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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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über mich und Andere dabei nicht sparte. Dies ist
das einzige sichre Mittel, dem Ridicule in der Welt
zu begegnen, denn zeigt man sich empfindlich oder
embarassirt, dann erst wirkt das Gift, sonst ver-
dampft es, wie kaltes Wasser auf einem glühenden
Stein. Das verstehen auch die Engländer vortrefflich.

Den heutigen Abend brachte ich, meinem Vorsatze
getreu, in Drurylane zu, wo ich mit Erstaunen den
alten Braham immer noch als ersten Sänger und
Liebhaber mit gleichem Beifall in derselben Rolle auf-
treten sah, die er, schon vor 12 Jahren ein alter
Mann, den Tag vor meiner Abreise aus England
als Benefiz erwählt hatte. Ich fand auch wenig Un-
terschied in seinem Gesang, ausser daß er noch etwas
ärger schrie, und noch etwas mehr Rouladen als
damals machte, um den Mangel der Stimme zu ver-
decken. Er ist ein Jude, und, wie ich fast glaube,
der ewige, da er nicht zu altern scheint. Uebrigens
ist er der wahre Repräsentant der englischen Gesang-
manier, und besonders in Volksgesängen der enthu-
siastisch verehrte Günstling des Publikums.

Große Kraft und Geläufigkeit der Stimme und
gründliche Musikkenntniß ist ihm nicht abzusprechen,
aber geschmackloser kann keine Methode seyn.

Als Prima Donna sang Miß Paton, eine recht an-
genehme, aber nicht ausgezeichnete Sängerin. Sie
ist schön gewachsen und nicht häßlich, dabei sehr be-
liebt, und was uns sonderbar vorkommen möchte,
an Lord W. L. verheirathet, dessen Namen sie in der

Briefe eines Verstorbenen III. 9

über mich und Andere dabei nicht ſparte. Dies iſt
das einzige ſichre Mittel, dem Ridicule in der Welt
zu begegnen, denn zeigt man ſich empfindlich oder
embaraſſirt, dann erſt wirkt das Gift, ſonſt ver-
dampft es, wie kaltes Waſſer auf einem glühenden
Stein. Das verſtehen auch die Engländer vortrefflich.

Den heutigen Abend brachte ich, meinem Vorſatze
getreu, in Drurylane zu, wo ich mit Erſtaunen den
alten Braham immer noch als erſten Sänger und
Liebhaber mit gleichem Beifall in derſelben Rolle auf-
treten ſah, die er, ſchon vor 12 Jahren ein alter
Mann, den Tag vor meiner Abreiſe aus England
als Benefiz erwählt hatte. Ich fand auch wenig Un-
terſchied in ſeinem Geſang, auſſer daß er noch etwas
ärger ſchrie, und noch etwas mehr Rouladen als
damals machte, um den Mangel der Stimme zu ver-
decken. Er iſt ein Jude, und, wie ich faſt glaube,
der ewige, da er nicht zu altern ſcheint. Uebrigens
iſt er der wahre Repräſentant der engliſchen Geſang-
manier, und beſonders in Volksgeſängen der enthu-
ſiaſtiſch verehrte Günſtling des Publikums.

Große Kraft und Geläufigkeit der Stimme und
gründliche Muſikkenntniß iſt ihm nicht abzuſprechen,
aber geſchmackloſer kann keine Methode ſeyn.

Als Prima Donna ſang Miß Paton, eine recht an-
genehme, aber nicht ausgezeichnete Sängerin. Sie
iſt ſchön gewachſen und nicht häßlich, dabei ſehr be-
liebt, und was uns ſonderbar vorkommen möchte,
an Lord W. L. verheirathet, deſſen Namen ſie in der

Briefe eines Verſtorbenen III. 9
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[129/0169] über mich und Andere dabei nicht ſparte. Dies iſt das einzige ſichre Mittel, dem Ridicule in der Welt zu begegnen, denn zeigt man ſich empfindlich oder embaraſſirt, dann erſt wirkt das Gift, ſonſt ver- dampft es, wie kaltes Waſſer auf einem glühenden Stein. Das verſtehen auch die Engländer vortrefflich. Den heutigen Abend brachte ich, meinem Vorſatze getreu, in Drurylane zu, wo ich mit Erſtaunen den alten Braham immer noch als erſten Sänger und Liebhaber mit gleichem Beifall in derſelben Rolle auf- treten ſah, die er, ſchon vor 12 Jahren ein alter Mann, den Tag vor meiner Abreiſe aus England als Benefiz erwählt hatte. Ich fand auch wenig Un- terſchied in ſeinem Geſang, auſſer daß er noch etwas ärger ſchrie, und noch etwas mehr Rouladen als damals machte, um den Mangel der Stimme zu ver- decken. Er iſt ein Jude, und, wie ich faſt glaube, der ewige, da er nicht zu altern ſcheint. Uebrigens iſt er der wahre Repräſentant der engliſchen Geſang- manier, und beſonders in Volksgeſängen der enthu- ſiaſtiſch verehrte Günſtling des Publikums. Große Kraft und Geläufigkeit der Stimme und gründliche Muſikkenntniß iſt ihm nicht abzuſprechen, aber geſchmackloſer kann keine Methode ſeyn. Als Prima Donna ſang Miß Paton, eine recht an- genehme, aber nicht ausgezeichnete Sängerin. Sie iſt ſchön gewachſen und nicht häßlich, dabei ſehr be- liebt, und was uns ſonderbar vorkommen möchte, an Lord W. L. verheirathet, deſſen Namen ſie in der Briefe eines Verſtorbenen III. 9

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/169>, abgerufen am 24.11.2024.