Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

genblicklich finden und besichtigen, ohne die andern
zu derangiren.

Die Tafel, ich meine das Essen, (bei den meisten
doch die Hauptsache, und bei mir auch nicht die letzte)
wird größtentheils durch französische Köche gut, und
zugleich so wohlfeil versorgt, als es in London mög-
lich ist. Da der Club auch die Weine anschafft, und
zu den Selbstkosten wieder verkaufen läßt, so sind
diese sehr trinkbar und billig. Daß aber überhaupt
in London der Gutschmecker, selbst in den besten
Häusern, fast immer die feinsten Weine vermissen
muß, kömmt aus der sonderbaren Gewohnheit der
Engländer (und dieses Volk hängt auch an Gewohn-
heiten, fester als die Auster an ihrer Schale) sich
ihre Weine nur von Londoner Weinhändlern liefern
zu lassen, und sie nie selbst, wie wir zu thun pfle-
gen, aus den Ländern zu beziehen, wo sie wachsen.
Da nun diese Händler den Wein in solchem Grade
verfälschen, daß vor Kurzem noch einer von ihnen,
der verklagt wurde: so und so viel tausend Flaschen
Claret und Portwein in seinen Kellern zu haben, die
nicht von ihm versteuert worden wären, bewies, daß
aller dieser Wein von ihm selbst in London fabricirt
sey, und dadurch der Strafe entging -- so kann man
denken, welche Gebräue man oft unter den wohlklin-
genden Namen von Champagner, Lafitte u. s. w.
zu trinken bekömmt. Jedenfalls aber kaufen fast nie
die Händler das allerbeste, was im Vaterlande des
Weins zu haben ist, aus dem natürlichen Grunde,
weil sie wenig oder gar keinen Profit daran machen

genblicklich finden und beſichtigen, ohne die andern
zu derangiren.

Die Tafel, ich meine das Eſſen, (bei den meiſten
doch die Hauptſache, und bei mir auch nicht die letzte)
wird größtentheils durch franzöſiſche Köche gut, und
zugleich ſo wohlfeil verſorgt, als es in London mög-
lich iſt. Da der Club auch die Weine anſchafft, und
zu den Selbſtkoſten wieder verkaufen läßt, ſo ſind
dieſe ſehr trinkbar und billig. Daß aber überhaupt
in London der Gutſchmecker, ſelbſt in den beſten
Häuſern, faſt immer die feinſten Weine vermiſſen
muß, kömmt aus der ſonderbaren Gewohnheit der
Engländer (und dieſes Volk hängt auch an Gewohn-
heiten, feſter als die Auſter an ihrer Schale) ſich
ihre Weine nur von Londoner Weinhändlern liefern
zu laſſen, und ſie nie ſelbſt, wie wir zu thun pfle-
gen, aus den Ländern zu beziehen, wo ſie wachſen.
Da nun dieſe Händler den Wein in ſolchem Grade
verfälſchen, daß vor Kurzem noch einer von ihnen,
der verklagt wurde: ſo und ſo viel tauſend Flaſchen
Claret und Portwein in ſeinen Kellern zu haben, die
nicht von ihm verſteuert worden wären, bewies, daß
aller dieſer Wein von ihm ſelbſt in London fabricirt
ſey, und dadurch der Strafe entging — ſo kann man
denken, welche Gebräue man oft unter den wohlklin-
genden Namen von Champagner, Lafitte u. ſ. w.
zu trinken bekömmt. Jedenfalls aber kaufen faſt nie
die Händler das allerbeſte, was im Vaterlande des
Weins zu haben iſt, aus dem natürlichen Grunde,
weil ſie wenig oder gar keinen Profit daran machen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="107"/>
genblicklich finden und be&#x017F;ichtigen, ohne die andern<lb/>
zu derangiren.</p><lb/>
          <p>Die Tafel, ich meine das E&#x017F;&#x017F;en, (bei den mei&#x017F;ten<lb/>
doch die Haupt&#x017F;ache, und bei mir auch nicht die letzte)<lb/>
wird größtentheils durch franzö&#x017F;i&#x017F;che Köche gut, und<lb/>
zugleich &#x017F;o wohlfeil ver&#x017F;orgt, als es in London mög-<lb/>
lich i&#x017F;t. Da der Club auch die Weine an&#x017F;chafft, und<lb/>
zu den Selb&#x017F;tko&#x017F;ten wieder verkaufen läßt, &#x017F;o &#x017F;ind<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;ehr trinkbar und billig. Daß aber überhaupt<lb/>
in London der Gut&#x017F;chmecker, &#x017F;elb&#x017F;t in den be&#x017F;ten<lb/>
Häu&#x017F;ern, fa&#x017F;t immer die fein&#x017F;ten Weine vermi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
muß, kömmt aus der &#x017F;onderbaren Gewohnheit der<lb/>
Engländer (und die&#x017F;es Volk hängt auch an Gewohn-<lb/>
heiten, fe&#x017F;ter als die Au&#x017F;ter an ihrer Schale) &#x017F;ich<lb/>
ihre Weine nur von Londoner Weinhändlern liefern<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie nie &#x017F;elb&#x017F;t, wie wir zu thun pfle-<lb/>
gen, aus den Ländern zu beziehen, wo &#x017F;ie wach&#x017F;en.<lb/>
Da nun die&#x017F;e Händler den Wein in &#x017F;olchem Grade<lb/>
verfäl&#x017F;chen, daß vor Kurzem noch einer von ihnen,<lb/>
der verklagt wurde: &#x017F;o und &#x017F;o viel tau&#x017F;end Fla&#x017F;chen<lb/>
Claret und Portwein in &#x017F;einen Kellern zu haben, die<lb/>
nicht von ihm ver&#x017F;teuert worden wären, bewies, daß<lb/>
aller die&#x017F;er Wein von ihm &#x017F;elb&#x017F;t in London fabricirt<lb/>
&#x017F;ey, und dadurch der Strafe entging &#x2014; &#x017F;o kann man<lb/>
denken, welche Gebräue man oft unter den wohlklin-<lb/>
genden Namen von Champagner, Lafitte u. &#x017F;. w.<lb/>
zu trinken bekömmt. Jedenfalls aber kaufen fa&#x017F;t nie<lb/>
die Händler das allerbe&#x017F;te, was im Vaterlande des<lb/>
Weins zu haben i&#x017F;t, aus dem natürlichen Grunde,<lb/>
weil &#x017F;ie wenig oder gar keinen Profit daran machen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0147] genblicklich finden und beſichtigen, ohne die andern zu derangiren. Die Tafel, ich meine das Eſſen, (bei den meiſten doch die Hauptſache, und bei mir auch nicht die letzte) wird größtentheils durch franzöſiſche Köche gut, und zugleich ſo wohlfeil verſorgt, als es in London mög- lich iſt. Da der Club auch die Weine anſchafft, und zu den Selbſtkoſten wieder verkaufen läßt, ſo ſind dieſe ſehr trinkbar und billig. Daß aber überhaupt in London der Gutſchmecker, ſelbſt in den beſten Häuſern, faſt immer die feinſten Weine vermiſſen muß, kömmt aus der ſonderbaren Gewohnheit der Engländer (und dieſes Volk hängt auch an Gewohn- heiten, feſter als die Auſter an ihrer Schale) ſich ihre Weine nur von Londoner Weinhändlern liefern zu laſſen, und ſie nie ſelbſt, wie wir zu thun pfle- gen, aus den Ländern zu beziehen, wo ſie wachſen. Da nun dieſe Händler den Wein in ſolchem Grade verfälſchen, daß vor Kurzem noch einer von ihnen, der verklagt wurde: ſo und ſo viel tauſend Flaſchen Claret und Portwein in ſeinen Kellern zu haben, die nicht von ihm verſteuert worden wären, bewies, daß aller dieſer Wein von ihm ſelbſt in London fabricirt ſey, und dadurch der Strafe entging — ſo kann man denken, welche Gebräue man oft unter den wohlklin- genden Namen von Champagner, Lafitte u. ſ. w. zu trinken bekömmt. Jedenfalls aber kaufen faſt nie die Händler das allerbeſte, was im Vaterlande des Weins zu haben iſt, aus dem natürlichen Grunde, weil ſie wenig oder gar keinen Profit daran machen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/147
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/147>, abgerufen am 22.11.2024.