Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Verlust mir nicht vielleicht "atemporary embarras-
ment"
verursachte, und ob ich nicht ein Darlehn von
fünf Pfund annehmen wolle, was ich ihnen bei mei-
ner Rückkehr wiedererstatten könne? dabei wollte sie
mir die Note gleich in die Hand stecken. -- Diese
Güte rührte mich wirklich tief -- sie hatte etwas so
Zartes und Uneigennütziges, daß die größte Wohlthat
mir vielleicht, unter andern Umständen, weniger
Dank eingeflößt haben würde, als dieser gute Wille.
Du kannst denken, wie herzlich ich dankte. Gewiß,
sagte ich, würde ich, wenn ich es im Geringsten nö-
thig hätte, nicht zu stolz gewesen seyn, ein so gut
gemeintes Darlehn anzunehmen, da dies aber in kei-
ner Art der Fall sey, so würde ich, ihre Großmuth
auf eine andere Weise in Anspruch nehmen, und
bäte mir daher aus, von jeder der zwei hübschen
Monmoutherinnen einen Kuß mit nach dem Conti-
nent nehmen zu dürfen. Dies geschah unter vielem
Lachen, und mit freundlicher Hingebung, worauf ich,
so befrachtet, meinen Wagen wieder aufsuchte. Da
ich gestern auf dem Wasser geschifft, zog ich heute den
Weg zu Lande vor, der ebenfalls immer längs des
Flusses nach Chepstow führt. Die Gegend bleibt von
derselben Art; reich, dunkelwaldig und Wiesengrün,
hier aber noch vielfach durch Hochöfen, Zinn- und
Eisenwerke belebt, deren Feuer in gelb, roth, blau
und grünlichen Farben spielen, und aus thurmhohen
Feueressen lodern, wo sie zuweilen ganz die Form
großer glühender Blumen annehmen, wenn Feuer
und Rauch, von der Atmosphäre niedergedrückt, lange

Verluſt mir nicht vielleicht „atemporary embarras-
ment“
verurſachte, und ob ich nicht ein Darlehn von
fünf Pfund annehmen wolle, was ich ihnen bei mei-
ner Rückkehr wiedererſtatten könne? dabei wollte ſie
mir die Note gleich in die Hand ſtecken. — Dieſe
Güte rührte mich wirklich tief — ſie hatte etwas ſo
Zartes und Uneigennütziges, daß die größte Wohlthat
mir vielleicht, unter andern Umſtänden, weniger
Dank eingeflößt haben würde, als dieſer gute Wille.
Du kannſt denken, wie herzlich ich dankte. Gewiß,
ſagte ich, würde ich, wenn ich es im Geringſten nö-
thig hätte, nicht zu ſtolz geweſen ſeyn, ein ſo gut
gemeintes Darlehn anzunehmen, da dies aber in kei-
ner Art der Fall ſey, ſo würde ich, ihre Großmuth
auf eine andere Weiſe in Anſpruch nehmen, und
bäte mir daher aus, von jeder der zwei hübſchen
Monmoutherinnen einen Kuß mit nach dem Conti-
nent nehmen zu dürfen. Dies geſchah unter vielem
Lachen, und mit freundlicher Hingebung, worauf ich,
ſo befrachtet, meinen Wagen wieder aufſuchte. Da
ich geſtern auf dem Waſſer geſchifft, zog ich heute den
Weg zu Lande vor, der ebenfalls immer längs des
Fluſſes nach Chepſtow führt. Die Gegend bleibt von
derſelben Art; reich, dunkelwaldig und Wieſengrün,
hier aber noch vielfach durch Hochöfen, Zinn- und
Eiſenwerke belebt, deren Feuer in gelb, roth, blau
und grünlichen Farben ſpielen, und aus thurmhohen
Feuereſſen lodern, wo ſie zuweilen ganz die Form
großer glühender Blumen annehmen, wenn Feuer
und Rauch, von der Atmosphäre niedergedrückt, lange

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0275" n="253"/>
Verlu&#x017F;t mir nicht vielleicht <hi rendition="#aq">&#x201E;atemporary embarras-<lb/>
ment&#x201C;</hi> verur&#x017F;achte, und ob ich nicht ein Darlehn von<lb/>
fünf Pfund annehmen wolle, was ich ihnen bei mei-<lb/>
ner Rückkehr wiederer&#x017F;tatten könne? dabei wollte &#x017F;ie<lb/>
mir die Note gleich in die Hand &#x017F;tecken. &#x2014; Die&#x017F;e<lb/>
Güte rührte mich wirklich tief &#x2014; &#x017F;ie hatte etwas &#x017F;o<lb/>
Zartes und Uneigennütziges, daß die größte Wohlthat<lb/>
mir vielleicht, unter andern Um&#x017F;tänden, weniger<lb/>
Dank eingeflößt haben würde, als die&#x017F;er gute Wille.<lb/>
Du kann&#x017F;t denken, wie herzlich ich dankte. Gewiß,<lb/>
&#x017F;agte ich, würde ich, wenn ich es im Gering&#x017F;ten nö-<lb/>
thig hätte, nicht zu &#x017F;tolz gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, ein &#x017F;o gut<lb/>
gemeintes Darlehn anzunehmen, da dies aber in kei-<lb/>
ner Art der Fall &#x017F;ey, &#x017F;o würde ich, ihre Großmuth<lb/>
auf eine andere Wei&#x017F;e in An&#x017F;pruch nehmen, und<lb/>
bäte mir daher aus, von jeder der zwei hüb&#x017F;chen<lb/>
Monmoutherinnen einen Kuß mit nach dem Conti-<lb/>
nent nehmen zu dürfen. Dies ge&#x017F;chah unter vielem<lb/>
Lachen, und mit freundlicher Hingebung, worauf ich,<lb/>
&#x017F;o befrachtet, meinen Wagen wieder auf&#x017F;uchte. Da<lb/>
ich ge&#x017F;tern auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;chifft, zog ich heute den<lb/>
Weg zu Lande vor, der ebenfalls immer längs des<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;es nach Chep&#x017F;tow führt. Die Gegend bleibt von<lb/>
der&#x017F;elben Art; reich, dunkelwaldig und Wie&#x017F;engrün,<lb/>
hier aber noch vielfach durch Hochöfen, Zinn- und<lb/>
Ei&#x017F;enwerke belebt, deren Feuer in gelb, roth, blau<lb/>
und grünlichen Farben &#x017F;pielen, und aus thurmhohen<lb/>
Feuere&#x017F;&#x017F;en lodern, wo &#x017F;ie zuweilen ganz die Form<lb/>
großer glühender Blumen annehmen, wenn Feuer<lb/>
und Rauch, von der Atmosphäre niedergedrückt, lange<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0275] Verluſt mir nicht vielleicht „atemporary embarras- ment“ verurſachte, und ob ich nicht ein Darlehn von fünf Pfund annehmen wolle, was ich ihnen bei mei- ner Rückkehr wiedererſtatten könne? dabei wollte ſie mir die Note gleich in die Hand ſtecken. — Dieſe Güte rührte mich wirklich tief — ſie hatte etwas ſo Zartes und Uneigennütziges, daß die größte Wohlthat mir vielleicht, unter andern Umſtänden, weniger Dank eingeflößt haben würde, als dieſer gute Wille. Du kannſt denken, wie herzlich ich dankte. Gewiß, ſagte ich, würde ich, wenn ich es im Geringſten nö- thig hätte, nicht zu ſtolz geweſen ſeyn, ein ſo gut gemeintes Darlehn anzunehmen, da dies aber in kei- ner Art der Fall ſey, ſo würde ich, ihre Großmuth auf eine andere Weiſe in Anſpruch nehmen, und bäte mir daher aus, von jeder der zwei hübſchen Monmoutherinnen einen Kuß mit nach dem Conti- nent nehmen zu dürfen. Dies geſchah unter vielem Lachen, und mit freundlicher Hingebung, worauf ich, ſo befrachtet, meinen Wagen wieder aufſuchte. Da ich geſtern auf dem Waſſer geſchifft, zog ich heute den Weg zu Lande vor, der ebenfalls immer längs des Fluſſes nach Chepſtow führt. Die Gegend bleibt von derſelben Art; reich, dunkelwaldig und Wieſengrün, hier aber noch vielfach durch Hochöfen, Zinn- und Eiſenwerke belebt, deren Feuer in gelb, roth, blau und grünlichen Farben ſpielen, und aus thurmhohen Feuereſſen lodern, wo ſie zuweilen ganz die Form großer glühender Blumen annehmen, wenn Feuer und Rauch, von der Atmosphäre niedergedrückt, lange

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/275
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/275>, abgerufen am 13.05.2024.