuͤnſtlich zu Antagoniſten und Feinden umgeſchaf-
fen werden, von nun an nur die ſchroffeſte, dem Staate
hoͤchſt ſchaͤdliche gaͤnzliche Trennung alles Intereſſes wuͤn-
ſchend, und jeder Theil ſich, von allem patriarchaliſchen
Elemente losgeriſſen, im graſſeſten Egoismus zu verſchan-
zen ſucht. Wie uͤbel aber, wenn ein gleiches Mißbehagen,
und ein endlich daraus entſtehendes gleiches politiſches
Intereſſe einmal ſo demoraliſirte und gemeinſchaftlich ver-
armte Partheien wieder vereinigen ſollte!
Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß man in Sachſen, wo ein
aͤhnliches Beduͤrfniß laut wird, den gutsherrlichen und
baͤuerlichen Verhaͤltniſſen eine neugeregelte Geſtalt zu ge-
ben, die Erfahrungen des Nachbarlandes benutzen, keinen
gewaltſamen, d. h. keinen ungerechten Weg dazu einſchla-
gen, und vor allem die Ausfuͤhrung ſchnell betreiben, nicht
einem Heer hungriger Advokaten und verdorbner Oekono-
men, in einen monſtroͤſen Koͤrper mit weitreichenden Fin-
gern vereinigt, anvertrauen, ſondern durch Spezial-Com-
miſſionen reguliren laſſen moͤge, die aus Abgeordneten der
Partheien ſelbſt, mit Zuziehung eines ausgewaͤhlten Re-
gierungsbeamten und eines erprobten Juriſten zuſammen-
geſetzt ſind, und von deren Entſcheidung kein Apell ſtatt
findet.
Uebrigens laſſen die dermaligen politiſchen Conjunkturen
uns allerdings fuͤrchten, daß die ganze jetzige Generation
zum Opfer fuͤr einen beſſern Zuſtand der kuͤnftigen gebracht
werden ſoll, — ganz daſſelbe Prinzip, welches bei uns der
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