nicht mehr zu leicht auf den bloßen Schein hin, und auf die Verlegenheit des Angeklagten zu verdam- men, denn, bei Menschen von reizbarem Nerven- system und regem Ehrgefühl bringt leicht der bloße Gedanke: daß Andere einen solchen Verdacht haben könnten -- dieselben Symptome, wie bei Sündern das Bewußtseyn der Schuld hervor. Meinem guten Herzen wirst Du zutrauen, daß ich sogleich einen Brief an meinen Freund, den Buchhändler, expedirte, um Wirth und Kellner zu disculpiren, und als Schmerzengeld für den Letzteren zugleich zwei Pfund beilegte, die ich an ihn, mit meiner Bitte um Ver- zeihung, abzugeben ersuchte. Hierauf schmeckte mir in Wahrheit das Essen noch besser, da ich nach Kräf- ten Uebles wieder gut gemacht.
Dein treuer L ....
nicht mehr zu leicht auf den bloßen Schein hin, und auf die Verlegenheit des Angeklagten zu verdam- men, denn, bei Menſchen von reizbarem Nerven- ſyſtem und regem Ehrgefühl bringt leicht der bloße Gedanke: daß Andere einen ſolchen Verdacht haben könnten — dieſelben Symptome, wie bei Sündern das Bewußtſeyn der Schuld hervor. Meinem guten Herzen wirſt Du zutrauen, daß ich ſogleich einen Brief an meinen Freund, den Buchhändler, expedirte, um Wirth und Kellner zu disculpiren, und als Schmerzengeld für den Letzteren zugleich zwei Pfund beilegte, die ich an ihn, mit meiner Bitte um Ver- zeihung, abzugeben erſuchte. Hierauf ſchmeckte mir in Wahrheit das Eſſen noch beſſer, da ich nach Kräf- ten Uebles wieder gut gemacht.
Dein treuer L ....
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nicht mehr zu leicht auf den bloßen Schein hin, und
auf die Verlegenheit des Angeklagten zu verdam-
men, denn, bei Menſchen von reizbarem Nerven-
ſyſtem und regem Ehrgefühl bringt leicht der bloße
Gedanke: daß Andere einen ſolchen Verdacht haben
könnten — dieſelben Symptome, wie bei Sündern
das Bewußtſeyn der Schuld hervor. Meinem guten
Herzen wirſt Du zutrauen, daß ich ſogleich einen
Brief an meinen Freund, den Buchhändler, expedirte,
um Wirth und Kellner zu disculpiren, und als
Schmerzengeld für den Letzteren zugleich zwei Pfund
beilegte, die ich an ihn, mit meiner Bitte um Ver-
zeihung, abzugeben erſuchte. Hierauf ſchmeckte mir
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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