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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Dienerschaft ist eben so vorzüglich, als die Dienst-
verrichtung dieser. Jeder hat seinen vorgeschriebenen
Wirkungskreis, in dem man aber auch die genaueste
Pflichterfüllung fordert, und bei Nachlässigkeiten im-
mer weiß, an wem man sich zu halten hat. Dabei
ist den Dienstboten auch vernünftige Freiheit, und
einige Zeit für sich selbst gestattet, die der Herr sorg-
sam respectirt. Die ganze Behandlung der dienenden
Klasse ist weit anständiger, und mit weit mehr Egard
gegen dieselbe verbunden als bei uns, obwohl sie von
aller Vertraulichkeit so gänzlich ausgeschlossen bleibt,
und eine solche Ehrfurcht von ihr gefordert wird, daß
Diener in dieser Hinsicht mehr wie Maschinen als
Menschen betrachtet werden. Dies und ihre gute Be-
zahlung bringt es ohne Zweifel hervor, daß ver-
hältnißmäßig
wirklich die dienende Klasse in ih-
rer Art den meisten äussern Anstand in England
besitzt.

Es wäre sogar in sehr vielen Fällen ein sehr ver-
zeihlicher Verstoß des Fremden, wenn er zuweilen
den Kammerdiener für dessen Lord begrüßte, beson-
ders wenn er Höflichkeit und gewandte Tour-
nure für das Auszeichnende eines vornehmen Man-
nes hielte; denn dieser Maßstab würde in England
keineswegs passend seyn, wo, ohne alle Uebertrei-
bung, die erwähnten Vorzüge, obgleich sonst bei vor-
trefflichen und wesentlichen Eigenschaften, und auch
mit sehr glänzenden einzelnen Ausnahmen, doch bei
der Mehrheit der Vornehmen nicht angetroffen wer-
den. Den Männern steht übrigens ihr, wenn auch

Briefe eines Verstorbenen. III. 8

Dienerſchaft iſt eben ſo vorzüglich, als die Dienſt-
verrichtung dieſer. Jeder hat ſeinen vorgeſchriebenen
Wirkungskreis, in dem man aber auch die genaueſte
Pflichterfüllung fordert, und bei Nachläſſigkeiten im-
mer weiß, an wem man ſich zu halten hat. Dabei
iſt den Dienſtboten auch vernünftige Freiheit, und
einige Zeit für ſich ſelbſt geſtattet, die der Herr ſorg-
ſam reſpectirt. Die ganze Behandlung der dienenden
Klaſſe iſt weit anſtändiger, und mit weit mehr Egard
gegen dieſelbe verbunden als bei uns, obwohl ſie von
aller Vertraulichkeit ſo gänzlich ausgeſchloſſen bleibt,
und eine ſolche Ehrfurcht von ihr gefordert wird, daß
Diener in dieſer Hinſicht mehr wie Maſchinen als
Menſchen betrachtet werden. Dies und ihre gute Be-
zahlung bringt es ohne Zweifel hervor, daß ver-
hältnißmäßig
wirklich die dienende Klaſſe in ih-
rer Art den meiſten äuſſern Anſtand in England
beſitzt.

Es wäre ſogar in ſehr vielen Fällen ein ſehr ver-
zeihlicher Verſtoß des Fremden, wenn er zuweilen
den Kammerdiener für deſſen Lord begrüßte, beſon-
ders wenn er Höflichkeit und gewandte Tour-
nure für das Auszeichnende eines vornehmen Man-
nes hielte; denn dieſer Maßſtab würde in England
keineswegs paſſend ſeyn, wo, ohne alle Uebertrei-
bung, die erwähnten Vorzüge, obgleich ſonſt bei vor-
trefflichen und weſentlichen Eigenſchaften, und auch
mit ſehr glänzenden einzelnen Ausnahmen, doch bei
der Mehrheit der Vornehmen nicht angetroffen wer-
den. Den Männern ſteht übrigens ihr, wenn auch

Briefe eines Verſtorbenen. III. 8
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[113/0153] Dienerſchaft iſt eben ſo vorzüglich, als die Dienſt- verrichtung dieſer. Jeder hat ſeinen vorgeſchriebenen Wirkungskreis, in dem man aber auch die genaueſte Pflichterfüllung fordert, und bei Nachläſſigkeiten im- mer weiß, an wem man ſich zu halten hat. Dabei iſt den Dienſtboten auch vernünftige Freiheit, und einige Zeit für ſich ſelbſt geſtattet, die der Herr ſorg- ſam reſpectirt. Die ganze Behandlung der dienenden Klaſſe iſt weit anſtändiger, und mit weit mehr Egard gegen dieſelbe verbunden als bei uns, obwohl ſie von aller Vertraulichkeit ſo gänzlich ausgeſchloſſen bleibt, und eine ſolche Ehrfurcht von ihr gefordert wird, daß Diener in dieſer Hinſicht mehr wie Maſchinen als Menſchen betrachtet werden. Dies und ihre gute Be- zahlung bringt es ohne Zweifel hervor, daß ver- hältnißmäßig wirklich die dienende Klaſſe in ih- rer Art den meiſten äuſſern Anſtand in England beſitzt. Es wäre ſogar in ſehr vielen Fällen ein ſehr ver- zeihlicher Verſtoß des Fremden, wenn er zuweilen den Kammerdiener für deſſen Lord begrüßte, beſon- ders wenn er Höflichkeit und gewandte Tour- nure für das Auszeichnende eines vornehmen Man- nes hielte; denn dieſer Maßſtab würde in England keineswegs paſſend ſeyn, wo, ohne alle Uebertrei- bung, die erwähnten Vorzüge, obgleich ſonſt bei vor- trefflichen und weſentlichen Eigenſchaften, und auch mit ſehr glänzenden einzelnen Ausnahmen, doch bei der Mehrheit der Vornehmen nicht angetroffen wer- den. Den Männern ſteht übrigens ihr, wenn auch Briefe eines Verſtorbenen. III. 8

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/153>, abgerufen am 23.11.2024.