Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

von ganz anderer Natur, als sein deutscher Kame-
rad. Es ist ein Elfenkönig, klein wie Däumling, in
Smaragdgrün prächtig gekleidet, und von einem Ge-
folge begleitet, das auf Pferden, nicht größer wie
Ratten, über die Felsen, wie über das Meer, mit
Windesschnelle gallopirt. Sugarloaf selbst ist der
große Sammelplatz aller irländischen Feen. Die Höh-
len sind voller Seemuscheln und phantastischer Stein-
gestaltungen, welche die Neugierde des Besuchers rei-
zen, in denen aber, für alle Schätze der Welt, kein
Eingeborner die Nacht zubringen würde. -- Von der
Spitze des Berges, oder besser Felsen, bis gegen diese
Höhlen herab, unterscheidet man bei klarem Wetter
ein eignes Naturspiel: zwei gewundene aber stets in
gleicher Weite laufende Rinnen, die in der Ferne
vollkommen einem Wagengleise gleichen. Was könnte
dies anders seyn, als die Spur von der Fairy Köni-
gin Wagen? worin sie auch mancher alte Bergbe-
wohner bei Sonnen Auf- oder Untergang in über-
irdischem Pomp hinauffahren sah, um das Jahresfest
mit ihrer Gegenwart zu schmücken. Gewiß wird der
Alte bereit seyn, mit jedem beliebigen Schwur die
Wahrheit seiner Aussage zu bekräftigen, denn er
glaubt daran, und das eben giebt den Mährchen
dieses Volks einen so verführerischen Reiz, daß man
selbst davon angesteckt wird.

Col. W ..., der früher ein leidenschaftlicher Jäger
war, kennt Fuß und Gipfel eines jeden Berges im
ganzen Distrikt genau, und erzählte mir, chemin fai-

von ganz anderer Natur, als ſein deutſcher Kame-
rad. Es iſt ein Elfenkönig, klein wie Däumling, in
Smaragdgrün prächtig gekleidet, und von einem Ge-
folge begleitet, das auf Pferden, nicht größer wie
Ratten, über die Felſen, wie über das Meer, mit
Windesſchnelle gallopirt. Sugarloaf ſelbſt iſt der
große Sammelplatz aller irländiſchen Feen. Die Höh-
len ſind voller Seemuſcheln und phantaſtiſcher Stein-
geſtaltungen, welche die Neugierde des Beſuchers rei-
zen, in denen aber, für alle Schätze der Welt, kein
Eingeborner die Nacht zubringen würde. — Von der
Spitze des Berges, oder beſſer Felſen, bis gegen dieſe
Höhlen herab, unterſcheidet man bei klarem Wetter
ein eignes Naturſpiel: zwei gewundene aber ſtets in
gleicher Weite laufende Rinnen, die in der Ferne
vollkommen einem Wagengleiſe gleichen. Was könnte
dies anders ſeyn, als die Spur von der Fairy Köni-
gin Wagen? worin ſie auch mancher alte Bergbe-
wohner bei Sonnen Auf- oder Untergang in über-
irdiſchem Pomp hinauffahren ſah, um das Jahresfeſt
mit ihrer Gegenwart zu ſchmücken. Gewiß wird der
Alte bereit ſeyn, mit jedem beliebigen Schwur die
Wahrheit ſeiner Ausſage zu bekräftigen, denn er
glaubt daran, und das eben giebt den Mährchen
dieſes Volks einen ſo verführeriſchen Reiz, daß man
ſelbſt davon angeſteckt wird.

Col. W …, der früher ein leidenſchaftlicher Jäger
war, kennt Fuß und Gipfel eines jeden Berges im
ganzen Diſtrikt genau, und erzählte mir, chemin fai-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="42"/>
von ganz anderer Natur, als &#x017F;ein deut&#x017F;cher Kame-<lb/>
rad. Es i&#x017F;t ein Elfenkönig, klein wie Däumling, in<lb/>
Smaragdgrün prächtig gekleidet, und von einem Ge-<lb/>
folge begleitet, das auf Pferden, nicht größer wie<lb/>
Ratten, über die Fel&#x017F;en, wie über das Meer, mit<lb/>
Windes&#x017F;chnelle gallopirt. Sugarloaf &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t der<lb/>
große Sammelplatz aller irländi&#x017F;chen Feen. Die Höh-<lb/>
len &#x017F;ind voller Seemu&#x017F;cheln und phanta&#x017F;ti&#x017F;cher Stein-<lb/>
ge&#x017F;taltungen, welche die Neugierde des Be&#x017F;uchers rei-<lb/>
zen, in denen aber, für alle Schätze der Welt, kein<lb/>
Eingeborner die Nacht zubringen würde. &#x2014; Von der<lb/>
Spitze des Berges, oder be&#x017F;&#x017F;er Fel&#x017F;en, bis gegen die&#x017F;e<lb/>
Höhlen herab, unter&#x017F;cheidet man bei klarem Wetter<lb/>
ein eignes Natur&#x017F;piel: zwei gewundene aber &#x017F;tets in<lb/>
gleicher Weite laufende Rinnen, die in der Ferne<lb/>
vollkommen einem Wagenglei&#x017F;e gleichen. Was könnte<lb/>
dies anders &#x017F;eyn, als die Spur von der Fairy Köni-<lb/>
gin Wagen? worin &#x017F;ie auch mancher alte Bergbe-<lb/>
wohner bei Sonnen Auf- oder Untergang in über-<lb/>
irdi&#x017F;chem Pomp hinauffahren &#x017F;ah, um das Jahresfe&#x017F;t<lb/>
mit ihrer Gegenwart zu &#x017F;chmücken. Gewiß wird der<lb/>
Alte bereit &#x017F;eyn, mit jedem beliebigen Schwur die<lb/>
Wahrheit &#x017F;einer Aus&#x017F;age zu bekräftigen, denn er<lb/><hi rendition="#g">glaubt</hi> daran, und das eben giebt den Mährchen<lb/>
die&#x017F;es Volks einen &#x017F;o verführeri&#x017F;chen Reiz, daß man<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t davon ange&#x017F;teckt wird.</p><lb/>
          <p>Col. W &#x2026;, der früher ein leiden&#x017F;chaftlicher Jäger<lb/>
war, kennt Fuß und Gipfel eines jeden Berges im<lb/>
ganzen Di&#x017F;trikt genau, und erzählte mir, <hi rendition="#aq">chemin fai-<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0064] von ganz anderer Natur, als ſein deutſcher Kame- rad. Es iſt ein Elfenkönig, klein wie Däumling, in Smaragdgrün prächtig gekleidet, und von einem Ge- folge begleitet, das auf Pferden, nicht größer wie Ratten, über die Felſen, wie über das Meer, mit Windesſchnelle gallopirt. Sugarloaf ſelbſt iſt der große Sammelplatz aller irländiſchen Feen. Die Höh- len ſind voller Seemuſcheln und phantaſtiſcher Stein- geſtaltungen, welche die Neugierde des Beſuchers rei- zen, in denen aber, für alle Schätze der Welt, kein Eingeborner die Nacht zubringen würde. — Von der Spitze des Berges, oder beſſer Felſen, bis gegen dieſe Höhlen herab, unterſcheidet man bei klarem Wetter ein eignes Naturſpiel: zwei gewundene aber ſtets in gleicher Weite laufende Rinnen, die in der Ferne vollkommen einem Wagengleiſe gleichen. Was könnte dies anders ſeyn, als die Spur von der Fairy Köni- gin Wagen? worin ſie auch mancher alte Bergbe- wohner bei Sonnen Auf- oder Untergang in über- irdiſchem Pomp hinauffahren ſah, um das Jahresfeſt mit ihrer Gegenwart zu ſchmücken. Gewiß wird der Alte bereit ſeyn, mit jedem beliebigen Schwur die Wahrheit ſeiner Ausſage zu bekräftigen, denn er glaubt daran, und das eben giebt den Mährchen dieſes Volks einen ſo verführeriſchen Reiz, daß man ſelbſt davon angeſteckt wird. Col. W …, der früher ein leidenſchaftlicher Jäger war, kennt Fuß und Gipfel eines jeden Berges im ganzen Diſtrikt genau, und erzählte mir, chemin fai-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/64
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/64>, abgerufen am 25.11.2024.