Fluth wieder zu. Es war mir doch ganz sonderbar zu Muthe, als wir uns jetzt in die stürmische See förmlich zu versenken schienen, und durch die wei- ßen Wogen und Felsen, die bei dem matten Zwielicht gleich Gespenstern aufzutauchen schienen, uns mühsam Bahn brechen mußten. -- Auch hatten wir die größte Noth mit dem Pferde; der schwarze Mann kannte aber das Terrain so genau, daß wir, obgleich bis fast unter die Arme in Salzwasser gebadet, unversehrt die gegenüberstehende Küste erreichten. Unglücklicher- weise scheute sich hier noch einmal das geängstete Thier, vor einer hervorstehenden Klippe, und brach beide morsche Sattelgurte mitten entzwei, so daß der Schade hier nicht mehr zu repariren war. Ich hatte, nach allen ausgestandnen Nöthen, nun noch die an- genehme Perspective vor mir, die letzten sechs Meilen, auf losem Sattel balancirend, weiter reiten zu müs- sen. Der Schwarze hatte mich zwar für die Fort- setzung der Reise bestens instruirt, aber es ward bald so dunkel, daß man kein Merkzeichen mehr erblicken konnte. Der Weg ging, wie es mir schien, durch ei- nen weiten Moor, und war anfänglich recht eben. Nach einer halben Stunde holprigen Trabens, nach Möglichkeit die Kniee zusammen schließend, um den Sattel nicht zwischen den Beinen zu verlieren, be- merkte ich, daß sich die Straße wieder rechts in das höhere Gebürge wandte, denn das Steigen ward im- mer steiler und anhaltender. Hier fand ich eine Frau, die bei ihren Schweinen oder Ziegen die Nacht zu- brachte. Der Weg theilte sich in zwei Arme und ich
Fluth wieder zu. Es war mir doch ganz ſonderbar zu Muthe, als wir uns jetzt in die ſtürmiſche See förmlich zu verſenken ſchienen, und durch die wei- ßen Wogen und Felſen, die bei dem matten Zwielicht gleich Geſpenſtern aufzutauchen ſchienen, uns mühſam Bahn brechen mußten. — Auch hatten wir die größte Noth mit dem Pferde; der ſchwarze Mann kannte aber das Terrain ſo genau, daß wir, obgleich bis faſt unter die Arme in Salzwaſſer gebadet, unverſehrt die gegenüberſtehende Küſte erreichten. Unglücklicher- weiſe ſcheute ſich hier noch einmal das geängſtete Thier, vor einer hervorſtehenden Klippe, und brach beide morſche Sattelgurte mitten entzwei, ſo daß der Schade hier nicht mehr zu repariren war. Ich hatte, nach allen ausgeſtandnen Nöthen, nun noch die an- genehme Perſpective vor mir, die letzten ſechs Meilen, auf loſem Sattel balancirend, weiter reiten zu müſ- ſen. Der Schwarze hatte mich zwar für die Fort- ſetzung der Reiſe beſtens inſtruirt, aber es ward bald ſo dunkel, daß man kein Merkzeichen mehr erblicken konnte. Der Weg ging, wie es mir ſchien, durch ei- nen weiten Moor, und war anfänglich recht eben. Nach einer halben Stunde holprigen Trabens, nach Möglichkeit die Kniee zuſammen ſchließend, um den Sattel nicht zwiſchen den Beinen zu verlieren, be- merkte ich, daß ſich die Straße wieder rechts in das höhere Gebürge wandte, denn das Steigen ward im- mer ſteiler und anhaltender. Hier fand ich eine Frau, die bei ihren Schweinen oder Ziegen die Nacht zu- brachte. Der Weg theilte ſich in zwei Arme und ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0032"n="10"/>
Fluth wieder zu. Es war mir doch ganz ſonderbar<lb/>
zu Muthe, als wir uns jetzt in die ſtürmiſche See<lb/>
förmlich zu <hirendition="#g">verſenken</hi>ſchienen, und durch die wei-<lb/>
ßen Wogen und Felſen, die bei dem matten Zwielicht<lb/>
gleich Geſpenſtern aufzutauchen ſchienen, uns mühſam<lb/>
Bahn brechen mußten. — Auch hatten wir die größte<lb/>
Noth mit dem Pferde; der ſchwarze Mann kannte<lb/>
aber das Terrain ſo genau, daß wir, obgleich bis faſt<lb/>
unter die Arme in Salzwaſſer gebadet, unverſehrt<lb/>
die gegenüberſtehende Küſte erreichten. Unglücklicher-<lb/>
weiſe ſcheute ſich hier noch einmal das geängſtete<lb/>
Thier, vor einer hervorſtehenden Klippe, und brach<lb/>
beide morſche Sattelgurte mitten entzwei, ſo daß der<lb/>
Schade hier nicht mehr zu repariren war. Ich hatte,<lb/>
nach allen ausgeſtandnen Nöthen, nun noch die an-<lb/>
genehme Perſpective vor mir, die letzten ſechs Meilen,<lb/>
auf loſem Sattel balancirend, weiter reiten zu müſ-<lb/>ſen. Der Schwarze hatte mich zwar für die Fort-<lb/>ſetzung der Reiſe beſtens inſtruirt, aber es ward bald<lb/>ſo dunkel, daß man kein Merkzeichen mehr erblicken<lb/>
konnte. Der Weg ging, wie es mir ſchien, durch ei-<lb/>
nen weiten Moor, und war anfänglich recht eben.<lb/>
Nach einer halben Stunde holprigen Trabens, nach<lb/>
Möglichkeit die Kniee zuſammen ſchließend, um den<lb/>
Sattel nicht zwiſchen den Beinen zu verlieren, be-<lb/>
merkte ich, daß ſich die Straße wieder rechts in das<lb/>
höhere Gebürge wandte, denn das Steigen ward im-<lb/>
mer ſteiler und anhaltender. Hier fand ich eine Frau,<lb/>
die bei ihren Schweinen oder Ziegen die Nacht zu-<lb/>
brachte. Der Weg theilte ſich in zwei Arme und ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0032]
Fluth wieder zu. Es war mir doch ganz ſonderbar
zu Muthe, als wir uns jetzt in die ſtürmiſche See
förmlich zu verſenken ſchienen, und durch die wei-
ßen Wogen und Felſen, die bei dem matten Zwielicht
gleich Geſpenſtern aufzutauchen ſchienen, uns mühſam
Bahn brechen mußten. — Auch hatten wir die größte
Noth mit dem Pferde; der ſchwarze Mann kannte
aber das Terrain ſo genau, daß wir, obgleich bis faſt
unter die Arme in Salzwaſſer gebadet, unverſehrt
die gegenüberſtehende Küſte erreichten. Unglücklicher-
weiſe ſcheute ſich hier noch einmal das geängſtete
Thier, vor einer hervorſtehenden Klippe, und brach
beide morſche Sattelgurte mitten entzwei, ſo daß der
Schade hier nicht mehr zu repariren war. Ich hatte,
nach allen ausgeſtandnen Nöthen, nun noch die an-
genehme Perſpective vor mir, die letzten ſechs Meilen,
auf loſem Sattel balancirend, weiter reiten zu müſ-
ſen. Der Schwarze hatte mich zwar für die Fort-
ſetzung der Reiſe beſtens inſtruirt, aber es ward bald
ſo dunkel, daß man kein Merkzeichen mehr erblicken
konnte. Der Weg ging, wie es mir ſchien, durch ei-
nen weiten Moor, und war anfänglich recht eben.
Nach einer halben Stunde holprigen Trabens, nach
Möglichkeit die Kniee zuſammen ſchließend, um den
Sattel nicht zwiſchen den Beinen zu verlieren, be-
merkte ich, daß ſich die Straße wieder rechts in das
höhere Gebürge wandte, denn das Steigen ward im-
mer ſteiler und anhaltender. Hier fand ich eine Frau,
die bei ihren Schweinen oder Ziegen die Nacht zu-
brachte. Der Weg theilte ſich in zwei Arme und ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/32>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.