Als Zugabe zu meinem gestrigen Briefe habe ich Dir schnell eine Dame blanche, gefüllt mit -- Bon- bons gekauft, und als nachfolgendes Weihnachtsge- schenk für Mademoiselle H . . . . eine Bronze pen- dule beigefügt, mit laufendem Springbrunnen am Fuße und einem arbeitenden Telegraphen auf der Spitze. Sage ihr, daß sie den letzten sehr gut gebrau- chen möge, um durch seine Hülfe öffentliche Gespräche zu halten, die doch kein Unberufner verstehen könne. An solchen Spielereien ist Paris unerschöpflich, sie sind aber hauptsächlich nur auf die Fremden berech- net, denn die Franzosen kaufen sie selten und finden sie, nicht ganz mit Unrecht, de mauvais gout.
Um mit den Theatern zu endigen, besuchte ich heute drei auf einmal. Zuerst im theatre francais zwei Akte aus der neueren, höchst elenden Tragödie, Isa- belle de Baviere. Auch diesmal fand ich meine frü- heren Eindrücke bestätigt, und nicht allein die Schau- spieler (Joanny ausgenommen, der die Rolle Carl des VI. nicht schlecht spielt, wenn er gleich Talma nicht verglichen werden kann) waren die Mittelmä- ßigkeit selbst, sondern auch Costumes, Dekorationen und aller übrige Apparat unter dem letzten Boule- vards-Theater. Das Pariser Volk wurde unter an- dern durch sieben Männer und zwei Weiber, die Pairs von Frankreich aber durch drei oder vier Sta- tisten, in wahre Lumpen gehüllt und mit goldpapier- nen Kronen auf den Köpfen, wie in der Puppen-
Den 14ten.
Als Zugabe zu meinem geſtrigen Briefe habe ich Dir ſchnell eine Dame blanche, gefüllt mit — Bon- bons gekauft, und als nachfolgendes Weihnachtsge- ſchenk für Mademoiſelle H . . . . eine Bronze pen- dule beigefügt, mit laufendem Springbrunnen am Fuße und einem arbeitenden Telegraphen auf der Spitze. Sage ihr, daß ſie den letzten ſehr gut gebrau- chen möge, um durch ſeine Hülfe öffentliche Geſpräche zu halten, die doch kein Unberufner verſtehen könne. An ſolchen Spielereien iſt Paris unerſchöpflich, ſie ſind aber hauptſächlich nur auf die Fremden berech- net, denn die Franzoſen kaufen ſie ſelten und finden ſie, nicht ganz mit Unrecht, de mauvais gout.
Um mit den Theatern zu endigen, beſuchte ich heute drei auf einmal. Zuerſt im théâtre français zwei Akte aus der neueren, höchſt elenden Tragödie, Isa- belle de Bavière. Auch diesmal fand ich meine frü- heren Eindrücke beſtätigt, und nicht allein die Schau- ſpieler (Joanny ausgenommen, der die Rolle Carl des VI. nicht ſchlecht ſpielt, wenn er gleich Talma nicht verglichen werden kann) waren die Mittelmä- ßigkeit ſelbſt, ſondern auch Coſtumes, Dekorationen und aller übrige Apparat unter dem letzten Boule- vards-Theater. Das Pariſer Volk wurde unter an- dern durch ſieben Männer und zwei Weiber, die Pairs von Frankreich aber durch drei oder vier Sta- tiſten, in wahre Lumpen gehüllt und mit goldpapier- nen Kronen auf den Köpfen, wie in der Puppen-
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Den 14ten.
Als Zugabe zu meinem geſtrigen Briefe habe ich
Dir ſchnell eine Dame blanche, gefüllt mit — Bon-
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ſchenk für Mademoiſelle H . . . . eine Bronze pen-
dule beigefügt, mit laufendem Springbrunnen am
Fuße und einem arbeitenden Telegraphen auf der
Spitze. Sage ihr, daß ſie den letzten ſehr gut gebrau-
chen möge, um durch ſeine Hülfe öffentliche Geſpräche
zu halten, die doch kein Unberufner verſtehen könne.
An ſolchen Spielereien iſt Paris unerſchöpflich, ſie
ſind aber hauptſächlich nur auf die Fremden berech-
net, denn die Franzoſen kaufen ſie ſelten und finden
ſie, nicht ganz mit Unrecht, de mauvais gout.
Um mit den Theatern zu endigen, beſuchte ich heute
drei auf einmal. Zuerſt im théâtre français zwei
Akte aus der neueren, höchſt elenden Tragödie, Isa-
belle de Bavière. Auch diesmal fand ich meine frü-
heren Eindrücke beſtätigt, und nicht allein die Schau-
ſpieler (Joanny ausgenommen, der die Rolle Carl
des VI. nicht ſchlecht ſpielt, wenn er gleich Talma
nicht verglichen werden kann) waren die Mittelmä-
ßigkeit ſelbſt, ſondern auch Coſtumes, Dekorationen
und aller übrige Apparat unter dem letzten Boule-
vards-Theater. Das Pariſer Volk wurde unter an-
dern durch ſieben Männer und zwei Weiber, die
Pairs von Frankreich aber durch drei oder vier Sta-
tiſten, in wahre Lumpen gehüllt und mit goldpapier-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/406>, abgerufen am 22.11.2024.
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