merkwürdig seyn müsse, Einlaß wurde mir jedoch nicht, und ich war genöthigt, blos mit meinem Phan- tasiebilde derselben wieder umzukehren. Der Thurm ist noch unvollendet, sehr hoch, und steht in der offnen, grenzenlosen Einsamkeit einer Bergebne, wie ein Ge- spenst da! Der Besitzer soll früher ein Vermögen von drei Millionen Pfund besessen haben, und noch sehr reich seyn. Man erzählte mir von ihm, daß er sich nur sehr selten sehen lasse, wenn er aber zuwei- len ausreite, geschehe es folgendermaßen: Ein eis- grauer Haushofmeister reite voran. Zwei Reitknechte mit langen Hetzpeitschen hinter ihm. Dann folgt er selbst, von fünf bis sechs Hunden umgeben. Den Schluß machen wiederum zwei Reitknechte mit Peit- schen versehen. So wie, während des Rittes, einer der Hunde sich unfolgsam zeigt, hält die ganze Cara- vane an, und die Strafe wird sogleich mit der Hetz- peitsche applizirt -- dieser Edukationskursus aber während der ganzen Promenade fortgesetzt, bis man wieder zu Hause angelangt ist. Früher hat Herr Beckford einen, zwar sehr seltsamen, aber doch geist- reichen Roman in französischer Sprache geschrieben, der auch mit vielem Beifall in's Englische über- setzt worden ist. Ein großer Thurm spielt auch darin eine Hauptrolle, und der Teufel holt zuletzt Alles.
Noch eine andere drollige Anekdote von diesem Beckford. Als er in Fonthill wohnte, plagte die Neugierde dies zu sehen, einen benachbarten Lord so
merkwürdig ſeyn müſſe, Einlaß wurde mir jedoch nicht, und ich war genöthigt, blos mit meinem Phan- taſiebilde derſelben wieder umzukehren. Der Thurm iſt noch unvollendet, ſehr hoch, und ſteht in der offnen, grenzenloſen Einſamkeit einer Bergebne, wie ein Ge- ſpenſt da! Der Beſitzer ſoll früher ein Vermögen von drei Millionen Pfund beſeſſen haben, und noch ſehr reich ſeyn. Man erzählte mir von ihm, daß er ſich nur ſehr ſelten ſehen laſſe, wenn er aber zuwei- len ausreite, geſchehe es folgendermaßen: Ein eis- grauer Haushofmeiſter reite voran. Zwei Reitknechte mit langen Hetzpeitſchen hinter ihm. Dann folgt er ſelbſt, von fünf bis ſechs Hunden umgeben. Den Schluß machen wiederum zwei Reitknechte mit Peit- ſchen verſehen. So wie, während des Rittes, einer der Hunde ſich unfolgſam zeigt, hält die ganze Cara- vane an, und die Strafe wird ſogleich mit der Hetz- peitſche applizirt — dieſer Edukationskurſus aber während der ganzen Promenade fortgeſetzt, bis man wieder zu Hauſe angelangt iſt. Früher hat Herr Beckford einen, zwar ſehr ſeltſamen, aber doch geiſt- reichen Roman in franzöſiſcher Sprache geſchrieben, der auch mit vielem Beifall in’s Engliſche über- ſetzt worden iſt. Ein großer Thurm ſpielt auch darin eine Hauptrolle, und der Teufel holt zuletzt Alles.
Noch eine andere drollige Anekdote von dieſem Beckford. Als er in Fonthill wohnte, plagte die Neugierde dies zu ſehen, einen benachbarten Lord ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0299"n="277"/>
merkwürdig ſeyn müſſe, Einlaß wurde mir jedoch<lb/>
nicht, und ich war genöthigt, blos mit meinem Phan-<lb/>
taſiebilde derſelben wieder umzukehren. Der Thurm<lb/>
iſt noch unvollendet, ſehr hoch, und ſteht in der offnen,<lb/>
grenzenloſen Einſamkeit einer Bergebne, wie ein Ge-<lb/>ſpenſt da! Der Beſitzer ſoll früher ein Vermögen<lb/>
von drei Millionen Pfund beſeſſen haben, und noch<lb/>ſehr reich ſeyn. Man <choice><sic>erzȧhlte</sic><corr>erzählte</corr></choice> mir von ihm, daß er<lb/>ſich nur ſehr ſelten ſehen laſſe, wenn er aber zuwei-<lb/>
len ausreite, geſchehe es folgendermaßen: Ein eis-<lb/>
grauer Haushofmeiſter reite voran. Zwei Reitknechte<lb/>
mit langen Hetzpeitſchen hinter ihm. Dann folgt er<lb/>ſelbſt, von fünf bis ſechs Hunden umgeben. Den<lb/>
Schluß machen wiederum zwei Reitknechte mit Peit-<lb/>ſchen verſehen. So wie, während des Rittes, einer<lb/>
der Hunde ſich unfolgſam zeigt, hält die ganze Cara-<lb/>
vane an, und die Strafe wird ſogleich mit der Hetz-<lb/>
peitſche applizirt — dieſer Edukationskurſus aber<lb/><choice><sic>wȧhrend</sic><corr>während</corr></choice> der ganzen Promenade fortgeſetzt, bis man<lb/>
wieder zu Hauſe angelangt iſt. Früher hat Herr<lb/>
Beckford einen, zwar ſehr ſeltſamen, aber doch geiſt-<lb/>
reichen Roman in franzöſiſcher Sprache geſchrieben,<lb/>
der auch mit vielem Beifall in’s <hirendition="#g">Engliſche</hi> über-<lb/>ſetzt worden iſt. Ein großer Thurm ſpielt auch<lb/><hirendition="#g">darin</hi> eine Hauptrolle, und der Teufel holt zuletzt<lb/>
Alles.</p><lb/><p>Noch eine andere drollige Anekdote von dieſem<lb/>
Beckford. Als er in Fonthill wohnte, plagte die<lb/>
Neugierde dies zu ſehen, einen benachbarten Lord ſo<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[277/0299]
merkwürdig ſeyn müſſe, Einlaß wurde mir jedoch
nicht, und ich war genöthigt, blos mit meinem Phan-
taſiebilde derſelben wieder umzukehren. Der Thurm
iſt noch unvollendet, ſehr hoch, und ſteht in der offnen,
grenzenloſen Einſamkeit einer Bergebne, wie ein Ge-
ſpenſt da! Der Beſitzer ſoll früher ein Vermögen
von drei Millionen Pfund beſeſſen haben, und noch
ſehr reich ſeyn. Man erzählte mir von ihm, daß er
ſich nur ſehr ſelten ſehen laſſe, wenn er aber zuwei-
len ausreite, geſchehe es folgendermaßen: Ein eis-
grauer Haushofmeiſter reite voran. Zwei Reitknechte
mit langen Hetzpeitſchen hinter ihm. Dann folgt er
ſelbſt, von fünf bis ſechs Hunden umgeben. Den
Schluß machen wiederum zwei Reitknechte mit Peit-
ſchen verſehen. So wie, während des Rittes, einer
der Hunde ſich unfolgſam zeigt, hält die ganze Cara-
vane an, und die Strafe wird ſogleich mit der Hetz-
peitſche applizirt — dieſer Edukationskurſus aber
während der ganzen Promenade fortgeſetzt, bis man
wieder zu Hauſe angelangt iſt. Früher hat Herr
Beckford einen, zwar ſehr ſeltſamen, aber doch geiſt-
reichen Roman in franzöſiſcher Sprache geſchrieben,
der auch mit vielem Beifall in’s Engliſche über-
ſetzt worden iſt. Ein großer Thurm ſpielt auch
darin eine Hauptrolle, und der Teufel holt zuletzt
Alles.
Noch eine andere drollige Anekdote von dieſem
Beckford. Als er in Fonthill wohnte, plagte die
Neugierde dies zu ſehen, einen benachbarten Lord ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/299>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.