Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

genthum, selbst vor den entweihenden Blicken des
Fremden verschließen, ist zuweilen wahrhaft belusti-
gend, kann aber auch betrübend werden. Beides er-
lebte ich damals vor 14 Jahren, und wurde heute
von Neuem lebhaft daran erinnert, als ich das alte
Gebäude wiedersah. Ich ritt nämlich eines Tags in
der Umgegend von London spazieren, und angezogen
durch den Anblick dieser Besitzung, frug ich den an
der Park-Loge stehenden Portier, ob er mir erlauben
könne, die Gärten zu besehen? Er machte viel Um-
stände, sich aber endlich besinnend, daß sein Lord
unwohl sey und die Stube hüte, mir folglich nicht
begegnen könne, mochte er dem ihm angebotenen
Trinkgelde nicht länger widerstehen, und öffnete mir
die verbotne Pforte, mein Pferd einstweilen zurück-
behaltend. Ich mochte eine Viertelstunde umherge-
schlendert seyn, und besah eben den nett gehaltenen
pleasure ground, als eine etwas dicke Figur im
Hemde an einem Fenster des gegenüber liegenden
Wohnhauses sichtbar ward, die ängstlich umherzulau-
fen schien, endlich aber mit Vehemenz das Fenster
aufriß, und, während ich eine große Klingel heftig
lärmen hörte, mir mit halb unterdrückter Wuth zu-
rief: "Qui etes vous, Monsieur? que cherchez vous
ici?
Ich hielt es für zu lächerlich, die Antwort auf
dieselbe Weise in so großer Distanz zurückzuschreien,
fand es aber auch bald unnöthig, da durch das Stür-
men der Klingel allarmirt, bereits von allen Seiten
Diener herbeisprangen, von denen einer nun ex of-
ficio
die Frage an mich wiederholte. Ich ließ durch

genthum, ſelbſt vor den entweihenden Blicken des
Fremden verſchließen, iſt zuweilen wahrhaft beluſti-
gend, kann aber auch betrübend werden. Beides er-
lebte ich damals vor 14 Jahren, und wurde heute
von Neuem lebhaft daran erinnert, als ich das alte
Gebäude wiederſah. Ich ritt nämlich eines Tags in
der Umgegend von London ſpazieren, und angezogen
durch den Anblick dieſer Beſitzung, frug ich den an
der Park-Loge ſtehenden Portier, ob er mir erlauben
könne, die Gärten zu beſehen? Er machte viel Um-
ſtände, ſich aber endlich beſinnend, daß ſein Lord
unwohl ſey und die Stube hüte, mir folglich nicht
begegnen könne, mochte er dem ihm angebotenen
Trinkgelde nicht länger widerſtehen, und öffnete mir
die verbotne Pforte, mein Pferd einſtweilen zurück-
behaltend. Ich mochte eine Viertelſtunde umherge-
ſchlendert ſeyn, und beſah eben den nett gehaltenen
pleasure ground, als eine etwas dicke Figur im
Hemde an einem Fenſter des gegenüber liegenden
Wohnhauſes ſichtbar ward, die ängſtlich umherzulau-
fen ſchien, endlich aber mit Vehemenz das Fenſter
aufriß, und, während ich eine große Klingel heftig
lärmen hörte, mir mit halb unterdrückter Wuth zu-
rief: „Qui êtes vous, Monsieur? que cherchez vous
ici?
Ich hielt es für zu lächerlich, die Antwort auf
dieſelbe Weiſe in ſo großer Diſtanz zurückzuſchreien,
fand es aber auch bald unnöthig, da durch das Stür-
men der Klingel allarmirt, bereits von allen Seiten
Diener herbeiſprangen, von denen einer nun ex of-
ficio
die Frage an mich wiederholte. Ich ließ durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="196"/>
genthum, &#x017F;elb&#x017F;t vor den entweihenden <hi rendition="#g">Blicken</hi> des<lb/>
Fremden ver&#x017F;chließen, i&#x017F;t zuweilen wahrhaft belu&#x017F;ti-<lb/>
gend, kann aber auch betrübend werden. Beides er-<lb/>
lebte ich damals vor 14 Jahren, und wurde heute<lb/>
von Neuem lebhaft daran erinnert, als ich das alte<lb/>
Gebäude wieder&#x017F;ah. Ich ritt nämlich eines Tags in<lb/>
der Umgegend von London &#x017F;pazieren, und angezogen<lb/>
durch den Anblick die&#x017F;er Be&#x017F;itzung, frug ich den an<lb/>
der Park-Loge &#x017F;tehenden Portier, ob er mir erlauben<lb/>
könne, die Gärten zu be&#x017F;ehen? Er machte viel Um-<lb/>
&#x017F;tände, &#x017F;ich aber endlich be&#x017F;innend, daß &#x017F;ein Lord<lb/>
unwohl &#x017F;ey und die Stube hüte, mir folglich nicht<lb/>
begegnen könne, mochte er dem ihm angebotenen<lb/>
Trinkgelde nicht länger wider&#x017F;tehen, und öffnete mir<lb/>
die verbotne Pforte, mein Pferd ein&#x017F;tweilen zurück-<lb/>
behaltend. Ich mochte eine Viertel&#x017F;tunde umherge-<lb/>
&#x017F;chlendert &#x017F;eyn, und be&#x017F;ah eben den nett gehaltenen<lb/><hi rendition="#aq">pleasure ground,</hi> als eine etwas dicke Figur im<lb/>
Hemde an einem Fen&#x017F;ter des gegenüber liegenden<lb/>
Wohnhau&#x017F;es &#x017F;ichtbar ward, die äng&#x017F;tlich umherzulau-<lb/>
fen &#x017F;chien, endlich aber mit Vehemenz das Fen&#x017F;ter<lb/>
aufriß, und, während ich eine große Klingel heftig<lb/>
lärmen hörte, mir mit halb unterdrückter Wuth zu-<lb/>
rief: <hi rendition="#aq">&#x201E;Qui êtes vous, Monsieur? que cherchez vous<lb/>
ici?</hi> Ich hielt es für zu lächerlich, die Antwort auf<lb/>
die&#x017F;elbe Wei&#x017F;e in &#x017F;o großer Di&#x017F;tanz zurückzu&#x017F;chreien,<lb/>
fand es aber auch bald unnöthig, da durch das Stür-<lb/>
men der Klingel allarmirt, bereits von allen Seiten<lb/>
Diener herbei&#x017F;prangen, von denen einer nun <hi rendition="#aq">ex of-<lb/>
ficio</hi> die Frage an mich wiederholte. Ich ließ durch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0240] genthum, ſelbſt vor den entweihenden Blicken des Fremden verſchließen, iſt zuweilen wahrhaft beluſti- gend, kann aber auch betrübend werden. Beides er- lebte ich damals vor 14 Jahren, und wurde heute von Neuem lebhaft daran erinnert, als ich das alte Gebäude wiederſah. Ich ritt nämlich eines Tags in der Umgegend von London ſpazieren, und angezogen durch den Anblick dieſer Beſitzung, frug ich den an der Park-Loge ſtehenden Portier, ob er mir erlauben könne, die Gärten zu beſehen? Er machte viel Um- ſtände, ſich aber endlich beſinnend, daß ſein Lord unwohl ſey und die Stube hüte, mir folglich nicht begegnen könne, mochte er dem ihm angebotenen Trinkgelde nicht länger widerſtehen, und öffnete mir die verbotne Pforte, mein Pferd einſtweilen zurück- behaltend. Ich mochte eine Viertelſtunde umherge- ſchlendert ſeyn, und beſah eben den nett gehaltenen pleasure ground, als eine etwas dicke Figur im Hemde an einem Fenſter des gegenüber liegenden Wohnhauſes ſichtbar ward, die ängſtlich umherzulau- fen ſchien, endlich aber mit Vehemenz das Fenſter aufriß, und, während ich eine große Klingel heftig lärmen hörte, mir mit halb unterdrückter Wuth zu- rief: „Qui êtes vous, Monsieur? que cherchez vous ici? Ich hielt es für zu lächerlich, die Antwort auf dieſelbe Weiſe in ſo großer Diſtanz zurückzuſchreien, fand es aber auch bald unnöthig, da durch das Stür- men der Klingel allarmirt, bereits von allen Seiten Diener herbeiſprangen, von denen einer nun ex of- ficio die Frage an mich wiederholte. Ich ließ durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/240
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/240>, abgerufen am 22.11.2024.