Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

der ersten Magistrats-Person, dem Onkel des Ge-
tödteten ab, der hier vor ihm stehe. Dieser fixirt
den Geängsteten mit teuflischem Lächeln, und als er
sich vor ihm niederwirft, sagt er freundlich: Wohlan,
lieber Polder, Ihr erscheint hier, wie gerufen! Ich
höre, daß Ihr Euer Meisterstück noch nicht abgelegt
habt, und requirire Euch hiermit im Namen der
Regierung, und in Ermangelung jedes Andern, der
Euer Amt verrichten könnte, zu der bevorstehenden
Execution. Polder, stumm vor Entsetzen und
Wuth, starrt zuerst seinen unmenschlichen Feind
lange schweigend an, und bricht dann in glühende
Worte aus, die sich einigemal fast zur tragischen
Würde erheben. Endlich ruft er: "Ich habe noch
nie das Blut eines Nebenmenschen vergossen und
werde es nie, aber müßte ich es, so sollte es doch
nur das Deinige seyn, Unmensch! Doch, wie plötz-
lich inspirirt und umgewandelt, setzt er nach einer
Pause hinzu: Verzeiht! der Schmerz nahm mir die
Sinne. Es sey -- ich gehorche dem Befehl. Er-
laubt mir nur eine kurze Vorbereitung. Mit Ver-
wunderung und erschüttert sehen ihm beide nach,
und folgen ihm schweigend.

Wir finden jetzt Friedrich in seinem Kerker, wo
Graf Assefeldt eben eintritt, um den Verurtheilten
zu fragen, ob er ihm noch in irgend etwas dienen
könne? Friedrich verlangt blos zu wissen, ob eine
schnell vollzogene Verbindung mit Maria, und ihre
Einsetzung zu der Erbin seines Namens und Ver-

der erſten Magiſtrats-Perſon, dem Onkel des Ge-
tödteten ab, der hier vor ihm ſtehe. Dieſer fixirt
den Geängſteten mit teufliſchem Lächeln, und als er
ſich vor ihm niederwirft, ſagt er freundlich: Wohlan,
lieber Polder, Ihr erſcheint hier, wie gerufen! Ich
höre, daß Ihr Euer Meiſterſtück noch nicht abgelegt
habt, und requirire Euch hiermit im Namen der
Regierung, und in Ermangelung jedes Andern, der
Euer Amt verrichten könnte, zu der bevorſtehenden
Execution. Polder, ſtumm vor Entſetzen und
Wuth, ſtarrt zuerſt ſeinen unmenſchlichen Feind
lange ſchweigend an, und bricht dann in glühende
Worte aus, die ſich einigemal faſt zur tragiſchen
Würde erheben. Endlich ruft er: „Ich habe noch
nie das Blut eines Nebenmenſchen vergoſſen und
werde es nie, aber müßte ich es, ſo ſollte es doch
nur das Deinige ſeyn, Unmenſch! Doch, wie plötz-
lich inſpirirt und umgewandelt, ſetzt er nach einer
Pauſe hinzu: Verzeiht! der Schmerz nahm mir die
Sinne. Es ſey — ich gehorche dem Befehl. Er-
laubt mir nur eine kurze Vorbereitung. Mit Ver-
wunderung und erſchüttert ſehen ihm beide nach,
und folgen ihm ſchweigend.

Wir finden jetzt Friedrich in ſeinem Kerker, wo
Graf Aſſefeldt eben eintritt, um den Verurtheilten
zu fragen, ob er ihm noch in irgend etwas dienen
könne? Friedrich verlangt blos zu wiſſen, ob eine
ſchnell vollzogene Verbindung mit Maria, und ihre
Einſetzung zu der Erbin ſeines Namens und Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0395" n="373"/>
der er&#x017F;ten Magi&#x017F;trats-Per&#x017F;on, dem Onkel des Ge-<lb/>
tödteten ab, der hier vor ihm &#x017F;tehe. Die&#x017F;er fixirt<lb/>
den Geäng&#x017F;teten mit teufli&#x017F;chem Lächeln, und als er<lb/>
&#x017F;ich vor ihm niederwirft, &#x017F;agt er freundlich: Wohlan,<lb/>
lieber Polder, Ihr er&#x017F;cheint hier, wie gerufen! Ich<lb/>
höre, daß Ihr Euer Mei&#x017F;ter&#x017F;tück noch nicht abgelegt<lb/>
habt, und requirire Euch hiermit im Namen der<lb/>
Regierung, und in Ermangelung jedes Andern, der<lb/>
Euer Amt verrichten könnte, zu der bevor&#x017F;tehenden<lb/>
Execution. Polder, &#x017F;tumm vor Ent&#x017F;etzen und<lb/>
Wuth, &#x017F;tarrt zuer&#x017F;t &#x017F;einen unmen&#x017F;chlichen Feind<lb/>
lange &#x017F;chweigend an, und bricht dann in glühende<lb/>
Worte aus, die &#x017F;ich einigemal fa&#x017F;t zur tragi&#x017F;chen<lb/>
Würde erheben. Endlich ruft er: &#x201E;Ich habe noch<lb/>
nie das Blut eines Nebenmen&#x017F;chen vergo&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
werde es nie, aber müßte ich es, &#x017F;o &#x017F;ollte es doch<lb/>
nur das Deinige &#x017F;eyn, Unmen&#x017F;ch! Doch, wie plötz-<lb/>
lich in&#x017F;pirirt und umgewandelt, &#x017F;etzt er nach einer<lb/>
Pau&#x017F;e hinzu: Verzeiht! der Schmerz nahm mir die<lb/>
Sinne. Es &#x017F;ey &#x2014; ich gehorche dem Befehl. Er-<lb/>
laubt mir nur eine kurze Vorbereitung. Mit Ver-<lb/>
wunderung und er&#x017F;chüttert &#x017F;ehen ihm beide nach,<lb/>
und folgen ihm &#x017F;chweigend.</p><lb/>
          <p>Wir finden jetzt Friedrich in &#x017F;einem Kerker, wo<lb/>
Graf A&#x017F;&#x017F;efeldt eben eintritt, um den Verurtheilten<lb/>
zu fragen, ob er ihm noch in irgend etwas dienen<lb/>
könne? Friedrich verlangt blos zu wi&#x017F;&#x017F;en, ob eine<lb/>
&#x017F;chnell vollzogene Verbindung mit Maria, und ihre<lb/>
Ein&#x017F;etzung zu der Erbin &#x017F;eines Namens und Ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0395] der erſten Magiſtrats-Perſon, dem Onkel des Ge- tödteten ab, der hier vor ihm ſtehe. Dieſer fixirt den Geängſteten mit teufliſchem Lächeln, und als er ſich vor ihm niederwirft, ſagt er freundlich: Wohlan, lieber Polder, Ihr erſcheint hier, wie gerufen! Ich höre, daß Ihr Euer Meiſterſtück noch nicht abgelegt habt, und requirire Euch hiermit im Namen der Regierung, und in Ermangelung jedes Andern, der Euer Amt verrichten könnte, zu der bevorſtehenden Execution. Polder, ſtumm vor Entſetzen und Wuth, ſtarrt zuerſt ſeinen unmenſchlichen Feind lange ſchweigend an, und bricht dann in glühende Worte aus, die ſich einigemal faſt zur tragiſchen Würde erheben. Endlich ruft er: „Ich habe noch nie das Blut eines Nebenmenſchen vergoſſen und werde es nie, aber müßte ich es, ſo ſollte es doch nur das Deinige ſeyn, Unmenſch! Doch, wie plötz- lich inſpirirt und umgewandelt, ſetzt er nach einer Pauſe hinzu: Verzeiht! der Schmerz nahm mir die Sinne. Es ſey — ich gehorche dem Befehl. Er- laubt mir nur eine kurze Vorbereitung. Mit Ver- wunderung und erſchüttert ſehen ihm beide nach, und folgen ihm ſchweigend. Wir finden jetzt Friedrich in ſeinem Kerker, wo Graf Aſſefeldt eben eintritt, um den Verurtheilten zu fragen, ob er ihm noch in irgend etwas dienen könne? Friedrich verlangt blos zu wiſſen, ob eine ſchnell vollzogene Verbindung mit Maria, und ihre Einſetzung zu der Erbin ſeines Namens und Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/395
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/395>, abgerufen am 17.05.2024.