Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

und Merkur sind hier, bei allem Prunk des Ausge-
hängten, gar schmutzig umgeben.

Am Pallast der Tuilerien und der neben an lau-
fenden Straße Rivoli waren ziemlich alle angefange-
nen Bauwerke noch in demselben Zustande, wie sie
Napoleon verlassen. In dieser Hinsicht hat Paris an
der kaiserlichen Dynastie verloren, die es in zwanzig
Jahren zu einer wahren Prachtstadt umgeschaffen ha-
ben würde, welchem Luxus des Schönen, die Rein-
lichkeit wohl auch endlich hätte folgen müssen. Auch
auf dem place de Louis XV. stehen noch immer die
Gerüste um die projektirte Statue, der Triumphbo-
gen de l'etoile, wird, wie der Thurm zu Babel, ab-
wechselnd aufgebaut und eingerissen, der temple de
la victoire,
jetzt unendlich passender für die siegende
Kirche bestimmt, ist auch noch nicht fertig, und auf
dem pont de Louis XVI. möchte man wünschen, daß
nichts geschehen wäre, da die lächerlich theatralischen
und, im Verhältniß zur Brücke, wenigstens doppelt
zu großen Statuen, die man dort auf die Pfeiler
postirt hat, welche sie eindrücken zu wollen scheinen,
mehr schlechten Acteurs de province, als den fran-
zösischen Helden gleichen, die sie darstellen sollen.

Da Köche auch zu den französischen Helden gehö-
ren, einmal wegen ihrer unübertroffnen Geschicklich-
keit, zweitens auch wegen ihres Ehrgefühls (erinnere
Dich nur an den Koch Peregrine Pickle's, und Va-
tel, der sich wegen nicht angekommner Fische erstach)
so komme ich hier ganz natürlich auf die Pariser-

und Merkur ſind hier, bei allem Prunk des Ausge-
hängten, gar ſchmutzig umgeben.

Am Pallaſt der Tuilerien und der neben an lau-
fenden Straße Rivoli waren ziemlich alle angefange-
nen Bauwerke noch in demſelben Zuſtande, wie ſie
Napoleon verlaſſen. In dieſer Hinſicht hat Paris an
der kaiſerlichen Dynaſtie verloren, die es in zwanzig
Jahren zu einer wahren Prachtſtadt umgeſchaffen ha-
ben würde, welchem Luxus des Schönen, die Rein-
lichkeit wohl auch endlich hätte folgen müſſen. Auch
auf dem place de Louis XV. ſtehen noch immer die
Gerüſte um die projektirte Statue, der Triumphbo-
gen de l’étoile, wird, wie der Thurm zu Babel, ab-
wechſelnd aufgebaut und eingeriſſen, der temple de
la victoire,
jetzt unendlich paſſender für die ſiegende
Kirche beſtimmt, iſt auch noch nicht fertig, und auf
dem pont de Louis XVI. möchte man wünſchen, daß
nichts geſchehen wäre, da die lächerlich theatraliſchen
und, im Verhältniß zur Brücke, wenigſtens doppelt
zu großen Statuen, die man dort auf die Pfeiler
poſtirt hat, welche ſie eindrücken zu wollen ſcheinen,
mehr ſchlechten Acteurs de province, als den fran-
zöſiſchen Helden gleichen, die ſie darſtellen ſollen.

Da Köche auch zu den franzöſiſchen Helden gehö-
ren, einmal wegen ihrer unübertroffnen Geſchicklich-
keit, zweitens auch wegen ihres Ehrgefühls (erinnere
Dich nur an den Koch Peregrine Pickle’s, und Va-
tel, der ſich wegen nicht angekommner Fiſche erſtach)
ſo komme ich hier ganz natürlich auf die Pariſer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0351" n="329"/>
und Merkur &#x017F;ind hier, bei allem Prunk des Ausge-<lb/>
hängten, gar &#x017F;chmutzig umgeben.</p><lb/>
          <p>Am Palla&#x017F;t der Tuilerien und der neben an lau-<lb/>
fenden Straße Rivoli waren ziemlich alle angefange-<lb/>
nen Bauwerke noch in dem&#x017F;elben Zu&#x017F;tande, wie &#x017F;ie<lb/>
Napoleon verla&#x017F;&#x017F;en. In die&#x017F;er Hin&#x017F;icht hat Paris an<lb/>
der kai&#x017F;erlichen Dyna&#x017F;tie verloren, die es in zwanzig<lb/>
Jahren zu einer wahren Pracht&#x017F;tadt umge&#x017F;chaffen ha-<lb/>
ben würde, welchem Luxus des Schönen, die Rein-<lb/>
lichkeit wohl auch endlich hätte folgen mü&#x017F;&#x017F;en. Auch<lb/>
auf dem <hi rendition="#aq">place de Louis XV.</hi> &#x017F;tehen noch immer die<lb/>
Gerü&#x017F;te um die projektirte Statue, der Triumphbo-<lb/>
gen <hi rendition="#aq">de l&#x2019;étoile,</hi> wird, wie der Thurm zu Babel, ab-<lb/>
wech&#x017F;elnd aufgebaut und eingeri&#x017F;&#x017F;en, der <hi rendition="#aq">temple de<lb/>
la victoire,</hi> jetzt unendlich pa&#x017F;&#x017F;ender für die <hi rendition="#g">&#x017F;iegende</hi><lb/>
Kirche be&#x017F;timmt, i&#x017F;t auch noch nicht fertig, und auf<lb/>
dem <hi rendition="#aq">pont de Louis XVI.</hi> möchte man wün&#x017F;chen, daß<lb/>
nichts ge&#x017F;chehen wäre, da die lächerlich theatrali&#x017F;chen<lb/>
und, im Verhältniß zur Brücke, wenig&#x017F;tens doppelt<lb/>
zu großen Statuen, die man dort auf die Pfeiler<lb/>
po&#x017F;tirt hat, welche &#x017F;ie eindrücken zu wollen &#x017F;cheinen,<lb/>
mehr &#x017F;chlechten <hi rendition="#aq">Acteurs de province,</hi> als den fran-<lb/>&#x017F;i&#x017F;chen Helden gleichen, die &#x017F;ie dar&#x017F;tellen &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Da Köche auch zu den franzö&#x017F;i&#x017F;chen Helden gehö-<lb/>
ren, einmal wegen ihrer unübertroffnen Ge&#x017F;chicklich-<lb/>
keit, zweitens auch wegen ihres Ehrgefühls (erinnere<lb/>
Dich nur an den Koch Peregrine Pickle&#x2019;s, und Va-<lb/>
tel, der &#x017F;ich wegen nicht angekommner Fi&#x017F;che er&#x017F;tach)<lb/>
&#x017F;o komme ich hier ganz natürlich auf die Pari&#x017F;er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0351] und Merkur ſind hier, bei allem Prunk des Ausge- hängten, gar ſchmutzig umgeben. Am Pallaſt der Tuilerien und der neben an lau- fenden Straße Rivoli waren ziemlich alle angefange- nen Bauwerke noch in demſelben Zuſtande, wie ſie Napoleon verlaſſen. In dieſer Hinſicht hat Paris an der kaiſerlichen Dynaſtie verloren, die es in zwanzig Jahren zu einer wahren Prachtſtadt umgeſchaffen ha- ben würde, welchem Luxus des Schönen, die Rein- lichkeit wohl auch endlich hätte folgen müſſen. Auch auf dem place de Louis XV. ſtehen noch immer die Gerüſte um die projektirte Statue, der Triumphbo- gen de l’étoile, wird, wie der Thurm zu Babel, ab- wechſelnd aufgebaut und eingeriſſen, der temple de la victoire, jetzt unendlich paſſender für die ſiegende Kirche beſtimmt, iſt auch noch nicht fertig, und auf dem pont de Louis XVI. möchte man wünſchen, daß nichts geſchehen wäre, da die lächerlich theatraliſchen und, im Verhältniß zur Brücke, wenigſtens doppelt zu großen Statuen, die man dort auf die Pfeiler poſtirt hat, welche ſie eindrücken zu wollen ſcheinen, mehr ſchlechten Acteurs de province, als den fran- zöſiſchen Helden gleichen, die ſie darſtellen ſollen. Da Köche auch zu den franzöſiſchen Helden gehö- ren, einmal wegen ihrer unübertroffnen Geſchicklich- keit, zweitens auch wegen ihres Ehrgefühls (erinnere Dich nur an den Koch Peregrine Pickle’s, und Va- tel, der ſich wegen nicht angekommner Fiſche erſtach) ſo komme ich hier ganz natürlich auf die Pariſer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/351
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/351>, abgerufen am 22.11.2024.