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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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an der Geselligkeit und Talent im Anzug, in Lon-
don viele Jahre lang auszuüben wußte, giebt noch
immer einen vortrefflichen Maaßstab für das Wesen
jener Gesellschaft, und da ich Dir in meinen vorigen
Briefen Diejenigen hinlänglich geschildert habe, welche
jetzt (wiewohl mit weit geringerer Machtvollkommen-
heit) Br. . . . . 's Stelle einnehmen, so wirst Du
vielleicht mit mir einverstanden seyn, daß er dersel-
ben immer noch mit mehr Genialität sowohl, als
größerer Unschuld der Sitten vorstand. Es war eine
freiere, mehr ein originelles und zugleich harmlose-
res Ganze bildende Thorheit, die sich zu der
jetzigen ohngefähr so verhält, wie die Komik und
Moralität in Holberg's Lustspielen zu denen des
Kotzebue.

Der Gewalt der Mode kann man es freilich nur
zuschreiben, wenn man es witzig fand, daß Br. ...
einem Landjunker, der ihn fragte: Do Yon like
green peas?
antwortete: I once eat one. Ergötz-
licher aber sind seine Streitigkeiten mit dem Prinzen
von W . . . . ., dem er, zuerst von ihm in die
Mode eingeführt, nachher den Scepter derselben aus
der Hand wand, und sogar später seinen Vorsatz:
to cut the Prince, mit großem Erfolg ausführte.
Lange hatte sich Br. . . . der höchsten Gunst dieser
erlauchten Person erfreut, behandelte sie aber zuletzt
mit so wenig egard, daß dadurch ein Bruch herbei-
geführt wurde. Eines Tags nämlich vergaß er sich
so weit, dem Prinzen nach Tisch zuzurufen: Pray

an der Geſelligkeit und Talent im Anzug, in Lon-
don viele Jahre lang auszuüben wußte, giebt noch
immer einen vortrefflichen Maaßſtab für das Weſen
jener Geſellſchaft, und da ich Dir in meinen vorigen
Briefen Diejenigen hinlänglich geſchildert habe, welche
jetzt (wiewohl mit weit geringerer Machtvollkommen-
heit) Br. . . . . ’s Stelle einnehmen, ſo wirſt Du
vielleicht mit mir einverſtanden ſeyn, daß er derſel-
ben immer noch mit mehr Genialität ſowohl, als
größerer Unſchuld der Sitten vorſtand. Es war eine
freiere, mehr ein originelles und zugleich harmloſe-
res Ganze bildende Thorheit, die ſich zu der
jetzigen ohngefähr ſo verhält, wie die Komik und
Moralität in Holberg’s Luſtſpielen zu denen des
Kotzebue.

Der Gewalt der Mode kann man es freilich nur
zuſchreiben, wenn man es witzig fand, daß Br. …
einem Landjunker, der ihn fragte: Do Yon like
green peas?
antwortete: I once eat one. Ergötz-
licher aber ſind ſeine Streitigkeiten mit dem Prinzen
von W . . . . ., dem er, zuerſt von ihm in die
Mode eingeführt, nachher den Scepter derſelben aus
der Hand wand, und ſogar ſpäter ſeinen Vorſatz:
to cut the Prince, mit großem Erfolg ausführte.
Lange hatte ſich Br. . . . der höchſten Gunſt dieſer
erlauchten Perſon erfreut, behandelte ſie aber zuletzt
mit ſo wenig égard, daß dadurch ein Bruch herbei-
geführt wurde. Eines Tags nämlich vergaß er ſich
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[315/0337] an der Geſelligkeit und Talent im Anzug, in Lon- don viele Jahre lang auszuüben wußte, giebt noch immer einen vortrefflichen Maaßſtab für das Weſen jener Geſellſchaft, und da ich Dir in meinen vorigen Briefen Diejenigen hinlänglich geſchildert habe, welche jetzt (wiewohl mit weit geringerer Machtvollkommen- heit) Br. . . . . ’s Stelle einnehmen, ſo wirſt Du vielleicht mit mir einverſtanden ſeyn, daß er derſel- ben immer noch mit mehr Genialität ſowohl, als größerer Unſchuld der Sitten vorſtand. Es war eine freiere, mehr ein originelles und zugleich harmloſe- res Ganze bildende Thorheit, die ſich zu der jetzigen ohngefähr ſo verhält, wie die Komik und Moralität in Holberg’s Luſtſpielen zu denen des Kotzebue. Der Gewalt der Mode kann man es freilich nur zuſchreiben, wenn man es witzig fand, daß Br. … einem Landjunker, der ihn fragte: Do Yon like green peas? antwortete: I once eat one. Ergötz- licher aber ſind ſeine Streitigkeiten mit dem Prinzen von W . . . . ., dem er, zuerſt von ihm in die Mode eingeführt, nachher den Scepter derſelben aus der Hand wand, und ſogar ſpäter ſeinen Vorſatz: to cut the Prince, mit großem Erfolg ausführte. Lange hatte ſich Br. . . . der höchſten Gunſt dieſer erlauchten Perſon erfreut, behandelte ſie aber zuletzt mit ſo wenig égard, daß dadurch ein Bruch herbei- geführt wurde. Eines Tags nämlich vergaß er ſich ſo weit, dem Prinzen nach Tiſch zuzurufen: Pray

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/337>, abgerufen am 22.11.2024.