Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebrigens hätte ich selbst mich in der Christuslehre
immer am meisten an die Vorschriften der Pflicht-
erfüllung, Zuversicht auf Gott, Sanftmuth und Näch-
stenliebe zu halten gesucht, obgleich es mir leider nur
zu selten damit nach Wunsche gelungen -- glaubte
aber doch, in Folge dessen, unbekümmert darüber seyn
zu können, ob wir erst gerichtet und dann verbrannt,
oder erst verbrannt und dann gerichtet würden. Alles
was Gott thue, sey jedenfalls wohlgethan. Ich müßte
aber gestehen, daß ich mich während meines hiesigen
Lebens eben so gut in Gottes Hand, und eben so
nahe seiner Macht, betrachte, als nach meinem irdi-
schen Ende, oder selbst nach dem Ende der kleinen
Erde, die wir Welt zu nennen pflegen. Das Welt-
gericht daure, meiner Meinung nach, ewig, gleich dem
Weltengeist. -- Diese Erklärung versöhnte die Käm-
pfenden glücklich, -- indem sie sie beide gegen mich
vereinigte. Doch gelang mir noch zuletzt ein geschick-
ter Rückzug, ohne ganz ihre Gunst zu verlieren.

Gegen Abend hatten wir, zwischen Streifregen,
Dämmerung und Sonnenuntergang, noch eine herr-
liche Beleuchtung. Unser Wasserfall im Park, war
so angeschwollen, daß er sich auch etwas zu donnern
erlaubte, und Gras und Busch hatte sich gar artig
mit bunten Sonnenstrahlen illuminirt. Wir spazier-
ten bis in die Nacht umher, sahen den hohen Su-
garloaf nach und nach vom Dunkelblau in's Rosa
übergehen, und ergötzten uns am klaren Spiegel des
Meers, am Hüpfen der Fische auf seiner Oberfläche,

Uebrigens hätte ich ſelbſt mich in der Chriſtuslehre
immer am meiſten an die Vorſchriften der Pflicht-
erfüllung, Zuverſicht auf Gott, Sanftmuth und Näch-
ſtenliebe zu halten geſucht, obgleich es mir leider nur
zu ſelten damit nach Wunſche gelungen — glaubte
aber doch, in Folge deſſen, unbekümmert darüber ſeyn
zu können, ob wir erſt gerichtet und dann verbrannt,
oder erſt verbrannt und dann gerichtet würden. Alles
was Gott thue, ſey jedenfalls wohlgethan. Ich müßte
aber geſtehen, daß ich mich während meines hieſigen
Lebens eben ſo gut in Gottes Hand, und eben ſo
nahe ſeiner Macht, betrachte, als nach meinem irdi-
ſchen Ende, oder ſelbſt nach dem Ende der kleinen
Erde, die wir Welt zu nennen pflegen. Das Welt-
gericht daure, meiner Meinung nach, ewig, gleich dem
Weltengeiſt. — Dieſe Erklärung verſöhnte die Käm-
pfenden glücklich, — indem ſie ſie beide gegen mich
vereinigte. Doch gelang mir noch zuletzt ein geſchick-
ter Rückzug, ohne ganz ihre Gunſt zu verlieren.

Gegen Abend hatten wir, zwiſchen Streifregen,
Dämmerung und Sonnenuntergang, noch eine herr-
liche Beleuchtung. Unſer Waſſerfall im Park, war
ſo angeſchwollen, daß er ſich auch etwas zu donnern
erlaubte, und Gras und Buſch hatte ſich gar artig
mit bunten Sonnenſtrahlen illuminirt. Wir ſpazier-
ten bis in die Nacht umher, ſahen den hohen Su-
garloaf nach und nach vom Dunkelblau in’s Roſa
übergehen, und ergötzten uns am klaren Spiegel des
Meers, am Hüpfen der Fiſche auf ſeiner Oberfläche,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="37"/>
Uebrigens hätte ich &#x017F;elb&#x017F;t mich in der Chri&#x017F;tuslehre<lb/>
immer am mei&#x017F;ten an die Vor&#x017F;chriften der Pflicht-<lb/>
erfüllung, Zuver&#x017F;icht auf Gott, Sanftmuth und Näch-<lb/>
&#x017F;tenliebe zu halten ge&#x017F;ucht, obgleich es mir leider nur<lb/>
zu &#x017F;elten damit nach Wun&#x017F;che gelungen &#x2014; glaubte<lb/>
aber doch, in Folge de&#x017F;&#x017F;en, unbekümmert darüber &#x017F;eyn<lb/>
zu können, ob wir er&#x017F;t gerichtet und dann verbrannt,<lb/>
oder er&#x017F;t verbrannt und dann gerichtet würden. Alles<lb/>
was Gott thue, &#x017F;ey jedenfalls wohlgethan. Ich müßte<lb/>
aber ge&#x017F;tehen, daß ich mich während meines hie&#x017F;igen<lb/>
Lebens eben &#x017F;o gut in Gottes Hand, und eben &#x017F;o<lb/>
nahe &#x017F;einer Macht, betrachte, als nach meinem irdi-<lb/>
&#x017F;chen Ende, oder &#x017F;elb&#x017F;t nach dem Ende der kleinen<lb/>
Erde, die wir Welt zu nennen pflegen. Das Welt-<lb/>
gericht daure, meiner Meinung nach, ewig, gleich dem<lb/>
Weltengei&#x017F;t. &#x2014; Die&#x017F;e Erklärung ver&#x017F;öhnte die Käm-<lb/>
pfenden glücklich, &#x2014; indem &#x017F;ie &#x017F;ie beide <hi rendition="#g">gegen mich</hi><lb/>
vereinigte. Doch gelang mir noch zuletzt ein ge&#x017F;chick-<lb/>
ter Rückzug, ohne ganz ihre Gun&#x017F;t zu verlieren.</p><lb/>
          <p>Gegen Abend hatten wir, zwi&#x017F;chen Streifregen,<lb/>
Dämmerung und Sonnenuntergang, noch eine herr-<lb/>
liche Beleuchtung. <hi rendition="#g">Un&#x017F;er</hi> Wa&#x017F;&#x017F;erfall im Park, war<lb/>
&#x017F;o ange&#x017F;chwollen, daß er &#x017F;ich auch etwas zu donnern<lb/>
erlaubte, und Gras und Bu&#x017F;ch hatte &#x017F;ich gar artig<lb/>
mit bunten Sonnen&#x017F;trahlen illuminirt. Wir &#x017F;pazier-<lb/>
ten bis in die Nacht umher, &#x017F;ahen den hohen Su-<lb/>
garloaf nach und nach vom Dunkelblau in&#x2019;s Ro&#x017F;a<lb/>
übergehen, und ergötzten uns am klaren Spiegel des<lb/>
Meers, am Hüpfen der Fi&#x017F;che auf &#x017F;einer Oberfläche,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0059] Uebrigens hätte ich ſelbſt mich in der Chriſtuslehre immer am meiſten an die Vorſchriften der Pflicht- erfüllung, Zuverſicht auf Gott, Sanftmuth und Näch- ſtenliebe zu halten geſucht, obgleich es mir leider nur zu ſelten damit nach Wunſche gelungen — glaubte aber doch, in Folge deſſen, unbekümmert darüber ſeyn zu können, ob wir erſt gerichtet und dann verbrannt, oder erſt verbrannt und dann gerichtet würden. Alles was Gott thue, ſey jedenfalls wohlgethan. Ich müßte aber geſtehen, daß ich mich während meines hieſigen Lebens eben ſo gut in Gottes Hand, und eben ſo nahe ſeiner Macht, betrachte, als nach meinem irdi- ſchen Ende, oder ſelbſt nach dem Ende der kleinen Erde, die wir Welt zu nennen pflegen. Das Welt- gericht daure, meiner Meinung nach, ewig, gleich dem Weltengeiſt. — Dieſe Erklärung verſöhnte die Käm- pfenden glücklich, — indem ſie ſie beide gegen mich vereinigte. Doch gelang mir noch zuletzt ein geſchick- ter Rückzug, ohne ganz ihre Gunſt zu verlieren. Gegen Abend hatten wir, zwiſchen Streifregen, Dämmerung und Sonnenuntergang, noch eine herr- liche Beleuchtung. Unſer Waſſerfall im Park, war ſo angeſchwollen, daß er ſich auch etwas zu donnern erlaubte, und Gras und Buſch hatte ſich gar artig mit bunten Sonnenſtrahlen illuminirt. Wir ſpazier- ten bis in die Nacht umher, ſahen den hohen Su- garloaf nach und nach vom Dunkelblau in’s Roſa übergehen, und ergötzten uns am klaren Spiegel des Meers, am Hüpfen der Fiſche auf ſeiner Oberfläche,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/59
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/59>, abgerufen am 30.04.2024.