schnell, obgleich mit vier blinden Pferden, zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann nahm ich ein Boot, schickte es fünf Meilen voraus nach dem alten Schloß Goderich, und schlug selbst meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu- erst auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller Aussicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot mit zwei Rudern und meinem Irländer schon vor- fand. Ich mußte über den Fluß setzen, der hier ziemlich reißend ist, um zu dem, mit der alten Burg gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem schlüpfrigen Rasen war ziemlich beschwerlich. Als ich in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftstoß die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeist mir mehr Respekt für die Schatten der verblichenen Rit- ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som- mer und Herbst wird der River Wye von Reisenden nicht leer, da aber wahrscheinlich nie ein methodischer Engländern die Reise auch im Winter unternahm, so sind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer, noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touristen. So war auch die Leiter, welche nöthig ist, um zu der abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen, nicht vorhanden, sondern bereits in die Winterquar- tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-
ſchnell, obgleich mit vier blinden Pferden, zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann nahm ich ein Boot, ſchickte es fünf Meilen voraus nach dem alten Schloß Goderich, und ſchlug ſelbſt meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu- erſt auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller Ausſicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot mit zwei Rudern und meinem Irländer ſchon vor- fand. Ich mußte über den Fluß ſetzen, der hier ziemlich reißend iſt, um zu dem, mit der alten Burg gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem ſchlüpfrigen Raſen war ziemlich beſchwerlich. Als ich in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftſtoß die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeiſt mir mehr Reſpekt für die Schatten der verblichenen Rit- ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som- mer und Herbſt wird der River Wye von Reiſenden nicht leer, da aber wahrſcheinlich nie ein methodiſcher Engländern die Reiſe auch im Winter unternahm, ſo ſind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer, noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touriſten. So war auch die Leiter, welche nöthig iſt, um zu der abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen, nicht vorhanden, ſondern bereits in die Winterquar- tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="246"/>ſchnell, obgleich <hirendition="#g">mit vier blinden Pferden</hi>,<lb/>
zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann<lb/>
nahm ich ein Boot, ſchickte es fünf Meilen voraus<lb/>
nach dem alten Schloß Goderich, und ſchlug ſelbſt<lb/>
meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu-<lb/>
erſt auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller<lb/>
Ausſicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am<lb/>
Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot<lb/>
mit zwei Rudern und meinem Irländer ſchon vor-<lb/>
fand. Ich mußte über den Fluß ſetzen, der hier<lb/>
ziemlich reißend iſt, um zu dem, mit der alten Burg<lb/>
gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem<lb/>ſchlüpfrigen Raſen war ziemlich beſchwerlich. Als ich<lb/>
in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftſtoß<lb/>
die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeiſt mir<lb/>
mehr Reſpekt für die Schatten der verblichenen Rit-<lb/>
ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung<lb/>
konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die<lb/>
dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und<lb/>
auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som-<lb/>
mer und Herbſt wird der River Wye von Reiſenden<lb/>
nicht leer, da aber wahrſcheinlich nie ein methodiſcher<lb/><choice><sic>Englȧnder</sic><corr>Engländern</corr></choice> die Reiſe auch im Winter unternahm, ſo<lb/>ſind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich<lb/>
fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer,<lb/>
noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touriſten.<lb/>
So war auch die Leiter, welche nöthig iſt, um zu der<lb/>
abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen,<lb/>
nicht vorhanden, ſondern bereits in die Winterquar-<lb/>
tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[246/0268]
ſchnell, obgleich mit vier blinden Pferden,
zurücklegten, bediente ich mich des Wagens, dann
nahm ich ein Boot, ſchickte es fünf Meilen voraus
nach dem alten Schloß Goderich, und ſchlug ſelbſt
meinen Weg dahin zu Fuß ein. Er führte mich zu-
erſt auf einen hochgelegenen Kirchhof mit prachtvoller
Ausſicht, dann durch eine üppige Gegend, wie am
Luganer See, bis zur Ruine, wo ich das kleine Boot
mit zwei Rudern und meinem Irländer ſchon vor-
fand. Ich mußte über den Fluß ſetzen, der hier
ziemlich reißend iſt, um zu dem, mit der alten Burg
gekrönten, Berg zu gelangen. Das Steigen auf dem
ſchlüpfrigen Raſen war ziemlich beſchwerlich. Als ich
in den hohen Thorweg trat, nahm mir ein Luftſtoß
die Mütze vom Kopfe, als wolle der Berggeiſt mir
mehr Reſpekt für die Schatten der verblichenen Rit-
ter einflößen. Die Ehrfurcht und Bewunderung
konnte aber nicht vermehrt werden, mit der ich die
dunklen Gänge, die geräumigen Höfe durchirrte, und
auf die verfallenen Treppen hinaufkletterte. Im Som-
mer und Herbſt wird der River Wye von Reiſenden
nicht leer, da aber wahrſcheinlich nie ein methodiſcher
Engländern die Reiſe auch im Winter unternahm, ſo
ſind auch die Leute nicht darauf eingerichtet, und ich
fand den ganzen Tag lang nirgends weder Führer,
noch irgend eine Sorgfalt zum Behuf der Touriſten.
So war auch die Leiter, welche nöthig iſt, um zu der
abgebrochenen Treppe des Hauptthurms zu gelangen,
nicht vorhanden, ſondern bereits in die Winterquar-
tiere gebracht. Mit Hülfe der Bootsleute und mei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/268>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.