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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Später wird man vielleicht auch bei uns einsehen,
welchen zweifelhaften Nutzen man dem Staate da-
durch gebracht hat, daß man von diesem Prinzipe ab-
ging, und das Eigenthum der Gutsbesitzer und die
Ansprüche der Bauern durch niedergesetzte kostspielige
Commissionen auf eine Art reguliren läßt, die den
Ersteren durch Machtspruch einen Theil des Ihrigen
nimmt, um es den andern zuzuwenden, ohne daß
es diesen dennoch zu Gute kömmt, indem beide Theile
oft fast so viel, als der ganze Gegenstand werth ist,
an die Schiedsrichter bezahlen müssen!

So hat sich aber die gezwungene *), sogenannte
Regulirung der bäuerlichen Verhältnisse nur an zu

*) Gezwungen ist die Regulirung allerdings, weil, wenn nur
eine der beiden Partheien darauf anträgt, die andere fol-
gen muß. Da aber der Bauer allein etwas dabei zu erhal-
ten hoffen kann, der Gutsbesitzer in der Regel nur zu ge-
ben hat, so versteht es sich von selbst, daß jener immer der
antragende Theil ist. In der spätern Zeit jedoch, wo so
viele Gemeinden eingesehen, daß die durch die Regulirung
erlangten Vortheile mit den Kosten, welche die Herren Re-
gulirer verzehren, nicht in gehöriger Proportion stünd n,
haben viele derselben vorgezogen, lieber in den alten Ver-
hältnissen zu bleiben, und wären, wo die Procedur schon
angefangen, auch gern zurückgetreten, aber die Spinne
läßt keine Fliege los, die sie einmal in ihrem Netze ge-
fangen.
Hätte das Gouvernement blos die freiwillige Separa-
tion erleichtert, dazu aufgefordert, und sie ohne Gewalt
zu befördern gesucht, wozu ihr viele wohlthätige Mittel
zu Gebote standen, so wäre kein System segenreicher ge-
wesen, und die immer allgemeiner werdende Humanität

Später wird man vielleicht auch bei uns einſehen,
welchen zweifelhaften Nutzen man dem Staate da-
durch gebracht hat, daß man von dieſem Prinzipe ab-
ging, und das Eigenthum der Gutsbeſitzer und die
Anſprüche der Bauern durch niedergeſetzte koſtſpielige
Commiſſionen auf eine Art reguliren läßt, die den
Erſteren durch Machtſpruch einen Theil des Ihrigen
nimmt, um es den andern zuzuwenden, ohne daß
es dieſen dennoch zu Gute kömmt, indem beide Theile
oft faſt ſo viel, als der ganze Gegenſtand werth iſt,
an die Schiedsrichter bezahlen müſſen!

So hat ſich aber die gezwungene *), ſogenannte
Regulirung der bäuerlichen Verhältniſſe nur an zu

*) Gezwungen iſt die Regulirung allerdings, weil, wenn nur
eine der beiden Partheien darauf antraͤgt, die andere fol-
gen muß. Da aber der Bauer allein etwas dabei zu erhal-
ten hoffen kann, der Gutsbeſitzer in der Regel nur zu ge-
ben hat, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß jener immer der
antragende Theil iſt. In der ſpaͤtern Zeit jedoch, wo ſo
viele Gemeinden eingeſehen, daß die durch die Regulirung
erlangten Vortheile mit den Koſten, welche die Herren Re-
gulirer verzehren, nicht in gehoͤriger Proportion ſtuͤnd n,
haben viele derſelben vorgezogen, lieber in den alten Ver-
haͤltniſſen zu bleiben, und waͤren, wo die Procedur ſchon
angefangen, auch gern zuruͤckgetreten, aber die Spinne
laͤßt keine Fliege los, die ſie einmal in ihrem Netze ge-
fangen.
Haͤtte das Gouvernement blos die freiwillige Separa-
tion erleichtert, dazu aufgefordert, und ſie ohne Gewalt
zu befoͤrdern geſucht, wozu ihr viele wohlthaͤtige Mittel
zu Gebote ſtanden, ſo waͤre kein Syſtem ſegenreicher ge-
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[320/0366] Später wird man vielleicht auch bei uns einſehen, welchen zweifelhaften Nutzen man dem Staate da- durch gebracht hat, daß man von dieſem Prinzipe ab- ging, und das Eigenthum der Gutsbeſitzer und die Anſprüche der Bauern durch niedergeſetzte koſtſpielige Commiſſionen auf eine Art reguliren läßt, die den Erſteren durch Machtſpruch einen Theil des Ihrigen nimmt, um es den andern zuzuwenden, ohne daß es dieſen dennoch zu Gute kömmt, indem beide Theile oft faſt ſo viel, als der ganze Gegenſtand werth iſt, an die Schiedsrichter bezahlen müſſen! So hat ſich aber die gezwungene *), ſogenannte Regulirung der bäuerlichen Verhältniſſe nur an zu *) Gezwungen iſt die Regulirung allerdings, weil, wenn nur eine der beiden Partheien darauf antraͤgt, die andere fol- gen muß. Da aber der Bauer allein etwas dabei zu erhal- ten hoffen kann, der Gutsbeſitzer in der Regel nur zu ge- ben hat, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß jener immer der antragende Theil iſt. In der ſpaͤtern Zeit jedoch, wo ſo viele Gemeinden eingeſehen, daß die durch die Regulirung erlangten Vortheile mit den Koſten, welche die Herren Re- gulirer verzehren, nicht in gehoͤriger Proportion ſtuͤnd n, haben viele derſelben vorgezogen, lieber in den alten Ver- haͤltniſſen zu bleiben, und waͤren, wo die Procedur ſchon angefangen, auch gern zuruͤckgetreten, aber die Spinne laͤßt keine Fliege los, die ſie einmal in ihrem Netze ge- fangen. Haͤtte das Gouvernement blos die freiwillige Separa- tion erleichtert, dazu aufgefordert, und ſie ohne Gewalt zu befoͤrdern geſucht, wozu ihr viele wohlthaͤtige Mittel zu Gebote ſtanden, ſo waͤre kein Syſtem ſegenreicher ge- weſen, und die immer allgemeiner werdende Humanitaͤt

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/366>, abgerufen am 25.11.2024.