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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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tigkeit des Ruhms und seiner Monumente. Auf
diesem Platz stand, wie Du Dich noch erinnern wirst,
einst Desaix's Statüe, die er wahrlich um Frankreich
verdient hatte. Jetzt ist sie weggeworfen, und ein
römisch gepanzerter Ludwig der XIV., mit der Al-
longen-Perücke auf dem Haupte, dessen Roß einem
großen hölzernen Steckenpferd ähnlich sieht, hat
seine Stelle eingenommen. Mit Mühe tröstete ich
mich über die traurigen moralischen Betrachtungen,
die dieser Anblick bei mir erweckte, durch sinnlichere
Eindrücke im sallon des freres provencaux, ver-
möge guter Trüffeln, und der Lektüre eines weniger
guten Mode-Romans. Ja ich bedurfte einer ganzen
Bouteille Champagner, um endlich mit Salomo aus-
rufen zu können: Alles ist eitel! und dann hinzuzu-
setzen: Drum genießt den Augenblick, ohne zuviel
darüber nachzudenken! In dieser guten Stimmung
durchstrich ich hierauf zum letztenmal das Palais
royal,
wo so viel bunte Colifichets, und neue Er-
findungen mir aus den hellerleuchteten Buden entge-
genglänzten, daß ich am crystallnen Nachthimmel
den Vollmond, der, ganz klein und eydottergelb, an
einer der Feueressen gegenüber zu hängen schien, bei-
nahe auch für eine ganz neu erfundene Spielsache
angesehen, und mich gar nicht sehr gewundert haben
würde, wenn der Mondmann, oder Mademoiselle
Garnerin daraus hervorgestiegen, und im Innern
von Very's Feueresse verschwunden wären. Da aber
Alles beim Alten blieb, so ließ ich mir wenigstens
von dem, die dunkeln Oehllampen sehr überstrahlen-

tigkeit des Ruhms und ſeiner Monumente. Auf
dieſem Platz ſtand, wie Du Dich noch erinnern wirſt,
einſt Deſaix’s Statüe, die er wahrlich um Frankreich
verdient hatte. Jetzt iſt ſie weggeworfen, und ein
römiſch gepanzerter Ludwig der XIV., mit der Al-
longen-Perücke auf dem Haupte, deſſen Roß einem
großen hölzernen Steckenpferd ähnlich ſieht, hat
ſeine Stelle eingenommen. Mit Mühe tröſtete ich
mich über die traurigen moraliſchen Betrachtungen,
die dieſer Anblick bei mir erweckte, durch ſinnlichere
Eindrücke im sallon des frêres provencaux, ver-
möge guter Trüffeln, und der Lektüre eines weniger
guten Mode-Romans. Ja ich bedurfte einer ganzen
Bouteille Champagner, um endlich mit Salomo aus-
rufen zu können: Alles iſt eitel! und dann hinzuzu-
ſetzen: Drum genießt den Augenblick, ohne zuviel
darüber nachzudenken! In dieſer guten Stimmung
durchſtrich ich hierauf zum letztenmal das Palais
royal,
wo ſo viel bunte Colifichets, und neue Er-
findungen mir aus den hellerleuchteten Buden entge-
genglänzten, daß ich am cryſtallnen Nachthimmel
den Vollmond, der, ganz klein und eydottergelb, an
einer der Feuereſſen gegenüber zu hängen ſchien, bei-
nahe auch für eine ganz neu erfundene Spielſache
angeſehen, und mich gar nicht ſehr gewundert haben
würde, wenn der Mondmann, oder Mademoiſelle
Garnerin daraus hervorgeſtiegen, und im Innern
von Very’s Feuereſſe verſchwunden wären. Da aber
Alles beim Alten blieb, ſo ließ ich mir wenigſtens
von dem, die dunkeln Oehllampen ſehr überſtrahlen-

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[391/0413] tigkeit des Ruhms und ſeiner Monumente. Auf dieſem Platz ſtand, wie Du Dich noch erinnern wirſt, einſt Deſaix’s Statüe, die er wahrlich um Frankreich verdient hatte. Jetzt iſt ſie weggeworfen, und ein römiſch gepanzerter Ludwig der XIV., mit der Al- longen-Perücke auf dem Haupte, deſſen Roß einem großen hölzernen Steckenpferd ähnlich ſieht, hat ſeine Stelle eingenommen. Mit Mühe tröſtete ich mich über die traurigen moraliſchen Betrachtungen, die dieſer Anblick bei mir erweckte, durch ſinnlichere Eindrücke im sallon des frêres provencaux, ver- möge guter Trüffeln, und der Lektüre eines weniger guten Mode-Romans. Ja ich bedurfte einer ganzen Bouteille Champagner, um endlich mit Salomo aus- rufen zu können: Alles iſt eitel! und dann hinzuzu- ſetzen: Drum genießt den Augenblick, ohne zuviel darüber nachzudenken! In dieſer guten Stimmung durchſtrich ich hierauf zum letztenmal das Palais royal, wo ſo viel bunte Colifichets, und neue Er- findungen mir aus den hellerleuchteten Buden entge- genglänzten, daß ich am cryſtallnen Nachthimmel den Vollmond, der, ganz klein und eydottergelb, an einer der Feuereſſen gegenüber zu hängen ſchien, bei- nahe auch für eine ganz neu erfundene Spielſache angeſehen, und mich gar nicht ſehr gewundert haben würde, wenn der Mondmann, oder Mademoiſelle Garnerin daraus hervorgeſtiegen, und im Innern von Very’s Feuereſſe verſchwunden wären. Da aber Alles beim Alten blieb, ſo ließ ich mir wenigſtens von dem, die dunkeln Oehllampen ſehr überſtrahlen-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/413>, abgerufen am 03.05.2024.