Der .... sche Gesandte hatte mich nach dem Thea- ter begleitet, und erzählte mir, als wir im Foyer umherspazierten, und die Anwesenden die Musterung passiren ließen, manche nicht uninteressante Particu- laritäten über diese und jene der defilirenden Schön- heiten. Der unglaubliche Leichtsinn und die wun- dervollen Glückswechsel dieser Geschöpfe waren mir dabei am merkwürdigsten.
"Diese mit den schmachtenden Augen," sagte er, "kömmt eben aus der Kingsbench, wo sie wegen 8000 £. St. Schulden ein Jahr gesessen, dort aber ihr Metier immer fortgetrieben, und Gott weiß wie, endlich doch Mittel gefunden hat, sich zu befreien. Sie hat einen sonderbaren Fehler für ihren Stand, nämlich sentimental zu seyn (ich glaube fast, der Baron wollte mir zu verstehen geben, dies aus Erfahrung zu wissen) und in solchen Anwandlungen giebt sie einem Geliebten zehnmal mehr, als sie von ihrem Entreteneur erhält. Ich weiß sehr vornehme Leute," setzte er hinzu, "die dies unverantwortlich gemiß- braucht haben, und ich zweifle nicht, daß bei der er- sten Gelegenheit dieser Art sie bald wieder ihr altes Logis im Freistaat der Kingsbench beziehen wird."
"Hier diese etwas verblühte Schönheit," fuhr er fort, "habe ich noch vor zehn Jahren mit einem Luxus leben sehen, den wenige meiner Collegen nach- ahmen können. Weit entfernt, das Geringste von ihren damaligen Reichthümern zurückzulegen, hat sie
Der .... ſche Geſandte hatte mich nach dem Thea- ter begleitet, und erzählte mir, als wir im Foyer umherſpazierten, und die Anweſenden die Muſterung paſſiren ließen, manche nicht unintereſſante Particu- laritäten über dieſe und jene der defilirenden Schön- heiten. Der unglaubliche Leichtſinn und die wun- dervollen Glückswechſel dieſer Geſchöpfe waren mir dabei am merkwürdigſten.
„Dieſe mit den ſchmachtenden Augen,“ ſagte er, „kömmt eben aus der Kingsbench, wo ſie wegen 8000 £. St. Schulden ein Jahr geſeſſen, dort aber ihr Metier immer fortgetrieben, und Gott weiß wie, endlich doch Mittel gefunden hat, ſich zu befreien. Sie hat einen ſonderbaren Fehler für ihren Stand, nämlich ſentimental zu ſeyn (ich glaube faſt, der Baron wollte mir zu verſtehen geben, dies aus Erfahrung zu wiſſen) und in ſolchen Anwandlungen giebt ſie einem Geliebten zehnmal mehr, als ſie von ihrem Entreteneur erhält. Ich weiß ſehr vornehme Leute,“ ſetzte er hinzu, „die dies unverantwortlich gemiß- braucht haben, und ich zweifle nicht, daß bei der er- ſten Gelegenheit dieſer Art ſie bald wieder ihr altes Logis im Freiſtaat der Kingsbench beziehen wird.“
„Hier dieſe etwas verblühte Schönheit,“ fuhr er fort, „habe ich noch vor zehn Jahren mit einem Luxus leben ſehen, den wenige meiner Collegen nach- ahmen können. Weit entfernt, das Geringſte von ihren damaligen Reichthümern zurückzulegen, hat ſie
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Der .... ſche Geſandte hatte mich nach dem Thea-
ter begleitet, und erzählte mir, als wir im Foyer
umherſpazierten, und die Anweſenden die Muſterung
paſſiren ließen, manche nicht unintereſſante Particu-
laritäten über dieſe und jene der defilirenden Schön-
heiten. Der unglaubliche Leichtſinn und die wun-
dervollen Glückswechſel dieſer Geſchöpfe waren mir
dabei am merkwürdigſten.
„Dieſe mit den ſchmachtenden Augen,“ ſagte er,
„kömmt eben aus der Kingsbench, wo ſie wegen
8000 £. St. Schulden ein Jahr geſeſſen, dort aber
ihr Metier immer fortgetrieben, und Gott weiß wie,
endlich doch Mittel gefunden hat, ſich zu befreien.
Sie hat einen ſonderbaren Fehler für ihren Stand,
nämlich ſentimental zu ſeyn (ich glaube faſt, der Baron
wollte mir zu verſtehen geben, dies aus Erfahrung
zu wiſſen) und in ſolchen Anwandlungen giebt ſie
einem Geliebten zehnmal mehr, als ſie von ihrem
Entreteneur erhält. Ich weiß ſehr vornehme Leute,“
ſetzte er hinzu, „die dies unverantwortlich gemiß-
braucht haben, und ich zweifle nicht, daß bei der er-
ſten Gelegenheit dieſer Art ſie bald wieder ihr altes
Logis im Freiſtaat der Kingsbench beziehen wird.“
„Hier dieſe etwas verblühte Schönheit,“ fuhr er
fort, „habe ich noch vor zehn Jahren mit einem
Luxus leben ſehen, den wenige meiner Collegen nach-
ahmen können. Weit entfernt, das Geringſte von
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/173>, abgerufen am 24.11.2024.
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