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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Nach zwei Jahren ununterbrochener Nachforschun-
gen seiner trostlosen Gemahlin fand diese einst selbst
auf der Jagd ihn hier todt in seiner Höhle liegen,
und stürzte sich aus Verzweiflung über die Felsen
hinab in den Avon, wo sie schnellen Trost im Tode
fand. Auf derselben Stelle wurde später zum An-
denken dieser tragischen Begebenheit eine geräumige
Kapelle in den Felsen gehauen, die noch besteht, und
mit der Statue Guy's von Heinrich III. geziert ward.
Diese letztere aber ist leider von Cromwells Truppen
später so mütilirt worden, daß sie nur noch einem
unförmlichen Blocke ähnlich sieht. Gegenüber der
Kapelle sind 12 Mönchszellen in den Felsen gehauen,
die jetzt zu Ställen dienen; mit der innerlich ganz
renovirten Kapelle aber ist das Schloß des Besitzers
verbunden worden, von dem ein Theil gothisch, und
viele hundert Jahre alt, ein zweiter in späterer Zeit
im alt italiänischen Geschmack, und ein dritter ganz
neu, mit dem gothischen ältesten Theile gleichartig
aufgebaut ist. Das Ganze zeigt sich äusserst malerisch,
und eben so geschmackvoll und ansprechend ist das Innere
eingerichtet. Besonders fand ich das größere Gesell-
schaftszimmer mit zwei großen herausspringenden Fen-
stererkern höchst freundlich. Das eine dieser Fenster steht
auf dem, 30 Fuß senkrecht hinabsinkenden Felsen,
gerade über dem Flusse, der nahe dem Schlosse eine
lieblich geformte Insel bildet, hinter welcher sich eine
weite Aussicht auf üppige Wiesen, schöne Bäume,
und im Hintergrunde ein im Walde halb verstecktes
Dorf ausbreitet. Seitwärts sah man, ohngefähr in

Nach zwei Jahren ununterbrochener Nachforſchun-
gen ſeiner troſtloſen Gemahlin fand dieſe einſt ſelbſt
auf der Jagd ihn hier todt in ſeiner Höhle liegen,
und ſtürzte ſich aus Verzweiflung über die Felſen
hinab in den Avon, wo ſie ſchnellen Troſt im Tode
fand. Auf derſelben Stelle wurde ſpäter zum An-
denken dieſer tragiſchen Begebenheit eine geräumige
Kapelle in den Felſen gehauen, die noch beſteht, und
mit der Statue Guy’s von Heinrich III. geziert ward.
Dieſe letztere aber iſt leider von Cromwells Truppen
ſpäter ſo mütilirt worden, daß ſie nur noch einem
unförmlichen Blocke ähnlich ſieht. Gegenüber der
Kapelle ſind 12 Mönchszellen in den Felſen gehauen,
die jetzt zu Ställen dienen; mit der innerlich ganz
renovirten Kapelle aber iſt das Schloß des Beſitzers
verbunden worden, von dem ein Theil gothiſch, und
viele hundert Jahre alt, ein zweiter in ſpäterer Zeit
im alt italiäniſchen Geſchmack, und ein dritter ganz
neu, mit dem gothiſchen älteſten Theile gleichartig
aufgebaut iſt. Das Ganze zeigt ſich äuſſerſt maleriſch,
und eben ſo geſchmackvoll und anſprechend iſt das Innere
eingerichtet. Beſonders fand ich das größere Geſell-
ſchaftszimmer mit zwei großen herausſpringenden Fen-
ſtererkern höchſt freundlich. Das eine dieſer Fenſter ſteht
auf dem, 30 Fuß ſenkrecht hinabſinkenden Felſen,
gerade über dem Fluſſe, der nahe dem Schloſſe eine
lieblich geformte Inſel bildet, hinter welcher ſich eine
weite Ausſicht auf üppige Wieſen, ſchöne Bäume,
und im Hintergrunde ein im Walde halb verſtecktes
Dorf ausbreitet. Seitwärts ſah man, ohngefähr in

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[242/0288] Nach zwei Jahren ununterbrochener Nachforſchun- gen ſeiner troſtloſen Gemahlin fand dieſe einſt ſelbſt auf der Jagd ihn hier todt in ſeiner Höhle liegen, und ſtürzte ſich aus Verzweiflung über die Felſen hinab in den Avon, wo ſie ſchnellen Troſt im Tode fand. Auf derſelben Stelle wurde ſpäter zum An- denken dieſer tragiſchen Begebenheit eine geräumige Kapelle in den Felſen gehauen, die noch beſteht, und mit der Statue Guy’s von Heinrich III. geziert ward. Dieſe letztere aber iſt leider von Cromwells Truppen ſpäter ſo mütilirt worden, daß ſie nur noch einem unförmlichen Blocke ähnlich ſieht. Gegenüber der Kapelle ſind 12 Mönchszellen in den Felſen gehauen, die jetzt zu Ställen dienen; mit der innerlich ganz renovirten Kapelle aber iſt das Schloß des Beſitzers verbunden worden, von dem ein Theil gothiſch, und viele hundert Jahre alt, ein zweiter in ſpäterer Zeit im alt italiäniſchen Geſchmack, und ein dritter ganz neu, mit dem gothiſchen älteſten Theile gleichartig aufgebaut iſt. Das Ganze zeigt ſich äuſſerſt maleriſch, und eben ſo geſchmackvoll und anſprechend iſt das Innere eingerichtet. Beſonders fand ich das größere Geſell- ſchaftszimmer mit zwei großen herausſpringenden Fen- ſtererkern höchſt freundlich. Das eine dieſer Fenſter ſteht auf dem, 30 Fuß ſenkrecht hinabſinkenden Felſen, gerade über dem Fluſſe, der nahe dem Schloſſe eine lieblich geformte Inſel bildet, hinter welcher ſich eine weite Ausſicht auf üppige Wieſen, ſchöne Bäume, und im Hintergrunde ein im Walde halb verſtecktes Dorf ausbreitet. Seitwärts ſah man, ohngefähr in

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/288>, abgerufen am 01.09.2024.