Früchten gehöre, die ihm doch allein ihr Daseyn ver- danken.
Die meisten Zimmer im Schlosse sind noch ganz so meublirt, wie sie Wilhelm III. vor 120 Jahren verließ. Man konservirt absichtlich die zerrissenen Stühle und Tapeten. Viele interessante und vor- treffliche Gemälde zieren diese Gebäude, vor allen die berühmten Cartons von Raphael, welche aber bald von hier nach dem neuen Pallast des Königs wandern sollen. Du hast das Alles aber so oft be- schrieben gelesen, daß ich mich der Wiederholung ent- halte. Nur zwei schöne Portraits, Wolsey's des stolzen Erbauers dieses Pallastes, und Heinrich des VIII. seines verrätherischen Herrn, laß mich erwähnen. Beide sind vortrefflich und höchst charakteristisch. Du erinnerst Dich jenes dicken Advokaten, den wir nur mit so vieler Mühe los wurden, thierischen Aus- drucks, sinnlich, blutgierig soweit die heutige Zeit es erlaubt, gewandt, spitzfindig, voller Geist und Arglist, und bei unbegränztem Hochmuth doch mit überwiegender Tendenz zum Gemeinen, zuletzt aber noch auf eine wahrhaft naive Weise frei von allem Gewissen -- gib dem Bilde Heinrichs einen grünen Frack mit Perlmutterknöpfen und Du hast sein treue- stes Portrait.
Immer wiederholt sich in andrer Nüance die Natur, aber die Stufen sind verschieden, und mit ihnen die Ausbildung, wie das Schicksal der Menschen und der Welt.
Früchten gehöre, die ihm doch allein ihr Daſeyn ver- danken.
Die meiſten Zimmer im Schloſſe ſind noch ganz ſo meublirt, wie ſie Wilhelm III. vor 120 Jahren verließ. Man konſervirt abſichtlich die zerriſſenen Stühle und Tapeten. Viele intereſſante und vor- treffliche Gemälde zieren dieſe Gebäude, vor allen die berühmten Cartons von Raphael, welche aber bald von hier nach dem neuen Pallaſt des Königs wandern ſollen. Du haſt das Alles aber ſo oft be- ſchrieben geleſen, daß ich mich der Wiederholung ent- halte. Nur zwei ſchöne Portraits, Wolſey’s des ſtolzen Erbauers dieſes Pallaſtes, und Heinrich des VIII. ſeines verrätheriſchen Herrn, laß mich erwähnen. Beide ſind vortrefflich und höchſt charakteriſtiſch. Du erinnerſt Dich jenes dicken Advokaten, den wir nur mit ſo vieler Mühe los wurden, thieriſchen Aus- drucks, ſinnlich, blutgierig ſoweit die heutige Zeit es erlaubt, gewandt, ſpitzfindig, voller Geiſt und Argliſt, und bei unbegränztem Hochmuth doch mit überwiegender Tendenz zum Gemeinen, zuletzt aber noch auf eine wahrhaft naive Weiſe frei von allem Gewiſſen — gib dem Bilde Heinrichs einen grünen Frack mit Perlmutterknöpfen und Du haſt ſein treue- ſtes Portrait.
Immer wiederholt ſich in andrer Nüance die Natur, aber die Stufen ſind verſchieden, und mit ihnen die Ausbildung, wie das Schickſal der Menſchen und der Welt.
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Früchten gehöre, die ihm doch allein ihr Daſeyn ver-
danken.
Die meiſten Zimmer im Schloſſe ſind noch ganz
ſo meublirt, wie ſie Wilhelm III. vor 120 Jahren
verließ. Man konſervirt abſichtlich die zerriſſenen
Stühle und Tapeten. Viele intereſſante und vor-
treffliche Gemälde zieren dieſe Gebäude, vor allen
die berühmten Cartons von Raphael, welche aber
bald von hier nach dem neuen Pallaſt des Königs
wandern ſollen. Du haſt das Alles aber ſo oft be-
ſchrieben geleſen, daß ich mich der Wiederholung ent-
halte. Nur zwei ſchöne Portraits, Wolſey’s des
ſtolzen Erbauers dieſes Pallaſtes, und Heinrich des
VIII. ſeines verrätheriſchen Herrn, laß mich erwähnen.
Beide ſind vortrefflich und höchſt charakteriſtiſch. Du
erinnerſt Dich jenes dicken Advokaten, den wir nur
mit ſo vieler Mühe los wurden, thieriſchen Aus-
drucks, ſinnlich, blutgierig ſoweit die heutige Zeit
es erlaubt, gewandt, ſpitzfindig, voller Geiſt und
Argliſt, und bei unbegränztem Hochmuth doch mit
überwiegender Tendenz zum Gemeinen, zuletzt aber
noch auf eine wahrhaft naive Weiſe frei von allem
Gewiſſen — gib dem Bilde Heinrichs einen grünen
Frack mit Perlmutterknöpfen und Du haſt ſein treue-
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Immer wiederholt ſich in andrer Nüance die Natur,
aber die Stufen ſind verſchieden, und mit ihnen die
Ausbildung, wie das Schickſal der Menſchen und
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/108>, abgerufen am 22.11.2024.
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